Ein Windrad wie dieses kann dazu beitragen, dass fossile Brennstoffe zurückgedrängt werden.

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Wien – Eine Gelegenheit, Leitplanken für das künftig erwünschte Energiesystem in Österreich zu installieren, ist schon verpasst worden. Die integrierte Energie- und Klimastrategie der Bundesregierung, die noch vor dem Sommer hätte beschlossen werden sollen, wurde wegen der vorgezogenen Neuwahlen in die nächste Legislaturperiode verschoben.

Dabei ist der Zeitdruck enorm. Wenn Österreich seine im Dezember 2015 bei der Weltklimakonferenz in Paris eingegangenen Verpflichtungen erfüllen und dazu beitragen will, die klimaschädlichen CO2-Emissionen zurückzudrängen, müssten rasch Maßnahmen gesetzt werden, sagen Experten vom Umweltbundesamt abwärts.

Je länger so weitergemacht werde wie bisher, desto einschneidender müssten die das Kohlendioxid senkenden Vorkehrungen ausfallen. Im Wesentlichen geht es um das Zurückdrängen fossiler Energien wie Öl, Gas und Kohle, um thermische Sanierung und ein anderes, umweltverträglicheres Mobilitätsverhalten. So gut wie alle Szenarien gehen davon aus, dass Strom künftig eine wesentlich größere Rolle spielen wird als bisher.

Studie der TU Wien

Kann in Österreich überhaupt so viel Strom auf umweltfreundliche Weise erzeugt werden? Laut einer Studie der Technischen Universität (TU) Wien im Auftrag diverser Interessenverbände erneuerbarer Energie ist das möglich – nicht irgendwann, sondern schon 2030. "Laut unseren Berechnungen müssten rund 31 Terawattstunden (TWh) zusätzliche Erzeugungskapazitäten dazukommen, um den Strombedarf 2030 bilanziell komplett aus Erneuerbaren zu decken", sagte Gustav Resch von der Energy Economics Group der TU Wien bei der Studienpräsentation am Montag. "Das ist technisch möglich und bringt ökonomische Vorteile." Und: Die Umstellung des Energiesystems verursache kaum Mehrkosten.

Investment rechnet sich

Im Mittel der kommenden Dekade liegen die erforderlichen Unterstützungsvolumina Resch zufolge bei rund 511 Millionen Euro pro Jahr; davon würden etwa 209 Millionen auf Bestandsanlagen entfallen, die bis 2020 errichtet werden, und 302 Millionen auf die ab 2020 geplanten. Zum Vergleich: Der Förderbedarf für 2015 lag bei rund 620 Millionen Euro.

Auch volkswirtschaftlich würde sich das Investment, das von einem zügigen Netz- und Speicherausbau begleitet sein müsse, jedenfalls rechnen. So sei im Zeitraum 2021 bis 2030 mit einer jährlichen Bruttobeschäftigung von bis zu 53.000 Jobvollzeitäquivalenten durch zusätzliche Wind-, Solar- und Biomasseanlagen zu rechnen. Zudem würde weniger Geld ins Ausland abfließen, sei es für fossile Energien, sei es für Stromimporte. Gerade diese sind zuletzt sprunghaft gestiegen.

Netzausbau ist zentral

Über den Strommix gelangt de facto auch Strom aus deutschen Kohle- und tschechischen Atomkraftwerken nach Österreich. Die meisten Händler umgehen dieses Dilemma durch den Kauf frei handelbarer Grünstromzertifikate.

Sollten alle geplanten Stromnetzerweiterungen realisiert werden, sei die Versorgungssicherheit in Österreich zu 100 Prozent gegeben, sagte Resch. Andernfalls schaue es düsterer aus. Durch die Integration in das europäische Verbundnetz könnten zudem positive wie negative Preisspitzen abgefedert werden.

"Grundvoraussetzung für die Energiewende ist ein möglichst schneller Netzausbau", ist die für das Hochspannungsnetz verantwortliche Austrian Power Grid (APG) mit den Studienautoren einer Meinung. (Günther Strobl, 11.7.2017)