3.560 Ärzte, 980 Krankenhäuser und Institutionen, 90 Millionen Euro: Das sind die Eckdaten einer neuen Datenbank mit Zahlungen der Pharmaindustrie an Mediziner und medizinische Organisationen in Österreich, die der STANDARD, der ORF und die deutsche Rechercheplattform Correctiv gemeinsam recherchiert und online veröffentlicht haben. In ihr ist es erstmals möglich, Pharmazahlungen aller veröffentlichenden Unternehmen zu durchsuchen und herauszufinden, ob der eigene Hausarzt oder das behandelnde Krankenhaus Geld erhalten hat.

Die Auswertung zeigt, dass der Anteil der Zahlungen, der transparent nachvollziehbar ist, bei Ärzten und Angehörigen der Fachkreise (Apotheker, Zahnärzte et cetera) bei 19 von 100 ausgezahlten Euro stagniert und bei Organisationen von 57 auf 62 von 100 ausgezahlten Euro gestiegen ist.

Inwieweit Honorare von Pharmafirmen das Verhalten von Ärzten und Ärztinnen beeinflussen, ist umstritten. Die Betroffenen selbst weisen eine Einflussnahme stets von sich. Eine deutsche Studie kam allerdings zu dem Schluss, dass Ärzte, die mehr Pharmareferenten empfangen, mehr Medikamente verschreiben.

21 Millionen Euro an Mediziner

Eine neue Detailanalyse macht deutlich, welche Pharmaunternehmen die Initiative "Transparenz schafft Vertrauen" des Verbands der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) und der Österreichischen Ärztekammer ernst nehmen – und welche weniger. Im Vorjahr hat die Pharmabranche in Österreich 21 Millionen Euro an Mediziner gezahlt.

Das höchste transparente Einzelhonorar hat mit rund 28.000 Euro Thomas Grünberger erhalten. Er ist Abteilungsvorstand an der Rudolfstiftung in Wien. Auf Anfrage schreibt er: "Ich bin aufgrund meiner Expertise auf dem Gebiet des fortgeschrittenen Dickdarmkrebses an vielen ausländischen Zentren als Sprecher gefragt." Er sei "der Pharmaindustrie dankbar, dass sie diese Wissensverbreiterung unterstützt". Die Honorare verwende er für Studien, Meetings mit internationalen Sprechern sowie zur Unterstützung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Ungleiche Verteilung der Beträge

Allerdings ist fraglich, ob Grünberger tatsächlich das höchste Einzelhonorar erhalten hat, da 81 Prozent der ausgezahlten Summe als anonymisierter Gesamtbetrag veröffentlicht wurden. Hier ist nur bekannt, an wie viele Personen Geld ausbezahlt wurde, aber nicht die Höhe oder Empfänger der einzelnen Zahlungen.

Die offengelegten Beträge sind äußerst ungleich verteilt. Die Hälfte der Ärzte erhielt weniger als 500 Euro. An zehn Prozent der Personen gingen Beträge über 2.000 Euro.

Med-Uni Wien ist Spitzenreiter

Bei den Organisationen hat die Medizinische Universität Wien den höchsten Betrag erhalten. Sie hat auch abseits der gemeinsam mit der Industrie durchgeführten Forschungsprojekte knapp 1,8 Millionen Euro bekommen. Die Universität betreibe sehr aktives Fundraising, sagt Rektor Markus Müller – und da bemühe man sich auch um Geld von Pharmafirmen: "Wir haben mit der Firma Merck eine Kooperation gestartet, wo wir einen Hörsaal auch PR-mäßig gebrandet haben." Für das "Emanuel-Merck-Auditorium" bekommt die Universität 16.000 Euro jährlich.

Zahlungen der Big Spender sind intransparent

Unter den zehn Pharmaunternehmen, die die höchsten Zahlungen an Privatpersonen leisteten, erreichen nur zwei einen Offenlegungsanteil von mehr als 25 Prozent.

Manche Firmen zeigen allerdings, dass ein höheres Maß an Transparenz möglich wäre: Vertex (Ausgaben an Mediziner: 27.000 Euro) und Glaxo Smith Kline (Ausgaben an Mediziner: 52.000 Euro) haben eine (fast) vollständige Offenlegung der Zahlungen an private Empfänger erreicht. Am anderen Ende der Transparenzskala liegen zwölf Unternehmen, die keinen einzigen Empfänger individuell benennen. Drei von ihnen (Ferring, GE und Actelion) überwiesen mehr als 100.000 Euro an Ärzte.

Keine Einwilligung, kein Vertrag

Wie kommt es zu diesen Unterschieden? Glaxo Smith Kline schließt beispielsweise nur Verträge mit Ärzten ab, die einer namentlichen Nennung zustimmen. Einer gesetzlichen Verpflichtung zur Offenlegung, wie sie in den USA mit dem "Sunshine Act" vorliegt, steht das Unternehmen positiv gegenüber: "Dann wäre die Diskussion beendet", sagt Sprecherin Barbara Masser-Mayerl. Derzeit gebe es immer wieder Ärzte, die vor einer Zusammenarbeit mit Glaxo Smith Kline zurückschrecken, wenn sie von der Pflicht zur namentlichen Offenlegung erfahren.

Gesetzesdiskussion möglich

Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber will weiter auf Selbstregulierung vertrauen – vorerst. "Wenn wir in fünf Jahren keinen individuellen Offenlegungsanteil von 50 Prozent erreichen, dann müssen wir uns auch dem Thema einer gesetzlichen Regelung stellen." Falls das nicht passieren sollte, möchte auch das Gesundheitsministerium eine Lösung auf EU-Ebene diskutieren. "Immerhin", so Sektionschef Gerhard Aigner, "gibt es den Grundsatz zur Offenlegung potenzieller Interessenkonflikte aus gutem Grund." (Gerald Gartner, Markus Hametner, 12.7.2017)