Swansea/Wien – Es ist seit Monaten eine Art Hängepartie. Doch die neuesten Satellitenaufnahmen vom sogenannten Larsen-C-Schelfeis der westantarktischen Halbinsel lassen wenig Zweifel, dass sich das Endspiel mitten im unvermeidlichen großen Finale befindet: Ein 175 Kilometer langer Eisberg bricht gerade vom 50.000 Quadratkilometer großen Eisschild ab.

Wie Aufnahmen von Ende Juni zeigen, bewegt sich der gigantische Eisblock auf einer Seite bereits mit mehr als zehn Metern pro Tag vom Schelfeis weg, schneller als je zuvor in den letzten Monaten:

Auf der anderen Seite hängt der Riesenbrocken Eis noch an einem 4,5 Kilometer langem Stück Eis, dem sich mittlerweile mehrere Bruchlinien nähern. Insoferne ist auch nicht ganz klar, wie viele Bruchstücke sich bei der endgültigen Loslösung bilden werden.

Gletscherforscher um Adrian Luckman (Uni Swansea) verfolgen die Entwicklung am Larsen-C-Schelfeis seit rund einem Jahr mit besonderer Aufmerksamkeit wegen der rapiden Ausdehnung des Risses. Wie Daten des Sentinel-1-Satelliten der Esa zeigten, wuchs diese Kluft im antarktischen Sommer rasch an – und nahmen in den letzten Wochen noch einmal Fahrt auf, ehe nur mehr wenige Kilometer bis zum Abbrechen fehlten.

Der Eisberg, der sich gerade löst, wird mit rund 6000 Quadratkilometern um rund ein Drittel größer sein als das Burgenland – und damit einer der größten Eisberge, die je beobachtet wurden und der drittgrößte seit der Satellitenbeobachtung.

Bis sich der gewaltige, rund 350 Meter dicke Brocken auf hoher See in Wasser verwandelt haben wird, werden Jahre vergehen. Und die Schifffahrt in den Meeren rund um die Antarktis hat ein größeres Hindernis, auf das es aufzupassen gilt.

Ist der Klimawandel schuld?

Welche Folgen hat die Geburt dieses Eisbergs? Und in welchem Zusammenhang steht er mit dem Klimawandel? Beide Fragen lassen sich nicht ganz eindeutig beantworten. Im schlimmsten Fall sorgt das Abbrechen für Instabilität des restlichen Schelfeises von Larsen C. Würde es tatsächlich – wie zuvor die kleineren Larsen A und Larsen B – zerbrechen, wäre ein Anstieg des Meeresspiegels um nur rund einen Zentimeter die Folge, da das Schelfeis bereits jetzt auf dem Meerwasser schwimmt.

Die Relationen wahren

Im Vergleich zur Gesamteismenge der Antarktis ist das freilich lächerlich wenig: Würde das gesamte Eis rund um den Südpol abschmelzen, stiege der Meeresspiegel um 60 Meter. Grundsätzlich ist das Abbrechen selbst von so riesigen Eisblöcken nichts Ungewöhnliches und passiert dort regelmäßig, wie der US-Glaziologe Jim McClintock (Uni of Alabama) in einem Video betont.

Er forscht seit 30 Jahren über die und in der Antarktis und weist indes auch darauf hin, dass es in den letzten Jahrzehnten zu einer Häufung von solch großen Eisberggeburten kam. Und das habe eindeutig etwas mit dem Klimawandel zu tun.

University of Alabama at Birmingham

Ähnlich sieht das die US-Glaziologin Helen Amanda Fricker (Scripps Institution of Oceanography in San Diego) in der britischen Zeitung "The Guardian": Eis fließe in der Antarktis nun einmal langsam in Richtung des Meeres und bricht dort regelmäßig in Form riesiger Eisberge ab, so Fricker in ihrer nüchternen Analyse. Zu denken sollte uns freilich geben, dass die Eismassen der Antarktis wegen des Klimawandels insgesamt zurückgehen.

Und wir sollten diesen Rückgang möglichst stoppen, ehe er unumkehrbar wird. (tasch, 7.7.2017)