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Wien – Österreichische und deutsche Ermittler haben am Freitag bei einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Wien zu der Operation "Elysium" gegen eine Kinderporno-Plattform schreckliche Details bekannt gegeben. Einer der bisher insgesamt 14 festgenommenen Verdächtigen, ein junger Vater aus Wien, soll seine eigenen Kinder missbraucht, dabei gefilmt und auch an andere Männer weitergegeben haben.

"Elysium" nennt sich jener Kinderpornoring, der von deutschen und österreichischen Beamten ausgehoben werden konnte. Auch zwei Österreicher sind unter den Verdächtigen. Ewald Ebner vom Bundeskriminalamt gibt nähere Informationen dazu.
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Im Zuge der Ermittlungen in Deutschland sei man auf die Darknet-Plattform "Elysium" gestoßen, erläuterte Staatsanwältin Julia Bussweiler von der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Die Plattform sei als Forum aufgebaut gewesen. Bei derartigen Foren, die im Darknet betrieben werden, gebe es einen streng hierarchischen Aufbau mit einem oder mehreren Administratoren, dann noch einen "erweiterten Mitarbeiterkreis" mit Moderatoren der Foren und Chats, Grafiker und sogar Personen, die Sicherheitsanleitungen verfassen, damit sich die Mitglieder der Plattform sicher im Darknet bewegen können und nicht auffallen. Das Ziel sei es gewesen, genau diesen Betreiberkreis zu identifizieren.

Ermittlungen und Identifizierung

Zunächst wurden nach umfangreichen technischen und verdeckten Ermittlungen der 39-jährige Administrator der Plattform in Hessen, ein Foren-Administrator, ein Grafiker, der für die Gestaltung der Plattform zuständig war, sowie zwei Missbraucher identifiziert. In einem Kinderporno war der 61-jährige Grafiker mit einem weiteren Mann zu sehen, sagte Jürgen Schmitt vom Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden.

"Elysium", so nennt sich der Kinderpornoring den deutsche und österreichische Beamte jetzt ausgehoben haben. 87.000 Mitglieder hatte diese Plattform, auf der Kinder zum Missbrauch angeboten worden sind.
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Der Grafiker wurde anhand konkreter körperlicher Merkmale auf einer Bilderserie erkannt. Der 61-Jährige aus dem deutschen Landkreis Landsberg am Lech wird verdächtigt, die beiden fünf und sieben Jahre alten Kinder des 28-Jährigen, die auf Bildmaterial zu sehen waren, sexuell missbraucht zu haben. Er sitzt bereits seit 18. Mai in Untersuchungshaft. In weiterer Folge wurde auch ein 56-jähriger Chat-Moderator verhaftet. Die Plattform wurde daraufhin von den Ermittlern gekappt.

Aufnahmen in Österreich gemacht

Das von den Ermittlern sichergestellte Bildmaterial ließ darauf schließen, dass es noch einen weiteren Täter geben musste. Ein Ziel war zudem, festzustellen, woher die Opfer stammten bzw. wer die Kinder sind. Die deutschen Ermittler fanden heraus, dass die Aufnahmen in Österreich gemacht worden sind, woraufhin das deutsche BKA die Kollegen in Wien kontaktierte, um weitere Ermittlungsschritte zu planen.

Die Ermittler vom österreichischen Bundeskriminalamt (BK) erhielten die Informationen vom BKA aus Deutschland sowie Videosequenzen. Auf den Aufnahmen waren die zwei männlichen Täter sowie die zwei Opfer, ein Bub und ein Mädchen, zu sehen. "Wir haben die aus Deutschland erhaltenen Informationen und vor allem das Bildmaterial immer und immer wieder akribisch analysiert und konnten schließlich einen tatortspezifischen Bezug herstellen", sagte Ewald Ebner, Leiter des Büros für allgemeine Kriminalität in BK. Da das Mädchen im schulpflichtigen Alter sein musste und man den möglichen Tatort zumindest großräumig eingrenzen konnte, wurden alle Volks- und Sonderschulen in dem Gebiet kontaktiert und ein Foto des Kindes hergezeigt.

