Caracas – Die regierungskritische venezolanische Generalstaatsanwältin Luisa Ortega muss womöglich noch tagelang mit ihrer Absetzung rechnen. Der Oberste Gerichtshof hätte eigentlich bis Mittwoch entscheiden müssen, ob Ortega der Prozess gemacht wird. Die Richter ließen die Frist aber verstreichen.

Ortega bekräftigte in einem Radiointerview, sie habe "keine Straftaten begangen". Die gegen sie ermittelnden Richter seien "nicht legitimiert". "Das Äußerste, was sie tun können, ist mich zu töten", sagte Ortega. "Ich habe keine Angst."

Ortega ist eine wichtige Gegenspielerin von Staatschef Nicolas Maduro und gilt als einzige kritische Stimme im Lager des umstrittenen Präsidenten. Der Oberste Gerichtshof Venezuelas hatte im Juni ein Verfahren gegen die 59-jährige Juristin eingeleitet, das zu ihrer Absetzung führen könnte.

"Politische Situation" berücksichtigen

Mit der Entscheidung könnten sich die Richter nun aber noch Zeit lassen, wie der Anwalt Jesus Ollarves sagte. Bei derartigen Fällen sehe das Gesetz eine Frist von bis zu 30 Tagen vor. Möglicherweise wollten die Richter bei einer Entscheidung auch die "politische Situation" in Venezuela berücksichtigen.

In Venezuela gehen die Regierungsgegner seit gut drei Monaten nahezu täglich für eine Amtsenthebung Maduros auf die Straße. Sie machen ihn für die schwere Wirtschaftskrise und die Versorgungsengpässe im Land verantwortlich. Bei den Demonstrationen gibt es immer wieder Zusammenstöße mit der Polizei, bei denen mittlerweile 94 Menschen getötet wurden.

"Staatsterrorismus" der Armee

Die Absetzung Ortegas könnte zu einer weiteren Eskalation der politischen Krise in Venezuela führen. Die Opposition hat für den kommenden Sonntag zu einer Volksabstimmung gegen die von Maduro geplante Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung aufgerufen.

Ortega war lange eine überzeugte Anhängerin der linksgerichteten Regierung in Venezuela, doch überwarf sie sich mit Maduro und ging in den vergangenen Monaten zunehmend auf Konfrontationskurs zum Präsidenten. Im März hatte sie die zeitweilige Entmachtung des von der Opposition dominierten Parlaments durch das Oberste Gericht als Verfassungsbruch kritisiert. Zuletzt warf sie der Regierung vor, mithilfe des Obersten Gerichtshofs und der Armee "Staatsterrorismus" zu betreiben.

In der vergangenen Woche hatte das Verfassungsgericht der Juristin bereits die Ausreise untersagt und ihre Konten eingefroren. Am Dienstag kündigte Ortega an, sie werde "auf jeden Fall im Amt bleiben". (APA, 13.7.2017)