Ob die Biomarke Hautsinn, Sugarfree Savory, Edition Einmalig, Eckhard oder Il Pumo...

Foto: Regina Hendrich

Kleine Manufakturen bieten im Fachl Kreatives abseits der Massenware.

Das junge Konzept geht auf.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Roya Hematyar stellt in Handarbeit biologische Seifen ohne Konservierungsstoffe her. Margit Reisegger fertigt Suppenwürze und Blütenessige. Gregor Theißl kreiert Schmuck aus den Schalen von Wachteleiern. Was die Krankenschwester, die Kräuterpädagogin und den Wachtelzüchter mit tausenden anderen Österreichern verbindet: Sie alle bauen sich mit handwerklichem Geschick neue Standbeine auf. Für eigene Verkaufsstellen sind ihre Kapazitäten jedoch zu klein. Der Vertrieb über Fachhändler scheitert zumeist an Provisionen von bis zu 60 Prozent, über die Geschäfte an den Erlösen mitschneiden. Und für reinen Onlineabsatz fehlt es an Bekanntheit.

Also suchen sie alternative Wege. Einer davon führt über Christian Hammer und Markus Bauer: Die beiden vermieten Obstkistln. Um zehn Euro das Stück pro Woche können sie kleine Produzenten mit ihren individuellen Kreationen bestücken. 90 Prozent des Preises, den sie selbst festlegen, gehören ihnen. Zehn Prozent gehen an Handelspartner, die unter der Marke 's Fachl quer durch Österreich expandierten und in Kürze den Schritt ins Ausland wagen.

Start mit einer Portion Naivität

Knapp zwei Jahre ist es her, dass Hammer und Bauer mit dem Konzept, das sie in Deutschland kennenlernten, loslegten. "Mit einer gehörigen Portion Naivität", erinnert sich Hammer, "wir hatten weder Erfahrungen im Einzelhandel noch mit Geschäftsmieten. Chaos war programmiert, aber wir wollten uns später nicht drüber ärgern, es nicht probiert zu haben."

Das Chaos blieb aus. Hammer klemmte sich hinter die IT, die das Modell stützen sollte. Er hatte sich 2001 im Alter von 20 als IT-Experte selbstständig gemacht und gemeinsam mit Bauer vor elf Jahren sein erstes Unternehmen auf die Beine gestellt, das nun ein wenig finanziellen Spielraum erlaubte.

Demokratie statt Pönalen

Shops wurden gesucht, die ersten Betreiber fanden sich, Marketingstrategien nahmen Form an. Auch an Mietern für die übereinandergestapelten Holzkisten bestand kein Mangel, erzählt Hammer. "'s Fachl hat sich eigentlich vom ersten Tag an gerechnet."

Sieben Standorte gibt es mittlerweile in Österreich, in erster Linie in Landeshauptstädten. Nun will es der Jungunternehmer in Hamburg versuchen. Angebote habe er auch aus Städten wie München, Berlin, Zürich, Bern und Bozen.

Auf klassische Franchiseverträge verzichten Hammer und Bauer. Sie hatten zuvor bei entsprechenden Anwälten um Rat gefragt. "Es war ernüchternd, es ging nur um Pönalen und Befristungen." Sie einigten sich mit ihren sechs Shopbetreibern in Österreich auf größere Freiheiten. Einmal im Jahr gibt es ein Fachlmeistertreffen, in dem demokratisch über geschäftliche Belange abgestimmt wird. "Wir als Headquarter haben eine Stimme."

Über Öffnungszeiten etwa entscheiden die Fachlmeister frei. Jeder erhält zudem die Hoheit über ein Bundesland. Die Verkaufsprovisionen verbleiben bei ihnen – allerdings auch alle Investitionskosten für die Geschäftsausstattung.

Er habe den Shop eigenhändig mit Freunden gebaut, sagt Oliver Pinetz, der mit seinem Fachl gerade vom Wiener Fleischmarkt, wo die Laufkundschaft rarer war, in die Alser Straße übersiedelte. Zuckerfreie Pralinen des jungen Steirers Florian Orthaber wetteifern hier mit süßen Venusbrüstchen von Stranz & Scio und Kürbiskernpesto der Familie Paar. Holzbausätze, Bierkerzen und Bücher tummeln sich neben Puppenküchen, Babysocken, Schmuck und Waldbier. Ist ein Stück verkauft, wird der Mieter umgehend online informiert.

Kein Platz für Billigimporte

"Die Kunden wollen Tipps; umgekehrt fragen auch wir, wie es geschmeckt hat, und geben das Feedback an unsere Mieter zurück", erzählt Pinetz. Er sorgt für Ausgewogenheit im Sortiment. Was kommt ihm nicht ins Kistl? "Einer malte Bilder mit menschlichem Blut. Da haben wir abgelehnt." Tabu ist all jenes, was auch große Handelsketten bieten, asiatische Billigimporte bleiben ebenso draußen.

Tausend kleine Betriebe bemühen sich übers Fachl aktiv um Absatz. 103.000 Artikel wurden bisher verkauft, 800.000 Euro an Mieten erzielt, rechnet Hammer vor, in Graz stehen hundert Mieter auf der Warteliste. "Wir hätten nie gedacht, dass es so groß wird."

Vor allem Kulinarik ziehe Kunden an, die aber auch bereit seien, für kreatives Design in die Tasche zu greifen. Filzprodukte etwa seien in Kärnten und Tirol begehrt, während in Linz Betonschmuck boome. Noch engmaschiger über Österreich legen wollen Hammer und Bauer ihr Filialnetz dennoch nicht. Denn um über die Runden zu kommen, bräuchten ihre Partner Städte mit zumindest 40.000 Einwohnern. Auch in Wien will Pinetz das Fachl nicht multiplizieren. "Es würde an Wert verlieren."

Stattdessen wird an einer Lightversion getüftelt, dem Fachl-Eck: 50 bis 60 Obstkisteln, gefüllt mit Produkten der Region, die in Thermen und Hotels Wände bespielen. Hammer will spätestens bis 2018 auch mobile Fachlstände durchs Land fahren lassen. "Wie es früher Milchmänner und Bäcker taten."

Tag und Nacht Arbeit

Zwei große Handelsketten boten sich ihm zufolge an, mit Fachl zu kooperieren bzw. es gleich ganz zu schlucken. "Aber wir haben selbst noch viele Ideen, wir geben es nicht aus der Hand." Schießen Kopien nicht wie die Schwammerln aus dem Boden? Die meisten geben bald wieder auf, ist der Kistlvermieter überzeugt, ohne vernünftige IT-Lösung sei der Verwaltungsaufwand einfach zu hoch.

Leicht gemacht werde es Gründern hierzulande jedenfalls nicht, resümiert Hammer, der mit seiner Druckerei Echtleinwand auch in der Werbetechnik mitmischt. "Es liegt an der Mentalität der Österreich, warum man den Unternehmer nur sehr ungern raushängen lässt. Die meisten halten dich für einen Millionär. Dabei haben wir anfangs Tag und Nacht gearbeitet, ohne auch nur irgendwas dabei zu verdienen." (Verena Kainrath, 10.7.2017)