Wenn Stars wie Tom Cruise in Österreich drehen, dürfen auch heimische Kameraleute auf Aufträge hoffen. Gebucht wird in der Filmindustrie aber meist nur tageweise, was sozialversicherungsrechtliche Probleme auslösen kann.

apa

Wien – Änderungen bei der Geringfügigkeitsgrenze haben, wie berichtet, in der Filmwirtschaft für massiven Unmut und Verunsicherung gesorgt. Bei Kameraleuten und anderen Mitarbeitern der Filmindustrie ist es üblich, dass sie – oft sehr kurzfristig – immer nur tageweise angeheuert werden.

Seit Jahresbeginn gibt es aber keine tägliche Geringfügigkeitsgrenze (zuletzt 31,92 Euro) mehr. Das hat zu der absurden Situation geführt, dass Mitarbeiter, die beispielsweise an zehn Tagen des Monats jeweils 300 Euro verdient haben, trotzdem als geringfügig beschäftigt eingestuft wurden. Der Grund: Jedes Beschäftigungsverhältnis wurde einzeln gewertet – und keines war eben über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 425,70 Euro.

Wie das Gesetz lesen?

Auch im Hauptverband der Sozialversicherungsträger las man das Gesetz ursprünglich so, dass die Arbeitgeber gar nicht die Möglichkeit hätten, die einzelnen Aufträge zusammenzuzählen und die Kameraleute vollversichert bei der Gebietskrankenkasse anzumelden. Die Folge: Die Mitarbeiter waren vorübergehend nicht kranken-, pensions- und arbeitslosenversichert.

Ein Zustand, der übrigens auch auf Arbeitgeberseite für Kritik sorgte. Der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der Wirtschaftskammer sprach gegenüber dem STANDARD von einer "untragbaren Situation", die auch für die Produzenten "zu großer Rechtsunsicherheit" führe.

Intensive Beratungen

In den vergangenen Wochen fanden nun intensive Beratungen zwischen Sozialministerium, Sozialpartnern, dem Hauptverband und den Parlamentsparteien statt. Zu einer größeren Gesetzesreparatur dürfte es nun aber nicht kommen. Im Sozialressort ist man nämlich zu der Überzeugung gekommen, dass die meisten Probleme auch so zu lösen seien und dass der Hauptverband die Rechtslage etwas überschießend ausgelegt hat.

Kameraleute, die von unterschiedlichen Auftragnehmern Einzelhonorare unter der Grenze von 425,70 Euro erhalten, könnten sich schon jetzt selbst bei der Krankenkasse melden, wenn sie "voraussichtlich" über der Geringfügigkeitsgrenze liegen werden. Die Möglichkeit dieser "besonderen Formalversicherung" sei bisher wenig bekannt und werde nun verstärkt kommuniziert, heißt es.

Nachträglich korrigieren

Aber auch für Fälle, wo jemand bei ein und demselben Dienstgeber mehrmals im Monat beschäftigt wird, sodass er am Ende über die Geringfügigkeitsgrenze kommt, gebe es eine Lösung. In diesen Fällen könnten die Firmen nachträgliche Korrekturmeldungen bei der Krankenkasse vornehmen. Das habe man nun auch mit dem Hauptverband außer Streit gestellt, heißt es im Büro von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ).

Zudem gebe es auch die Möglichkeit eines kleinen Tricks: Die Arbeitgeber könnten die Mitarbeiter prophylaktisch immer voll anmelden. Sollte die Auftragssumme dann doch unter 425,70 Euro liegen, könne man die Meldung im Monat darauf wieder nach unten korrigieren – ohne Sanktionen befürchten zu müssen, wird betont.

Planbarkeit fehlt

Den Filmschaffenden reicht das aber nicht, wie Fabian Eder von der Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden zum STANDARD sagt. In aller Regel wüssten die Betroffenen nicht, ob sie "voraussichtlich" mehr oder weniger als 425,70 Euro verdienen.

Und ein Grundproblem bleibt weiter ungelöst: Auch bei der neuen Auslegung der Gesetze können die Dienstnehmer nur kranken- und pensions-, nicht aber arbeitslosenversichert werden. Dadurch werde es fast unmöglich, jemals Anspruch auf Arbeitslosengeld zu erwerben, was sich später auch auf die Höhe der Pension negativ auswirke, sagt Eder. "Das ist der Knackpunkt."

Auch im Sozialministerium wird betont, dass man diese Frage noch prüfe. Möglicherweise werde man in diesem Punkt also doch noch das Gesetz adaptieren müssen. Die Grüne Birgit Schatz hat bereits einen Antrag im Parlament eingebracht, mit dem eine freiwillige Vollversicherung von geringfügig Beschäftigten ermöglicht werden soll. Für die Filmindustrie wären damit alle Probleme gelöst, meint Eder. "Und niemand sonst hätte einen Nachteil." (go, 5.7.2017)