Überdosis Kitsch als Form von Ironie: Carl Zellers Operette "Der Vogelhändler" in Mörbisch bei gütigem Wetter.

Mörbisch – So wie sich allen Unwetterwarnungen zum Trotz die Gewitterwolken vor dem Premierenabend in milde Sommerluft auflösten, so hat sich der Sturm um die Mörbischer Intendantennachfolge zumindest an der Oberfläche beruhigt. Wenn nächsten Sommer der Gräfin Mariza in Emmerich Kálmáns gleichnamiger Operette die Aufforderung entgegengeschmettert wird, zu den Rosen von Varazdin zu reisen, wird nicht wie zunächst vorgesehen Gerald Pichowetz, sondern bereits Peter Edelmann der Form nach künstlerisch dafür verantwortlich sein.

Mögen ihm auf seinem Weg weniger Dornen beschieden sein als seinem designierten Vorgänger, der nie zum Nachfolger wurde – ein Umstand, mit dem heuer bei Carl Zellers Vogelhändler ebenso um Lacher gebuhlt wird wie mit dem aktuellen Bundeskanzler und seinem neuschwarz, also türkisblau gefärbten Herausforderer, mit deren Namen sich trefflich flache Scherze treiben lassen.

Operette lebt, abgesehen von Melodienseligkeit und nostalgischer Verklärung, vor allem von ihrer Respektlosigkeit gegenüber der Adelsschicht und anderen Höhergestellten, durch freche, mitunter derbe sprachliche Anspielungen. Ihre Harmoniesucht und Aufmüpfigkeit gleichermaßen zu vermitteln, ist schwer – und gelingt nie allein durch vordergründige Aktualisierung.

So ist die ästhetische Grundsatzentscheidung der Mörbischer Produktion, die durchaus auf der Linie der letzten Jahre liegt, nicht in Bausch und Bogen zu verdammen: Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann bietet mit seiner grellen großen Kuckucksuhr, den grasgrünnen Tannen und herzerlroten Häuschen eine fast schmerzhafte Überdosis Kitsch, der die Ironie bereits von vornherein übergestülpt ist.

Ideenreich aufgepeppt

Ein Bild von einer Sau wird in der Inszenierung von Axel Köhler gleich zu Beginn erschossen, das Intrigenspiel durch rokokoartige Bilderrahmen mit Tableaux vivants ins Groteske geholt, die Choreografie von Mirko Mahr ideenreich aufgepeppt. Dass das Timing in groben Zügen stimmt, die Dialoge nur ab und zu ins Schwerfällige kippen, ist für die Dimensionen der Seebühne nicht wenig.

Dass jedoch allzu viele Pointen zu Rohrkrepierern werden – etwa Derbheiten wie verdinglichende Benennungen der weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale oder Verwendung des Plurals von "Vogel" als Verb -, resultiert in doch recht wenigen Lachern inmitten dieser Belustigung.

Alles, was über die akustische Seite gesagt werden kann, muss angesichts der nicht idealen, pannenanfälligen Tonanlage relativiert werden – und sei es dahingehend, dass Paul Schweinester (Adam) bei seinem Auftrittslied trotz Ausfalls seines Mikros zumindest bis zur Mitte der Tribüne noch zu hören war und anschließend durch Schmelz und Schmachten punkten konnte.

Gesungen und gespielt wurde erwartungsgemäß, also: gut und ansonsten gemischt, ausladend und höhensicher von Cornelia Zink (Kurfürstin Marie), jugendfrisch und inniglich von Sieglinde Feldhofer (Christl), als grelle Tenorkarikatur mit soliden stimmlichen Qualitäten von Philipp Kapeller (Stanislaus), charakteradäquat humoristisch von Horst Lamnek (Weps) sowie Wolfgang Dosch und Gerhard Ernst als Professorenverarschpartie.

So gut gelaunt Nochintendantin Dagmar Schellenberger zu Beginn Prominenz und Publikum begrüßt hatte, so routiniert gab sie im Stück die Adelaide. Gediegene Routine verströmte auch das Festivalorchester, an dessen Pult Gerrit Prießnitz sogar gschmackigen altösterreichischen Charme – freilich in hoher Dosis – suggerierte. Ach ja: Und das obligate Feuerwerk war wieder laut, prächtig und ging ganz ohne Rohrkrepierer über die Bühne. (Daniel Ender, 10.7.2017)