Entscheidender Hinweis von Volksschullehrerin

Am 16. Mai kam von einer Volksschullehrerin der entscheidende Hinweis. Sie war sich sicher, das Mädchen zu erkennen. Die Überprüfung der Daten ergab, dass es sich um ein siebenjähriges Mädchen handelte, das einen fünfjährigen Bruder hat und gemeinsam mit ihrem 28-jährigen Vater in einer Wohnung in Wien-Favoriten lebte. Der 28-jährige wurde als mutmaßlicher Täter identifiziert, berichtete Schmitt. Er soll sich nicht nur an seinen Kindern vergangen, sich dabei gefilmt haben, sondern die Kinder auch weiteren Männern zum Missbrauch zugeführt haben.

Der Verdächtige wurde von der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung (Wega) observiert, sagte Michael Mimra, stellvertretender Leiter des Landeskriminalamtes Wien. Der Zugriff wurde schlussendlich "sorgfältig vorbereitet". "Es war ganz wichtig, dass wir Beweismittel sicherstellen, insbesondere EDV-Anlagen", so Mimra. Der Zugang zu diesen sei besonders wichtig gewesen, denn aus Erfahrung habe man gewusst, dass diese Anlagen sehr schnell gesperrt werden können. Der Täter habe auch WhatsApp und Skype benutzt, auf diese Dienste habe man aus rechtlichen Gründen jedoch keinen Zugriff gehabt. Die beiden Opfer befanden sich während des Zugriffs in der Wohnung. Somit wurde wenige Stunden nach der Identifikation des Mädchens der Mann vom Landeskriminalamt Wien auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien festgenommen.

Österreicher legt Geständnis ab

Der 28-jährige Österreicher legte mittlerweile ein Geständnis ab, berichtete Mimra. Der Mann sei nicht vorbestraft und habe laut Staatsanwaltschaft nicht in einem Beruf gearbeitet, bei dem er mit Kindern zu tun hatte. Die Kindesmutter lebte zum Tatzeitpunkt nicht in der Wohnung. Mittlerweile sind das Mädchen und der Bub allerdings bei der Mutter untergebracht.

Aus dem Geständnis des 28-Jährigen ergab sich zwei Tage später die Festnahme eines 40-jährigen Wieners, der wie der Vater selbst die beiden Kinder seit vielen Jahren missbraucht haben soll sowie Bildmaterial der Kinder ins Netz gestellt haben soll. "Schlussendlich haben wir bei beiden sehr viel Datenmaterial sichergestellt", sagte Mimra. Es seien Datenträger wie Mobiltelefone, Notebooks und USB-Sticks gefunden worden. Das Material wurde zur Datensicherung dem BK übergeben und vom Cybercrime-Kompetenzcenter (C4) forensisch ausgewertet. So wurden auf dem Material weitere Täter und Missbrauchsopfer identifiziert.

"Sehr hohe kriminelle Qualität"

Der junge Vater hat den 40-Jährigen erst im Chatroom der Plattform kennengelernt. "Das hat uns sehr gewundert, dass plötzlich Menschen, die sich nur virtuell kennen, eine Beziehung zueinander aufbauen und auch sehr viele Kilometer fahren – auch der deutsche Verdächtige ist einmal zu Besuch gewesen –, einfach um gemeinsam Kinder zu missbrauchen. Das hat eine sehr hohe kriminelle Qualität", sagte Mimra. Das Motiv des Missbrauchs sei Pädophilie, keineswegs das Verdienen von Geld.

Laut Mimra gibt es nach aktuellem Stand insgesamt 13 Opfer in Österreich, nicht alle von ihnen seien aus Wien. Diese seien auf der Plattform "Elysium" aufgetaucht, man gehe aber nicht davon aus, dass alle Opfer des 28-Jährigen seien. Die Ermittlungen würden noch weiter laufen und einige Zeit in Anspruch nehmen. Alle 13 Opfer in Österreich seien identifiziert, in Sicherheit gebracht worden und werden psychologisch betreut, sagte Mimra.

