Die Urteile des OGH haben Auswirkung auf viele Kreditverträge. Banken müssen zu viel bezahlte Zinsen rückerstatten.

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Frage: Das Urteil vom Obersten Gerichtshof besagt zur Erinnerung noch mal genau was?

Antwort: Das Urteil von Ende Juni hält fest, dass Banken negative Referenzzinssätze an ihre Kunden weitergeben müssen. Konkret geht es darum, dass der Euribor bzw. der Libor in den vergangenen Jahren in den Minusbereich gerutscht sind. Variable Zinsen, die auf diesen Indizes aufbauen, wurden in vielen Fällen aber weiterhin so berechnet, als lägen die Indizes nach wie vor bei null. Es galt also zu klären, ob Banken ihren Aufschlag vom negativen Zins weg oder von der Nullgrenze weg berechnen müssen. Bisher wurde die Marge oft von der Nullgrenze an aufgeschlagen, die Negativzinsen also nicht an die Kunden weitergegeben. Diese Vorgehensweise ist jedoch dem OGH-Urteil zufolge nicht mehr zulässig.

Frage: Das OGH-Urteil bezog sich auf einen Fall in Tirol, geklagt wurde die Hypo Tirol. Gilt das Urteil jetzt nur für Hypo-Tirol-Kunden?

Antwort: Im Prinzip schon, denn ein OGH-Urteil entfaltet nur Bindungswirkung zwischen den jeweiligen Parteien. Da andere Banken ähnlich vorgegangen sind, hat das Urteil faktisch schon Auswirkungen auf andere Institute, die ab 2015 bei bestehenden Verträgen mit Zinsgleitklausel und vertraglich vereinbartem Aufschlag negative Referenzzinssätze nicht berücksichtigt haben oder zumindest immer den vertraglich vereinbarten Aufschlag verlangt haben.

Frage: Werden die zu viel bezahlten Zinsen automatisch zurückgezahlt?

Antwort: Konsumentenschützer fordern schon, dass Banken automatisch Rückzahlungen leisten sollen. Sie hegen aber auch Zweifel daran, denn oft würden Institute nicht aktiv, wenn nicht ein Verein oder Rechtsvertreter hinter den Forderungen stehe. Fakt ist aber, dass sich betroffene Banken dem Urteil des OGH letztlich nicht entziehen können. Aus der Bankenbranche ist jedenfalls zu hören, dass Institute das Urteil gerade prüfen, bevor sie aktiv werden.

Frage: Wie kann ich als betroffener Kreditnehmer agieren?

Antwort: Der Verein für Konsumenteninformation hat einen Musterbrief verfasst, mit dem Kreditnehmer ihre Bank auffordern können, unzulässig verrechnete Zinsen gutzuschreiben. Abrufbar ist dieser Musterbrief unter verbraucherrecht.at. Der VKI will zudem die Reaktionen der Banken erheben und – wenn erforderlich – eine weitere Vorgehensweise zur Unterstützung der betroffenen Kreditnehmer prüfen.

Frage: Gibt es auch noch andere Möglichkeiten, um aktiv zu werden?

Antwort: Jeder kann seinen Kreditvertrag freilich von einem Anwalt prüfen lassen, um festzustellen, ob es Ansprüche gibt, die geltend gemacht werden können. Hier wird vielfach ein Thema sein, ob die Rechtschutzversicherung Kreditstreitigkeiten inkludiert und damit die Anwalts- und eventuelle Folgekosten übernimmt.

Frage: Warum kann man nicht einfach zu seinem Bankberater gehen und die zu viel bezahlten Zinsen zurückfordern?

Antwort: Die Banken müssen jeden Vertrag einzeln prüfen und rückrechnen. Jeder Monat ab 2015 – als die Referenzzinssätze negativ wurden – muss neu berechnet werden. Erst dann zeigen sich die Ansprüche. Das kann der Berater nicht am Schalter erledigen. Man kann sich mit seinem Berater aber darüber austauschen, ob es Ansprüche aus dem Vertrag gibt.

Frage: Woher weiß ich denn, ob ich von dem Urteil betroffen bin?

Antwort: Betroffen sind in erster Linie Kredite mit variablen Zinssätzen, die keine Ober- oder Untergrenze vereinbart haben. Wer einen Fixzinskredit hat, ist nicht betroffen. Viele Kunden haben 2015 Post von ihrer Bank erhalten, mit der Information, dass die Zinsen aufgrund der negativ gewordenen Referenzindizes neu berechnet werden. Das ist ein Indiz dafür, dass man vom OGH-Urteil profitieren kann.

Frage: Es gab in dieser Causa auch andere Urteile. Was sagen diese aus?

Antwort: In der Causa Negativzinsen gab es bereits drei Entscheidungen vom OGH. Es gab zwei Varianten, wie Banken vorgegangen sind. Manche Institute haben für den Sollzinssatz eine Untergrenze von null eingezogen. Hier hat etwa der VKI gegen die Bank Austria ein Verfahren geführt. Der OGH hat diese Vorgangsweise bestätigt und damit geklärt, dass Banken ihren Kunden für die Aufnahme eines Kredits nicht noch einen Aufschlag bezahlen müssen. Andere Banken haben nachträglich den Aufschlag als Untergrenze für den Sollzinssatz eingezogen. Das hat der OGH in zwei Fällen (Hypo Tirol und ein Privatkläger) als unzulässig erklärt.

Frage: Stehen noch weitere OGH-Urteile aus oder war es das?

Antwort: Derzeit laufen noch zwei weitere Verfahren in der Zinsthematik. Die Urteile werden in den kommenden Wochen erwartet. Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer, geht davon aus, dass die Banken abwarten, wie diese Urteile ausfallen, bevor sie aktiv werden. Denn erst dann "ergeben die Puzzlesteine ein fertiges Bild", sagt Rudorfer. Dass der OGH in den noch offenen Fällen aber gänzlich anders entscheidet als bisher, davon sei aber nicht auszugehen.

Frage: Droht in diesen Fällen eine Verjährungsthematik?

Antwort: Prinzipiell gilt, dass man ab Kenntnis des Schadens drei Jahre Zeit hat, um Ansprüche geltend zu machen. Daher drängt die Zeit schon, weil Banken Kunden 2015 informiert haben. Da der OGH in der Causa schon mehrere Urteile gefällt hat und die zwei Ausstehenden erwartet werden, geht Rudorfer davon aus, dass die Verjährung kein Thema wird. Es gilt das Datum der Rechtssprechung.

Frage: Gibt es aus dem Zinsthema noch offene Fragen?

Antwort: Ja. So muss etwa geprüft werden, ob es bei der Kontoüberziehung – die ja auch einem Kredit ähnlich ist – eine Thematik mit "Negativzinsen" geben könnte, sagt etwa Rechtsanwalt Alexander Putzendopler. Hierzu müssen die Kontoverträge angesehen werden, um zu klären, wie sich die dort verrechneten Zinsen bei der Überziehung zusammensetzen und was hier die Vertragsauslegung ergibt. (FRAGE & ANTWORT: Bettina Pfluger, 6.7.2017)