Die Kosten fürs Wohnen fressen einen Großteil des Lohns der Tourismusangestellten. Das schreckt viele ab.

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Vermietet wird fast alles auf der Partyinsel Ibiza: ein Klappbett in der Küche, Balkone, Terrassen, Wohnwägen und im Slumstil zusammengeschusterte Behausungen zu 25 Euro pro Nacht, wie eine TV-Reportage von Cuatro aufdeckte.

Zehn und mehr Saisonarbeiter leben oft zusammengepfercht in Substandard- und Kellerwohnungen. Geschlafen wird teils in Schichten. Zwischen 350 und 500 Euro kostet pro Person monatlich ein Gruppenschlafplatz. Hunderte nächtigen daher in ihren Autos, am Strand oder in Parks. Wer in Sant Antoni (Ibiza) ein Appartement sucht, muss über 1.000 Euro Monatsmiete für 33 Quadratmeter bezahlen – exklusive Betriebskosten, Strom, Wasser und Gas.

"Es war angedacht, einen Campingplatz für die Saisonarbeiter seitens der Inselverwaltung zu errichten. Es ist eine paradoxe Situation", sagt Joaquín Valdivielso von der Umweltschutz-NGO Terraferida (kat. "verletzte Erde") zum STANDARD. Hauptproblem sei, dass am Onlinemarkt dezidiert für Langzeitmieten vorgesehene Wohnungen Urlaubern feilgeboten werden.

Ferienwohnungen boomen

Das Angebot verknappe, und korrelierend explodieren die Mietpreise, sagt er: "Zudem ist das Lohnniveau im Touristiksektor mit der Krise stark gesunken." Er ortet Parallelen zur Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und spricht von "modernen Bettgehern auf den Balearen".

Die Hauptinsel Mallorca blieb von Kollateralschäden des über Onlineplattformen, allen voran Airbnb, ins Exzessive getriebenen Ferienwohnungsbooms nicht verschont. Das schreckt nicht nur Kellner, Köche, Barkeeper, Türsteher oder Reinigungskräfte ab, auf Ibiza oder Mallorca zu arbeiten. Es rechne sich nicht, wenn die Miete den Großteil des Lohns frisst, weiß Valdivielso. Der Touristiksektor klagt über Personalmangel, ebenso die Flughafenbetreibergesellschaft Aena. Selbst im Öffentlichen Dienst zeigen sich massive Probleme. Ärzte, Krankenpfleger, Lehrer, Polizisten und Guardia-Civil-Beamte lehnen Versetzungen nach Ibiza vermehrt ab. Vakante Stellen werden nicht nachbesetzt. Für die übliche Verstärkung der Polizeipräsenz im Sommer fehlt es an Einsatzkräften. Selbiges gilt für das medizinische Personal.

Lehrer schliefen im Turnsaal

Das Spital Can Misses (Ibiza) hat nun acht Wohnungen in ehemaligen Krankenzimmern für Mediziner eingerichtet. Für Polizisten wird eine leerstehende Armeekaserne bewohnbar gemacht. Schon jetzt sind einige Dutzend Guardia-Civil-Beamte auf Initiative der um die Sicherheit der Urlauber besorgten Hoteliers in deren Hotels einquartiert. Ibizas Schulen hatten vergangen Herbst Lehrer temporär in Turnsälen untergebracht.

Ein bereits beschlossenes Gesetz sieht für illegale Ferienwohnungen Strafen von bis zu 40.000 Euro vor. In Kraft treten wird es aller Voraussicht am 22. Juli. "Zu spät, und es ist eine Amnestie", lamentiert Valdivielso. "Schwammig formuliert wird im Gesetz das bestehende Angebot an Ferienwohnungen legalisiert", kritisiert er. Ein erster Schritt zur Lösung des komplexen Problems wäre, "all die Wohnungen, die für Langzeitmieten dienen sollen, als solche verpflichtend anzubieten". Dafür brauche es "politischen Willen und Inspektoren".

"Wenn wir nicht handeln, wird das Problem nächstes Jahr exponentiell größer sein. Bald wird niemand mehr auf Ibiza arbeiten wollen", warnt Fernando Fernández im Standard-Gespräch. Der Gewerkschafter der Hotelleriebediensteten von der sozialistischen UGT (Unión General de Trabajadores) auf Ibiza fordert wie Valdivielso "eine klare Trennung zwischen regulärem Wohnraum und Urlaubsdomizilen". Bis dies umgesetzt sei, wären Hoteliers gefordert, Saisonarbeitern eine Unterkunft zu stellen. (Jan Marot aus Ibiza, 6.7.2017)