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Trumps Politik hat mehr Auswirkungen als nur Symbolik, sagt Experte Philip Martin. Die Zahl aufgegriffener Migranten steigt.

Foto: Reuters / Lucy Nicholson

STANDARD: Viele sehen die Wahl Donald Trumps als eine Art internationale Trendwende für die Migration. Will Trump Signale senden?

Martin: Ich weiß nicht, ob Trump Signale aussenden will. Frühere Präsidenten haben das oft so gesehen, wenn es etwa um Menschenrechte oder freien Handel geht. Ich glaube nicht, dass Trump diese Art von Sorgen teilt, auch nicht bei der Migration. Er wird tun, wovon auch immer er meint, dass es im Interesse der USA sei.

STANDARD: Lagen die USA mit der Wahl eines Präsidenten, der Migration feindlich gegenübersteht, hinter dem Trend vieler EU-Staaten?

Martin: Er ist ja auch in den USA nicht der Erste, der mit Antieinwanderungspolitik Erfolg hat. Gouverneure, Senatoren, einige Abgeordnete wurden mit derartigen Botschaften gewählt. Trump ist aber der erste Präsident. Es ist nicht alles nur schwarz und weiß, aber es ist natürlich eine große Änderung. Allerdings bin ich mir auch nicht ganz sicher, welchen Stellenwert die Tatsache, dass er so offen gegen Immigration aufgetreten ist, unter Trumps Botschaften wirklich hatte – etwa im Vergleich zu seiner Ablehnung von freiem Handel oder der Gegnerschaft zu Hillary Clinton.

STANDARD: Einiges, was seit der Wahl passiert ist, scheint eher symbolisch. Gibt es messbare Effekte?

Martin: Es werden jetzt durchaus mehr Menschen von den Behörden entdeckt, und mehr befinden sich im Prozess der Abschiebung. Und es gibt natürlich den Reisebann für Bürger von sechs Staaten. Aber der Großteil dessen, was er getan hat, war in die Zukunft gerichtet. Seine Dekrete sollten eine Marschrichtung vorgeben.

STANDARD: Auch in Österreich betonen Politiker, es brauche unschöne Bilder, um Migranten abzuschrecken. Welchen Effekt hat Symbolik?

Martin: Politiker senden sicher Signale. Die Zahl der Mittelamerikaner in den USA ist gestiegen, als sie wussten, dass sie dort Papiere bekommen, in die Schule gehen dürfen und arbeiten können. Und ich glaube, dass Trump nun den gegenteiligen Effekt hat. Es ist aber sehr schwer, Politik-Statements in Zahlen zu fassen – und viele Effekte halten nicht lange an.

STANDARD: Wenn die Trump-Regierung mit ihren Abschiebungsplänen tatsächlich vorankommt – würden denn die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für US-Amerikaner wieder steigen?

Martin: Zunächst muss man sagen, dass Trump die Jobs der undokumentierten Migranten seinen Wählern nicht versprochen hat – er hat ihnen "gute Jobs" versprochen, und die meisten dieser Jobs sind alles andere als gut. Meine Vermutung ist: Wenn die Zahl dieser Menschen sinkt, werden wir eine Kombination aus Automatisierung und aus gesteigertem Handel sehen, um sie zu ersetzen.

STANDARD: Sowohl in Europa als auch in den USA wird Einwanderung immer mehr zu einem polarisierenden Thema – auch dort, wo die Zahlen nicht steigen. Warum?

Martin: Das ist schwer zu sagen. Wenn ich einen Schluss für die USA ziehen müsste, würde ich sagen: Amerika ist eine Einwanderernation. Die Idee ist, dass die Leute kommen und sich selbst und uns helfen. Wir wollen, dass sie Erfolg haben. Wir wollen Einwanderer, die Google gründen. Ich glaube, dass der Eindruck entstanden ist, die Einwanderung sei von einem allgemeinen Interesse zu einem individuellen geworden.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Martin: Ein dummes Beispiel: Wenn Sie Disney World besuchen, können Sie Ihr Essen dort im deutschen Restaurant von Deutschen und im marokkanischen Restaurant von Marokkanern bekommen. Die haben eine spezielle Art Visum. Das heißt natürlich nicht "Disney-Visum" – aber es ist eines, das von genau einer Firma an einem Ort genutzt wird. Wenn Leute das lesen, haben sie den Eindruck, es geht nicht um Immigration im Allgemeininteresse. (Manuel Escher, 12.7.2017)