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IS-Kämpfer im Sommer 2014 in Raqqa: Von der größten territorialen Ausbreitung des IS ist besonders im Irak nur wenig geblieben.

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Damaskus/Genf/Wien – Der hohe saudi-arabische Offizielle – der allerdings nicht genannt werden will – sucht nicht lange nach diplomatischen Worten: Für Syrien sehe er keinerlei Lösung am Horizont, da gebe es nichts, und vor allem keine Mittel für den Wiederaufbau. Das Zählwerk für die Syrien-Diplomatie-Runden läuft dennoch weiter: In Genf, wo seit Montag wieder verhandelt wird, hält man, wenn man alle Treffen durchzählt, bei Nummer sieben. Das letzte war im Mai. Und in Astana ging vor ein paar Tagen der fünfte Durchgang zu Ende.

Typisch für die Syrien-Diplomatie ist ihre Fraktionierung: Astana ist eine völlig unabhängige Schiene außerhalb des von der Uno geführten Genf-Formats. Und die Gespräche in Amman, die vorige Woche zur US-russisch-jordanischen Vereinbarung über die Einrichtung einer Waffenstillstandszone im Südwesten Syriens führten, haben weder mit Genf noch mit Astana etwas zu tun. Das heißt, auch jeder eventuelle Fortschritt ist isoliert zu betrachten: Er kann, aber muss nicht, nationale – so es dieses Wort im syrischen Zusammenhang überhaupt noch gibt – Auswirkungen haben.

Staffan de Mistura, Uno-Sondergesandter für Syrien, der im Juli in diesem Job sein Drei-Jahr-Jubiläum begeht, versucht den Primat der internationalen Gemeinschaft zu erhalten, wenn es um eine politische Neuordnung – beziehungsweise Interimsordnung – Syriens geht. In Genf wird von Opposition und Regime, wenngleich bisher indirekt, über vier Themenbereiche ("baskets", Körbe) diskutiert: eine neue Verfassung, die Regierungsform, Wahlen und – sonst wäre das syrische Regime nicht gekommen – die Bekämpfung des Terrorismus.

Aber alles bleibt immer wieder bei der Frage hängen, was aus der Person von Präsident Bashar al-Assad wird. Seit der "Islamische Staat" (IS) 2014 zur größten Gefahr in der Region geworden ist, ist in der internationalen Gemeinschaft das Interesse, Assad so schnell wie möglich loszuwerden, geschwunden. Aber mit ihm geht es eben auch nicht.

USA halten sich heraus

In Astana, wo zum ersten Mal zu Jahresbeginn getagt wurde, wird hingegen über konkrete Entscheidungen am Boden auch ohne politische Lösung diskutiert: Man könnte vereinfacht sagen, dass in Genf die Friedens- und in Astana Waffenstillstandsgespräche stattfinden. Astana ist jedoch ausschließlich ein russisch-türkisch-iranisches Format; die Amerikaner halten sich, obwohl sie nun mit einem Unterstaatssekretär vertreten sind, völlig heraus. An Astana ist auch der schwindende saudische Einfluss abzulesen (den auch das Statement des eingangs zitierten Diplomaten reflektiert): Ihr Mann in Astana, Islamische-Armee-Chef Mohammed Alloush, war bei der jüngsten Runde Anfang Juli nicht mehr dabei.

Einschub: Saudi-Arabiens Rolle ist auch deshalb noch schwieriger geworden, weil es ja mit der Türkei – die ganz wie Riad gegen das Assad-Regime und für die Rebellen ist – im Rahmen der Katar-Krise aneinandergeraten ist. Die katarisch-türkische Zusammenarbeit macht eine saudisch-türkische zurzeit unmöglich.

Astana ist der Entwicklungsort der russischen Idee der vier "Deeskalationszonen" in Syrien. Man hoffte, die letzten Details bei der jüngsten Runde festzuzurren. Das scheiterte an der Türkei, die folgende Position der Rebellen vertritt: Die Iraner und ihre Stellvertreter (libanesische Hisbollah und andere schiitische Milizen) dürfen keine Überwachungsaufgaben der Zonen übernehmen, weil sie als Teil der Regimetruppen wahrgenommen werden.

Zwei der vier Zonen sind dennoch schon in der Umsetzung: im von Rebellen gehaltenen Idlib und, neu, im Südwesten (Qunaitra, Deraa, Suweida). Letztere allerdings, wie schon gesagt, gemäß einem separaten Deal zwischen Russland, USA, Jordanien und bis zu einem gewissen Grad Israel.

Die restlichen Zonen betreffen ein Gebiet im Norden der Provinz Homs und die östliche Ghouta bei Damaskus, wo die Islamische Armee die Kontrolle hat.

Die Zonen sollen den Konflikt zwischen Rebellen und Regime einfrieren – und dadurch die Ressourcen auf den Kampf gegen den IS und den Al-Kaida-Ausläufer Nusra-Front lenken. Aber je schwächer der IS wird, desto dringlicher wird es für die externen Spieler, die ihre Stellvertreter im Feld haben, sich direkt einzubringen. Das macht es politisch wieder komplizierter. Völlig ungelöst ist das Spannungsfeld Türkei vs. von den USA gestützte syrische Kurden (PYD/YPG) im Norden. Nach der Befreiung des Ostens (Deir ez-Zor) vom IS wird dieser ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. (Gudrun Harrer, 11.7.2017)