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Geht es nach Italiens Innenminister Marco Minniti, sollen NGOs künftig strengere Auflagen befolgen: Sie sollen Flüchtlinge auf See etwa nicht mehr an andere Boote übergeben dürfen.

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EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos übt Kritik an Mitgliedstaaten bei dem Treffen der Innenminister in Tallinn.

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Die Drohungen der Regierung in Rom, jenen Booten von Hilfsorganisationen (NGOs) den Zugang zu italienischen Häfen zu verweigern, die Flüchtlinge von der Zwölf-Meilen-Zone vor der libyschen Küste abholen und nach Europa bringen wollen, zeigt in der EU offenbar Wirkung. Bei einem informellen Treffen der Innenminister in Tallinn stießen Pläne für einen "Verhaltenskodex" für NGOs auf breite Zustimmung.

Italiens Innenminister Marco Minniti legte dort ein Elf-Punkte-Papier vor, das für die zivilen Seeretter strenge Auflagen vorsieht. So sollen sie Flüchtlinge auf See nicht mehr an andere Boote übergeben dürfen, sondern sie selbst in sichere Häfen bringen. Transponder zur Schiffserkennung dürfen nicht ausgeschaltet werden. Ein Einfahren in die Küstennähe soll ihnen ebenso verboten werden wie das Aussenden von Lichtsignalen an die Küste, wo die Schlepper Flüchtlinge in Boote setzen.

Nur in Notlagen eingreifen

Die NGOs müssten ihre Finanzquellen offenlegen, so der Minniti-Plan, sie müssen die Küstenwachen und Polizei jederzeit auf ihre Schiffe lassen, dürfen nur in Notlagen eingreifen und die Arbeit der Operation Sophia nicht behindern. Fügen sich die NGOs nicht, soll ihnen der Zugang nach Italien verwehrt werden können.

Die EU-Kommission hat bereits am Dienstag einen Plan vorgelegt, in dem diese Maßnahmen gutgeheißen werden. Die EU-Zentralbehörde will zudem ihre Mittel erhöhen, um die libysche Küstenwache zu stärken, die Einrichtung von Aufnahmezentren in Libyen zu erleichtern.

Die NGOs, die damit zu voller und offener Kooperation mit den europäischen Behörden beim Mittelmeereinsatz gezwungen werden sollen, verwahren sich gegen den Kodex. Ein Sprecher der deutschen Seawatch warnte davor, dass dies zu "mehr Toten" im Mittelmeer führen werde. Die EU müsste selbst mehrere Rettungsboote einsetzen, forderte er. Auch Ärzte ohne Grenzen kritisierte die geplanten Restriktionen.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sagte zu der Diskussion am Donnerstag in der Zeit im Bild 2: "Am Ende des Tages wird die Europäische Union ihre Außengrenzen schützen und die Mittelmeerroute schließen und das ist gut so."

ORF

Deutschland will helfen

Bei den EU-Innenministern in Tallin war klar, dass das Anwachsen des Zustroms Richtung Italien deutlich zurückgedrängt werden muss. Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos kritisierte die Staaten, dass sie bei der Rückführung irregulärer Migranten, die keine Chance auf Asyl hätten, zu wenig handelten.

Gleichzeitig erkennen die EU-Partner an, dass Italien mehr geholfen werden müsse, um die Migrationskrise besser zu bewältigen. So sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière, sein Land wolle dabei helfen, "die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren".

Doch die Übersiedlung von anerkannten Asylwerbern läuft sehr schleppend. Die Kommission kritisiert Italien indirekt auch dafür, dass die Abwicklung der Asylverfahren nicht so funktioniert, wie es die EU-Pläne eigentlich vorsehen. Rom müsse so rasch wie möglich weitere 3.000 Plätze für Asylwerber schaffen, ihnen keine Reisedokumente ausstellen, mit denen sie nach Norden weiterziehen können, und die Behaltezeiten von Migranten verlängern.

Hilfe für Transitländer

Eine Stärkung der Kooperation mit den Transitländern zwischen Zentralafrika und Europa war die oberste Prämisse der Migrationskonferenz in Rom, die ebenfalls am Donnerstag unter der Leitung von Italiens Außenminister Angelino Alfano stattgefunden hat. "Wir müssen die bestehenden Partnerschaften mit diesen Ländern noch einmal stärken, damit sie in die Lage versetzt werden, ihre Südgrenzen effizienter zu schützen und die Repatriierung der Migranten, die ihr Land durchqueren wollen, zu verstärken", erklärte Alfano. Die Unterstützung der Transitländer müsse zu einer "Priorität der EU-Außen- und Sicherheitspolitik werden".

Bei dem Treffen in Rom ging es aber nicht nur um die Sicherung der Grenzen in der Wüste, sondern auch um die Hilfe für die Migranten. Insbesondere sollen Programme verstärkt werden, die in den Herkunftsländern Arbeitsplätze schaffen und die Wiedereingliederung der Migranten nach ihrer Repatriierung erleichtern. An der Konferenz haben unter anderem der Außenminister Österreichs, Sebastian Kurz, der deutsche Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie Vertreter der Vereinten Nationen, der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und von Transitländern wie Libyen, Niger, Tunesien, Ägypten und Tschad teilgenommen.

Ein erstes Ergebnis war die Zusage Deutschlands, Italien mehr Migranten abzunehmen. Das Kontingent solle von bereits 500 pro Monat auf 750 aufgestockt werden, sagte Roth. "Deutschland ist das Land, was die meisten Geflüchteten aufgenommen hat, und wir sind jetzt im Gespräch mit den Italienern, noch mehr zu tun." Außerdem werde man Italien eine Million Euro zusätzlich zur Verfügung stellen sowie vier Millionen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) für deren Engagement in Marokko und Tunesien zusagen, so Roth. (Thomas Mayer aus Brüssel, Dominik Straub aus Rom, 6.7.2017)