Besetzung sowie Zusammensetzung des Aufsichtsrates können ein wichtiges Signal für das ganze Unternehmen sein und eine Vorbildfunktion erfüllen: als ein Hebel für authentisches – in allen Dimensionen erfolgreiches – Diversity-Management.

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Diversität ist für große Unternehmen ein Muss, wollen sie der Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit in der Bevölkerung gerecht werden. Gerade wenn man wie die Allianz für mehr als eine Million Kundinnen und Kunden tätig ist, wird Diversität zum Kernthema. Es liegt auf der Hand, dass sich dies auch in der Zusammensetzung der Belegschaft widerspiegeln muss. Im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung zeigt sich in der ethnischen wie kulturellen Vielfalt auch ein wichtiger Hebel für die ökonomische Ratio. Dennoch haben die meisten Unternehmen in diesem Bereich noch "blinde Flecken", auch die Allianz: Vielfalt endet leider oft immer noch beim Geschlechterthema.

Sprache als wichtiger Hebel

Wenn Diversity im Unternehmen erfolgreich gelebt werden soll, müssen wir das Thema in den strategischen Fokus rücken. Soziale und ethische Aspekte sind dabei jedoch nur die eine Seite. Denn nicht zuletzt geht es hier auch um eine erhebliche ökonomische Relevanz, hält man sich das Potenzial von Frauen auf der Personalia- oder auch der Kundenseite vor Augen.

Die Gleichbehandlung von Mann und Frau ist in Österreich nicht nur Gesetz, sondern muss auch Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Die Sprachkultur ist dabei ein nicht unwichtiger Hebel: So rechnen wir beispielsweise in unserem Unternehmen seit langem nicht mehr in Mann-, sondern in Personentagen, bilden Teams und keine Mannschaft. In strukturierten Programmen werden die Rahmenbedingungen für familienfreundliches Arbeiten vorangetrieben, und Mentoring für Frauen ist seit Jahren im Angebot. Auch beim Recruiting wird stets darauf geachtet, den Fokus auf weibliche Besetzungen zu legen. Trotzdem kommen wir aber nicht im gewünschten Tempo voran. Denn die unternehmensinterne Statistik zeigt: Nach wie vor sind nur 25 Prozent unserer Führungskräfte weiblich. Das zeigt: Hier besteht weiter Handlungsbedarf.

Von vier auf 30 Prozent Frauen

Ein wichtiger Bereich auf Führungsebene, in dem wir auch viel aktiver werden müssen, ist die Besetzung des Aufsichtsrats. In Österreich, wo ja nun die Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent für 2018 vorgesehen ist, zeigt sich aktuell folgende traurige Realität: In den Top-200-Unternehmen sind Frauen mit nur knapp 18 Prozent in den Aufsichtsräten vertreten, in den börsennotierten sind es sogar lediglich vier Prozent.

Dem Thema Besetzung von Aufsichtsräten, welchen Geschlechts auch immer, muss heute vorangestellt werden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsrats nichts mehr mit einem Ehrenamt – von denen man gerne auch ein Dutzend sammelt – zu tun hat.

Vielmehr handelt es sich hier inzwischen um einen aufwendigen Job, der mit viel Arbeit, hoher Verantwortung und beträchtlichen Haftungsrisiken verbunden ist. Auch die Rekrutierung hat mittlerweile neue Spielregeln. Für einen Sitz im Aufsichtsrat gibt es keine offiziellen Ausschreibungen, und man bewirbt sich auch nicht. Die klassische Variante war lange eine Art Empfehlungsmanagement.

Die Berufung in den Aufsichtsrat wurde damit auch zu einer persönlichen Vertrauensfrage. Heute unterliegt ein Nominierungsprozess ganz anderen rechtlichen Rahmenbedingungen und Prüfungsverfahren.

Grenzen überwinden

Wer sind aber nun die "Richtigen" für die Führungsgremien? Und wie findet man sie? Es geht um den Spagat zwischen Unabhängigkeit und fachspezifischer Qualifizierung – bei Banken und Versicherungen entscheidet hier die Finanzmarktaufsicht über einen Fit-&-proper-Test. Die oder der Richtige verfügt also über eine hohe Expertise in der Branche, ohne aber zu dieser eine wesentliche Geschäftsbeziehung zu haben. Und dann gibt es da auch noch das Genderthema. Die Möglichkeiten sind bei einer weiblichen Besetzung leider deutlich begrenzter, da es viel weniger Managerinnen als Manager gibt.

Apropos begrenzt: In diesem Wort liegt schon ein Schlüssel zur Lösung der Aufgabe. Denn es erweist sich als äußerst sinnvoll, die Suche vom lokalen auf den internationalen Markt auszudehnen und dabei eine professionelle Begleitung in Anspruch zu nehmen. Auch unser Haus konnte sich durch die Unterstützung von Headhuntern eine qualitativ herausragende und nun auch internationale Besetzung erarbeiten, die nicht zuletzt in Hinblick auf Diversity klar in die richtige Richtung weist – unser Frauenanteil im Aufsichtsrat liegt inzwischen bei 55 Prozent.

Raus aus der Zwickmühle

Abschließend ist festzuhalten: Eine Frauenquote für Führungspositionen ist natürlich nicht das Ziel, aber mit Blick auf die europäische Statistik muss man emotionslos feststellen, dass sich ohne entsprechenden regulatorischen Druck zu wenig bewegt. Das ist ein wahres Dilemma.

Meine Empfehlung zum Ausweg aus dieser Zwickmühle: Warten wir nicht auf die ungeliebte Quote, sondern handeln wir. Gerade von den oberen Etagen müssen hier wichtige Impulse ausgehen.

Besetzung sowie Zusammensetzung des Aufsichtsrates können ein wichtiges Signal für das ganze Unternehmen sein und eine Vorbildfunktion erfüllen: als ein Hebel für authentisches – in allen Dimensionen erfolgreiches – Diversity-Management. (Wolfram Littch, 11.7.2017)