Weiters wurde festgestellt, dass die auf den Aufnahmen sichtbaren Taten in anderen europäischen bzw. internationalen Städten stattgefunden hatten. Daher wurden die Daten vom BK umgehend zu Europol weitergeleitet, damit die Polizeibehörden in den betroffenen Ländern entsprechende Ermittlungen einleiten konnten, sagte Ebner. "Aufgrund dieses umfangreichen Datenmaterials in Deutschland und in Österreich konnten bereits in mehreren Ländern in Europa und darüber hinaus Täter, die Kinder schwer missbraucht haben, ausgeforscht und teilweise festgenommen werden." Da dort die Ermittlungen noch im Gange seien, könne man dazu keine weiteren Angaben machen. In Deutschland gebe es aber mindestens noch zwei weitere Opfer, sagte Bussweiler. Auch dort werden die sichergestellten Daten noch ausgewertet.

"Skrupellose Vorgehensweise"

"Wir waren von der skrupellosen Vorgehensweise der Tatverdächtigen auf dieser Plattform schockiert", betonte Ebner. "Die beteiligten Tatverdächtigen organisierten Missbrauchshandlungen sozusagen auf Bestellung. Sie forderten sich gegenseitig auf, bestimmte sexuelle Handlungen an den Kindern durchzuführen und Bilder zu machen. So erhielten sie stets neues, abscheuliches Bildmaterial." Zumindest die drei festgenommenen deutschsprachigen Täter mit Österreichbezug hätten sich nicht nur virtuell, sondern auch im realen Leben getroffen und per Handy Kontakt gehalten. Der Vater der Kinder habe die anderen beiden bei sich übernachten lassen und die Möglichkeit geboten, sich gemeinsam an seinen Kindern zu vergehen. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen während der Ermittlungen, so Ebner abschließend, habe sehr professionell und ausgezeichnet funktioniert.

Die in Österreich festgenommenen Beschuldigten befinden sich nach wie vor in Untersuchungshaft, sagte Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Zu den Tatvorwürfen seien sie grundsätzlich geständig. Es seien zudem Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden, zum einen zu einer möglichen Traumatisierung der beiden Opfer aus Österreich sowie zur Frage der Zurechnungsfähigkeit der Beschuldigten. Die zahlreichen bei den Hausdurchsuchungen sichergestellten Daten werden durch das BK noch ausgewertet.

Alle Opfer aus Österreich seien laut BK zwischen vier und zehn Jahren alt und hätten in einem Verwandten- oder Bekanntenverhältnis (Nachbarn, Nichten, Neffen) zu dem 28-jährigen österreichischen Täter gestanden. Ein Mädchen sei eine Schulkollegin seiner Tochter gewesen. Die siebenjährige Tochter sei in der Schule "total unauffällig" gewesen. Der 28-Jährige habe nicht alle missbraucht, von manchen habe er Fotos gemacht.

14 Verdächtige

Im Zuge der Operation gegen die seit 2016 bestehende Kinderporno-Plattform "Elysium" wurden bisher insgesamt 14 Verdächtige in Deutschland und Österreich ausgeforscht und teils auch festgenommen, 29 Opfer wurden identifiziert. Das BKA nahm in Deutschland sieben Personen fest, von diesen wurden zwei des schweren Missbrauchs verdächtigt. Die letzte Festnahme fand in Deutschland am Dienstag statt und wurde durch Beamte des Polizeipräsidiums Dresden durchgeführt, sagte Schmitt. Auf den umfangreichen Serverstrukturen wurden mehrere Terabyte an Material sichergestellt, die derzeit aufgearbeitet werden.

Die inzwischen abgeschaltete Plattform war international ausgerichtet und diente dem weltweiten Austausch von Kinderpornografie sowie zu Verabredungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern. Sie verfügte über Chatbereiche in fünf Sprachen. Die weltweit tätige Plattform hatte 87.000 Mitglieder. Der Name "Elysium" für eine Kinderpornografie-Plattform sei laut Georg Ungefuk von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt "keine Besonderheit": 2010 gab es in Hessen etwa ein großes Verfahren gegen eine Plattform mit dem Namen "Zauberwald", berichtete er. Schöne Namen würden die Szene anlocken. Zeitgleich fand am Freitagvormittag in Wiesbaden eine Pressekonferenz von Bundeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main statt. (APA, 7.7.2017)