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Für ihr Wirken bekam Carolin Emcke 2016 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Doch auf Amazon wird sie heftig attackiert. Dort ist von "Frau Emcke mit ihrer tuntenbunten Bürgermeisterinnenkette aus allerlei Antifa 2.0 und Stasi-Preisen" zu lesen; ihr Buch "Gegen den Hass" solle es "schaffen, noch reichlich Öl ins Feuer des Hasses zu gießen."

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Ein anderer Nutzer beginnt seine Rezension gleich mit den Worten, dass er "dieses Buch nicht gelesen hat". Das sei ihm aber egal, denn er wisse, dass "gegen den Hass zu kämpfen bedeutet, gegen das zu kämpfen, was uns als Menschen überhaupt erst miteinander verbindet." Ein anderer: "Der guten Caroline ist entgangen, dass es bereits Hass ist, jemanden des Hasses zu zeihen. Caroline kennt diese (ausgeteilte) Empfindung, sonst könnte sie ja gar nicht darüber schreiben, gell."

Auffällig: Bei NSU, AfD und Co hagelt es Ein-Stern-Bewertungen

Emckes Buch ist kein Einzelfall: Bei vielen prominenten Büchern, die Rechtspopulismus, Hetze, Antisemitismus oder Neonazismus zum Inhalt haben, gibt es zahlreiche Ein-Stern-Bewertungen. Zu nennen sind etwa Melanie Amanns "Angst für Deutschland" über die AfD, "Heimatschutz: Der Staat und die Mordserie des NSU" von Stefan Aust und Dirk Laabs oder "Die Identitären: Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa" von Julian Bruns, Kathrin Glösel und Natascha Strobl. Die Liste lässt sich lang fortsetzen.

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Beim Handbuch zur Identitären Bewegung sind etwa Kommentare wie "Goebbels wäre stolz" zu finden. Einige Rezensenten sind als Anhänger der rechtsextremen "Identitären Bewegung" erkennbar. Einer schreibt etwa, er sei zwar "weder Mitglied noch Sympathisant", war aber öfter "bei ihrem Stammtisch" und "Nazis oder Rechtsextreme waren dort nicht zugegen". Ein anderer kommentiert unter dem Namen Raul Jaubein. Unter diesem Pseudonym gibt es auch einen Autor auf der Webseite der Identitären Generation. Auf Amazon gefielen Raul Jaubein übrigens nur das Videospiel "Final Fantasy XIV" und die verschwörungstheoretische TV-Serie "Ancient Aliens".

"Meinungsvielfalt respektieren"

Amazon schreibt über Kundenbewertungen, dass das Unternehmen "Meinungsvielfalt respektiert". "Bitte beachten Sie, dass manche Inhalte, die Ihnen missfallen, dennoch nicht unbedingt gegen unsere Richtlinien verstoßen", heißt es in der Hilfeseite zu Kundenrezensionen. Allerdings sollten Bewertungen nicht "beleidigend oder diffamierend" sein, außerdem sollen Nutzer "keinen Hass auf oder Inteloranz gegenüber Menschen ausdrücken". Konfrontiert mit den genannten Beispielen verweist Amazon lediglich auf die öffentlich zugänglichen Richtlinien für Kundenrezensionen. Das Review zu Emckes Buch, in dem von der "tuntenbunten Bürgermeisterinnenkette" gesprochen wird, bleibt auch eine Woche nach der Meldung an Amazons Presseabteilung online.

Reviewmeta zeigt "echte" Wertung

Abhilfe schafft etwa die Initiative ReviewMeta, die Amazon-Rezensionen überprüft. Carolin Emckes "Gegen den Hass" würde auf ReviewMeta eine Bewertung von "5.0 von 5 Sternen" statt der auf Amazon verliehenen 3.3 Sterne erhalten. Das liegt daran, dass der Algorithmus von ReviewMeta "Trollbrigaden" entdecken konnte, die Emckes Buch massenhaft negativ bewertet haben.

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Die Seite erklärt detailliert, wie derartige Kampagnen identifiziert werden können. So deuten etwa von Amazon gelöschte Reviews darauf hin, dass die Debatte kontrovers und aufgeladen ist. Die Seite vergleicht außerdem, wie verifizierte und nicht-verifizierte Accounts bewerten. Zusätzlich sei "eine Vielzahl negativer Reviews, die gleichzeitig erscheinen", ein guter Indikator für solche Kampagnen. Internationale Beispiele seien etwa Bücher von Hillary Clinton, Comedian Amy Schumer; aber auch Merchandise zur Präsidentschaftskampagne von Donald Trump.

Im deutschsprachigen Raum handelt es sich fast ausschließlich um Kampagnen vom politisch rechten Spektrum. Denn umstrittene Machwerke von Autoren des Kopp-Verlages oder etwa die Bücher von Thilo Sarrazin glänzen mit hohen Bewertungen auf Amazon. (Fabian Schmid, 17.7.2017)