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Wie mit den Mittelmeer-Überfahrten umgehen?

Foto: Orietta Scardino/ANSA via AP

Wenn es einem Politiker allein gelungen ist, die Balkanroute zu schließen, warum sollte es uns nicht gemeinsam gelingen, auch die Mittelmeerroute zu schließen?

Ausgangspunkt muss die Erkenntnis sein, dass menschliches Verhalten durch Anreize gesteuert wird. Sind arme Menschen zu faul, so kürzt man ihnen die Mindestsicherung, und sie kommen wieder auf die Beine. Gleiches gilt für Arbeitslose, siehe die Hartz-IV-Reformen. Will man die Leistungsträger motivieren, muss man die Spitzensteuern senken, etc.

Für die Flüchtenden gilt: Man muss ihnen jede Hoffnung nehmen, dass sie über das Mittelmeer ein besseres Leben finden. Dafür wurden schon einige Vorschläge gemacht.

Erstens: Man interniert sie auf Inseln wie Lesbos oder Lampedusa ohne Chance auf ein Weiterkommen. Die EU solle sich daher das "australische Modell" zum Vorbild nehmen. Dazu müssten diese Inseln vorher zu "Niemandsland" werden, denn in der EU gilt das Völkerrecht. Wer wird dann die Geflüchteten füttern, solange sie noch hoffen?

Zweitens: Einstellung des "NGO-Wahnsinns" der Rettung der Flüchtenden. Wenn jene, die in Nordafrika auf ihre Chance warten, erfahren, dass immer weniger Menschen gerettet werden, wird ihr Anreiz zur Flucht geschwächt. Leider ist es aber so, dass Verzweifelten die Hoffnung kaum ausgetrieben werden kann, umso weniger, je verzweifelter sie sind.

Drittens: Die Flüchtenden werden von der Frontex gerettet und nach Libyen, Tunesien oder Ägypten zurückgebracht. Doch diese Länder nehmen sie nicht, und sie in Ufernähe ins Meer zu werfen geht wegen der Hoheitsgewässer nicht (außerdem können die meisten nicht schwimmen).

Wie kann man dann den in Nordafrika Wartenden jede Hoffnung nehmen, dass sie über das Mittelmeer zu einem besseren Leben finden? Einen neuen Weg gibt es, wenn er auch einen kühlen Kopf verlangt.

Abschreckungswirkung

Ausgangspunkt ist folgende Frage: Wann entfalten Ertrunke-ne die größte Abschreckungswirkung? Sterben sie einfach deshalb, weil sie von Rettungsbooten zu spät gefunden wurden, so wird dies die Hoffnung der Verzweifelten, dass sie es schon schaffen werden, kaum mindern. So sind 2016 etwa 5000 Menschen ertrunken, dennoch wird weiter geflüchtet.

Hätte man aber eine viel kleinere Zahl von Flüchtenden dadurch am Eindringen in EU-Hoheitsgebiet gehindert, indem man ihre Schlauchboote versenkt, so wäre die Abschreckungswirkung enorm gewesen. Denn wenn die EU so ihre Entschlossenheit demonstriert, die eigenen Grenzen zu schützen, gibt es keine Hoffnung für die Wartenden – Schlauchboote versenken ist ein Kinderspiel.

Gewiss: Aus moralischen Gründen kann kein Politiker diese effektivste Art, die Mittelmeerroute zu schließen, vorschlagen. Doch die Identitären würden die Aufgabe übernehmen – es geht ja um höhere Werte. Mehr als ein paar Boote und Luftdruckgewehre braucht es nicht, es dürfen nur keine Weicheier dabei sein. Zur Abschreckung müsste man die hässlichen Bilder via Internet verbreiten, doch dann kehrte Ruhe ein im Mittelmeer.

Damit wäre auch den Schleppern ihr schändliches Handwerk gelegt – niemand wird sie bezahlen, um dann versenkt zu werden.

Wenn man weitermacht wie bisher, so werden auch heuer Tausende ertrinken, unter Anreizaspekten "vergeudet" – eine Fehlallokation. Mit der harten Methode würden weniger Menschen ertrinken und mehr von einer Flucht abgehalten, also gerettet werden. Wahrscheinlich reichen schon ein paar Hundert Versenkte, um Tausenden jede Hoffnung zu nehmen und sie so zu retten.

Kommen weiter Flüchtlinge, so werden sie die Feindseligkei- ten innerhalb und zwischen den Völkern Europas wachsen lassen, den Nationalismus stärken und den europäischen Zusammenhalt schwächen. Daher gilt analog zur Bibel: "Es ist besser, ein paar Hundert Menschen gehen unter, als dass die ganze EU zugrunde geht."

Generell sollte die Politik die europäische Tradition des "streitbaren Christentums" beleben, statt sich unterwandern zu lassen, und das auch noch mit päpstlichem Segen. Wenn Franziskus meint, die "Flüchtlinge sind ein Geschenk, das Völker und Kulturen verbindet", und "Barrieren errichten bedeutet Gewalt anwenden", so erweist er sich schon zu Lebzeiten als "jenseitig".

Modernes Christentum ist konkret, "Liebe deinen Nächsten" meint nicht auch den Afrikaner, sondern eben die Nächsten in Familie, Gemeinde, Land – höchstens auch noch den Italiener oder Griechen. Und auch das nur, solange sie ihre Flüchtlinge bei sich behalten. Kommen keine Flüchtlinge mehr über das Mittelmeer, so werden die Feindseligkeiten zwischen Einheimischen und Fremden nicht mehr bei uns, sondern in Nordafrika gedeihen. Früher oder später wird man die Flüchtlinge auch dort loswerden. Am Ende landen sie, wo sie aufgebrochen sind.

Besser geht's nicht

Im Idealfall wird ihr Schicksal andere abhalten, eine Flucht zu versuchen. Dann bleiben alle dort, wo sie wegwollen – besser geht's nicht. Das Nachdenken über die Ursachen von Flucht, etwa über die Politik des Westens im Nahen Osten oder die Produktion des Klimawandels oder die Beschädigung der afrikanischen Landwirtschaft durch EU-Agrarexporte zu Dumpingpreisen, das überlassen wir dem Papst Franziskus und seinen Enzykliken. Eine moderne Politik auf neuen Wegen braucht das nicht. (Stephan Schulmeister, 10.7.2017)