"Getäuscht worden zu sein ist in der Politik keine Ausrede." Mit diesem nach dem bizarren G20-Treffen in Hamburg besonders aktuellen Zitat des polnischen Philosophen Leszek Kolakowski leitet der US-Historiker Timothy Snyder seine lesenswerte Streitschrift (Über Tyrannei, München 2017) gegen die von Donald Trump verkörperte Tendenz zum Nationalpopulismus und autoritären Führungsanspruch ein. Mit jedem Auftritt auf der Weltbühne und mit jeder verworrenen Twitter-Botschaft bestätigt Trump die Warnung Snyders, dass er als US-Präsident ein Desaster sei.

Nach der Überprüfung seiner Äußerungen während des Wahlkampfes im Jahr 2016 wurde festgestellt, dass 78 Prozent seiner Tatsachenbehauptungen falsch waren. Es vergeht auch nach einem halben Jahr im Amt kaum ein Tag ohne kompromittierende Enthüllungen über Geheimkontakte seiner engsten Mitarbeiter und seiner Familie mit der russischen Seite, die zuerst bestritten, dann halb bestätigt und stets vernebelt werden.

Trump, dessen Wahlsieg in der russischen Duma seinerzeit mit Champagner gefeiert wurde, war von der Begegnung mit dem von ihm bewunderten Putin begeistert. Es sei ein "fantastisches Treffen" gewesen. Man müsse sich jetzt "nach vorn bewegen" und "konstruktiv" mit Russland zusammenarbeiten, twitterte Trump nach dem mehr als zwei Stunden dauernden Gespräch mit dem russischen Präsidenten nur in Anwesenheit der beiden Außenminister. Früher weckten russisch-amerikanische Gipfeltreffen Hoffnungen auf konkrete Abmachungen (Reagan-Gorbatschow oder Jelzin-Clinton).

Nun wurde außer dem bereits vor dem Treffen ausgehandelten begrenzten Waffenstillstand in Südsyrien nichts Konkretes bekannt. Während die russischen Medien einen psychologischen "Durchbruch" feiern, herrscht auf amerikanischer Seite berechtigte Sorge, dass sich Trump hinter verschlossenen Türen über den Tisch ziehen ließ. Diesen Eindruck hat auch die russische und von Trump nicht dementierte Darstellung bestätigt, wonach der US-Präsident im Gespräch mit Putin dessen Darstellung akzeptiert habe, dass Russland sich nicht in den US-Präsidentenwahlkampf eingemischt habe.

Darüber hinaus sind sogar die Aussagen Trumps und seines eigenen Außenministers widersprüchlich, ob die beiden Präsidenten überhaupt die US-Sanktionen gegen Moskau wegen des Ukraine-Konflikts diskutiert haben. Erst recht hat Trumps später wieder abgeschwächte Aussage über die Schaffung einer gemeinsamen russisch-amerikanischen Arbeitsgruppe zum Thema Cybersicherheit in Washington selbst bei republikanischen Senatoren Spott und Empörung ausgelöst. Das sei so, "als ob Polizisten und Bankräuber übereinkommen, eine Arbeitsgruppe über Bankraub zu bilden", mokierte sich der führende Senator der Demokraten, Chuck Schumer.

Es geht nach dem Hamburger Treffen nicht nur um die bedenkliche Abseitsstellung der USA beim Klimaschutz und in der Handelspolitik. Noch gefährlicher ist das führungspolitische Vakuum des freien Westens in einer Welt aus den Fugen. Putins Kalkül geht auf, Trumps Unberechenbarkeit ist ein Sicherheitsrisiko nicht nur für die USA. (Paul Lendvai, 10.7.2017)