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Sichere Jobs in den USA für Niedrigqualifizierte, wie bei der New Yorker Ubahn, werden weniger.

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Wien/Washington – Mit Spannung erwarten Anleger jeden Monat die offizielle Verkündung der US-Arbeitsmarktdaten. Paradoxerweise profitieren viele Investoren auch von enttäuschenden Beschäftigungszahlen. Denn je schleppender der Aufschwung, desto länger dürfte die US-Notenbank Fed die Märkte mit Geld fluten und somit die Kurse antreiben.

Am Freitag meldete die US-Regierung, dass im Juni 220.000 neue Jobs entstanden seien. Außerdem seien in den beiden Vormonaten deutlich mehr Stellen dazugekommen als bislang angenommen. Die offizielle Arbeitslosenrate stieg aber leicht auf 4,4 Prozent. Der Arbeitsmarkt entwickelte sich insgesamt besser als von Analysten erwartet. Eine schnellere Zinserhöhung ist trotzdem nicht wahrscheinlich.

Die Arbeitslosigkeit in den USA ist wieder auf dem Niveau vor der Krise. Die Erwerbsbeteiligung bleibt aber niedrig.

Obwohl die offizielle Arbeitslosenquote bereits im Vorjahr auf das Niveau vor der Finanzkrise gefallen ist, hält die Fed an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Damit sich die Wirtschaft längerfristig erholt, sollten nach Einschätzung der Notenbanker die Preise stärker steigen – idealerweise als Folge höherer Löhne. Die Einkommen sind schließlich der Gradmesser, ob der Wohlstand bei der Bevölkerung ankommt. Trotz offizieller Vollbeschäftigung sind die Löhne in den USA seit der Krise aber nur schleppend gewachsen.

Arbeitslosigkeit anders gemessen

Seit 1870 messen Ökonomen systematisch die Arbeitslosigkeit in den USA. Die offizielle Arbeitslosenrate ist dabei nur eine von mehreren Kennzahlen, die von den Statistikern erhoben werden. Insgesamt unterscheidet das U. S. Bureau of Labour Statistics sechs verschiedene Arbeitslosenraten. Um die tatsächliche Auslastung der Beschäftigten zu erfassen, berechnet die Behörde eine erweiterte Quote.

Dabei werden auch Personen erfasst, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten, aber lieber eine volle Stelle hätten. Auch darin berücksichtigt: Menschen, die vorübergehend entmutigt die Jobsuche bleiben lassen. Diese erweiterte Arbeitslosenquote in den USA war im Juni mit 8,6 Prozent fast doppelt so hoch wie die offizielle Rate. Allerdings hat sich die Situation seit der Finanzkrise gemäß beiden Kennzahlen deutlich verbessert.

Der Blick aus der Vogelperspektive zeigt, dass die Lage am Arbeitsmarkt nicht hinlänglich mit der Gegenüberstellung von Jobsuchern und Beschäftigten erklärt wird. Wichtig ist auch der Anteil der Bevölkerung, der überhaupt nicht arbeitet. Dazu zählen nicht nur Menschen in Ausbildung oder Pensionisten, sondern auch jene entmutigten Menschen, die sich vollkommen aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben.

Babyboomer und Entmutigte

Wie hoch der Anteil der Personen ist, die am Arbeitsmarkt teilnehmen, zeigt die Erwerbsquote. In den USA ist diese seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs über Jahrzehnte hinweg gestiegen. Zum Höhepunkt im Jahr 2000 hatten mehr als zwei von drei US-Amerikanern einen Job oder bemühten sich aktiv um einen solchen.

Seit der Finanzkrise ist die Erwerbsquote jedoch deutlich zurückgegangen. Heute liegt sie mit 63 Prozent wieder auf dem Niveau der späten Siebzigerjahre. Laut Experten ist daran nicht allein die Finanzkrise schuld, wie etwa eine Analyse des US-Forschungsinstituts Pew Research Center erklärt.

Die Babyboomer steuern mit großen Schritten auf die Pension zu, und somit verlassen geburtenstarke Jahrgänge den Arbeitsmarkt. Die Alterung ist für die USA jedoch nicht das große Problem, vor dem viele europäische Länder stehen. Der US-Arbeitsmarkt muss bis zu 100.000 neue Stellen pro Monat schaffen, um die wachsende Erwerbsbevölkerung zu bedienen – also aktuell die Hälfte der tatsächlichen Zuwächse.

Junge Männer geben auf

Bedenklich ist ein anderer Trend: Männer in den besten Jahren – zwischen 25 und 54 – ziehen sich ebenfalls aus dem Erwerbsleben zurück. In fast keinem anderen OECD-Staat ist die Zahl dieser Entmutigten so groß. Lediglich im krisengeschüttelten Italien und in Israel bleiben mehr junge Männer dem Arbeitsmarkt fern. Letzteres ist auf die Gruppe der orthodoxen Juden in Israel zurückzuführen, die aus religösen Gründen keiner Beschäftigung nachgehen.

In den USA haben vor allem Personen mit niedrigem Bildungsstand die Jobsuche aufgegeben, wie eine Studie im Auftrag der US-Regierung aus dem Vorjahr aufzeigt. Die Jungen zurück in den Jobmarkt zu holen wird schwierig, zumal Stellen für Niedrigqualifizierte durch Automatisierung und Produktionsverlagerungen schwinden. US-Präsident Donald Trump ist mit dem Versprechen angetreten, mehr als 25 Millionen Jobs zu schaffen. Die Zahl allein reicht aber nicht aus, um alle Beschäftigungslosen wieder in der Arbeitsmarkt zu integrieren. (Leopold Stefan, 8.7.2017)