Dem Beschluss zu einer Einigung in der OSZE gingen schwierige Verhandlungen voraus.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Außenminister Sebastian Kurz unterhielt sich auch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow.

Foto: APA / APA / Vladimir Simicek

Mauerbach/Wien – Der österreichische OSZE-Vorsitz hat einen Durchbruch erreicht. Bei einem Ministertreffen in Mauerbach im Wienerwald gab es eine politische Einigung im Personalpaket, verlautete aus Diplomatenkreisen am Dienstag. Vier Topposten waren bis dato unbesetzt. Der formelle Beschluss soll am Mittwoch erfolgen.

Neuer OSZE-Generalsekretär soll der Schweizer Thomas Greminger werden. Neuer Minderheitenkommissar wird der Ende Juni aus dem Amt geschiedene OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier. Die isländische Ex-Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir soll Chefin des Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte werden, der französische Ex-Minister Harlem Désir neuer Beauftragter für Medienfreiheit.

In Mauerbach im Bezirk St. Pölten treffen knapp 30 Außenminister der OSZE zusammen. Die Diplomaten konnten sich über die Besetzung von Spitzenjobs einigen.

"Erst beschlossen, wenn es beschlossen ist"

Außenminister und OSZE-Vorsitzender Sebastian Kurz zeigte sich nach der Einigung am Dienstag zuversichtlich. "Sie kennen die OSZE: Es ist erst beschlossen, wenn es beschlossen ist", sagte er in Mauerbach. Er hoffe aber, "dass alle zu ihrem Wort stehen". Er sei "sehr optimistisch, dass wir hier eine Lösung zustande bringen". Der österreichische OSZE-Vorsitz hatte zuvor einen Vorschlag für die vakanten vier Posten präsentiert, auf den sich die anwesenden Vertreter der 57 OSZE-Staaten "heute politisch verständigen" konnten.

Der ukrainische OSZE-Botschafter Ihor Prokoptschuk sagte im Anschluss an die überraschende politische Einigung, der Durchbruch sei vom russischen Außenminister Sergej Lawrow ermöglicht worden, der seine Opposition aufgab. "Ein Signal von einem Mann hat alles klargemacht", sagte Prokoptschuk. "Wenn es einen Konsens geben wird, werden wir ihn nicht blockieren", habe der russische Außenminister gesagt. Prokoptschuk bezeichnete die Einigung als "sehr bedeutenden Erfolg" des österreichischen OSZE-Vorsitzes. "Es war das erste Mal, dass alle vier Posten gleichzeitig besetzt werden mussten."

Kurz hatte die Mitgliedsstaaten vor Beginn des Treffens zur Überwindung ihrer tiefen Differenzen aufgerufen. In seiner Eröffnungsrede beklagte er laut Redetext eine "Vertrauenskrise" sowie "Misstrauen", das "die OSZE in ihrer Arbeitsfähigkeit sehr einschränkt".

Es geht beim OSZE-Außenministertreffen im niederösterreichischen Mauerbach um den Kampf einer neuen Weltordnung, wobei die 57 Mitgliedsstaaten zu Einstimmigkeit "verdammt" sind, berichtet ORF-Reporterin Claudia Lind.
ORF

Das Treffen markiert die Halbzeit des österreichischen OSZE-Vorsitzes 2017. Die Außenminister kommen traditionell nur einmal jährlich zum Abschluss der jeweiligen Präsidentschaft zusammen. Vergangenes Jahr hat der deutsche Vorsitz erstmals ein zusätzliches Treffen organisiert – in Potsdam, unweit der Hauptstadt Berlin. Auch der Tagungsort im Wienerwald soll nun für eine informelle Gesprächsatmosphäre sorgen, wie das Außenministerium dem STANDARD bestätigte.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte ihre Teilnahme in Mauerbach dennoch kurzfristig abgesagt. Mogherini, die ihren Aufenthalt eigentlich zu einem Gespräch mit dem russischen Außenminister Lawrow nutzen wollte, sei "kurzfristig erkrankt", hieß es.

Mehrere Minister blieben fern

Insgesamt waren 29 Außenminister nach Mauerbach gekommen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums – auch der italienische Außenminister Angelino Alfano, dessen Land kommendes Jahr den OSZE-Vorsitz übernimmt. Der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák erklärte auf Twitter: "Wir brauchen eine starke und handlungsfähige OSZE", also "mehr Dialog, weniger Konfrontation, mehr Vertrauen, weniger Negativismus". Die Slowakei wird 2019 den Vorsitz übernehmen.

Der Schweizer Außenminister Didier Burkhalter warnte Europa vor einer Lähmung und Spaltung wegen schwelender Konflikte wie in der Ostukraine. Die Schweiz appelliere deswegen an alle Staaten, den Willen zum Kompromiss hochzuhalten. Die Lösung der Ukraine-Krise müsse zuoberst auf der OSZE-Agenda bleiben.

Kern dementiert Einflussnahme auf Gabriel

Für Verwunderung sorgte, dass Deutschland nicht einmal mit einem Staatssekretär in Mauerbach vertreten war. Anstelle von Außenminister Sigmar Gabriel war der Berliner OSZE-Beauftragte Gernot Erler gekommen.

Das führte zu Spekulationen über die Gründe für die Nichtteilnahme des Parteifreundes von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ). Gabriels Verhältnis zu Kurz gilt als gespannt. Gerüchte, wonach Kern den deutschen Außenminister von der Teilnahme am OSZE-Treffen abgehalten habe, wurden im Bundeskanzleramt als "durchsichtiges Manöver" und "Flucht nach vorne" bezeichnet. Gabriel nehme seine Aufgabe als deutscher Außenminister ernst, was seine jüngste spontane Reise nach Katar gezeigt habe. Dafür würde er sicher nicht auf die Teilnahme an einem internationalen Treffen verzichten, "nur um einen kleinen Punkt zu scoren". Aus Diplomatenkreisen verlautete gegenüber der APA, dass Gabriel nie zugesagt habe.

Auch der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin sagte seine Teilnahme kurzfristig ab. Grund dürften Verpflichtungen Klimkins in Kiew sein, das in den vergangenen Tagen von US-Außenminister Rex Tillerson, UN-Generalsekretär Antonio Guterres und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg besucht wurde.

Vakuum an der Spitze

Konkret sollte in Mauerbach über die "Konflikte im OSZE-Raum" gesprochen werden, aber auch über Migration, Terrorismus, Radikalisierung, Rechtsstaat und Demokratie.

Kurz strich in seiner Rede vor allem den thematischen Schwerpunkt des österreichischen OSZE-Vorsitzes, den Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus, hervor. "Es gibt Strömungen, die Angst und Unruhe schaffen wollen und damit das Zusammenleben in unseren Ländern zerstören wollen", sagte Kurz. Weil vor dieser Bedrohung "keines unserer Länder sicher" sei, müssten auch "alle teilnehmenden Staaten an einem Strang ziehen". Dabei gehe es um islamistische Radikalisierung, um terroristische Organisationen "wie etwa die PKK", aber auch um Rechtsextremismus. "Unser Ziel muss sein, die Radikalisierungsnetzwerke im OSZE-Raum auszuschalten", forderte Kurz.

Überschattet wird das Treffen vom Krieg in der Ostukraine, wo die OSZE-Beobachter in den vergangenen Monaten von einer Zunahme der Kämpfe berichtet haben. Außerdem litt die OSZE zuletzt unter einer institutionellen Krise: Die Posten des Generalsekretärs und dreier weiterer Spitzenfunktionäre waren unbesetzt, was auf interne Blockaden hindeutete. (red, schub, 11.7.2017)