In Norwegen gibt es derzeit 55 Tageszeitungen, in Österreich 15.

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Knut Olav Åmås leitet die gemeinnützige Fritt-Ord-Stiftung.

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Presseförderung in Österreich: Tageszeitungen 2017.

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Oslo/Wien – Norwegen liegt nicht nur im aktuellen Weltglücksbericht und den globalen Lebensqualität-Rankings des Weltwirtschaftsforums und zuletzt von Boston Consulting an der Spitze. Die Nachfahren der Wikinger stehen auch beim aktuellen Pressefreiheitsindex, der anhand der Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien, der Transparenz, Selbstzensur und der Sicherheit von Journalisten ermittelt wird, unter 180 Nationen ganz oben auf dem Treppchen. (Zum Vergleich: Österreich liegt auf Platz elf.)

Aber wie kommt es, dass dieses skandinavische Land ein so vorbildliches Mediensystem hat – mit derzeit 55 Tageszeitungen bei 5,3 Millionen Einwohnern und 156 zumindest wöchentlich erscheinenden Zeitungen? Einer, der darüber besonders gut Bescheid weiß, aber Norwegens Top-Positionen geflissentlich unerwähnt lässt, ist Knut Olav Åmås, ehemaliger Kulturchef von "Aftenposten", der größten Zeitung des Landes, und für einige Monate auch Staatssekretär für Kultur, Medien und Religion der regierenden Konservativen unter Erna Solberg.

Elf Millionen Euro für Projekte

Seit kurzem ist der studierte Philosoph und Medienwissenschafter zwar kein Politiker mehr, aber dennoch Medienförderer: Der 49-Jährige leitet die private gemeinnützige Fritt-Ord-Stiftung, die jährlich rund 1.200 Kultur-, Kunst- und Medienprojekte (bei rund 3.600 Einreichungen) mit rund 100 Millionen norwegischen Kronen unterstützt, umgerechnet knapp elf Millionen Euro. Zudem hat er im März ein 200-seitiges Weißbuch zur Ausweitung der ohnehin schon vorbildlichen staatlichen Medienförderung seines Landes vorgelegt.

Die Fritt-Ord-Stiftung, der Åmås vorsteht, ist freilich nur eine Ergänzung zu den ohnehin hohen staatlichen Kunst- und Kulturausgaben, die sich in den letzten zehn Jahren entgegen allen internationalen Trends noch verdoppelt haben. "Das Problem ist freilich", so Åmås, "dass trotz dieser Anstrengungen das Publikum nicht in gleichem Maße gewachsen ist."

Über 1.000 kostenlose Bibliotheken

Deshalb bemühe sich seine Stiftung vor allem darum, den heute noch weniger kulturaffinen Gruppen – wie ethnischen Minderheiten oder Flüchtlingen –Zugänge zur Literatur, zum Theater oder zur Musik zu ermöglichen und entsprechende Schwellen abzubauen, so Åmås. Eine zentrale Rolle spiele dabei das weltweit einzigartige System von weit über 1.000 Bibliotheken, deren Benützung aufgrund eines fast 200 Jahre alten Gesetzes gratis ist.

Auch die Medienförderung der Fritt-Ord-Stiftung ist der Diversität und Pluralität verpflichtet, die im Übrigen von der Verfassung garantiert werden: Unter Artikel 100, Paragraf 6, wird die Regierung dazu verpflichtet, für Bedingungen zu sorgen, die eine offene und aufgeklärte öffentliche Debatte ermöglichen. Und daran hält man sich auch: Umgerechnet rund 950 Millionen Euro umfassen Förderungen und Steuererleichterungen für Medien derzeit pro Jahr:

  • Der staatliche Rundfunk NRK bekommt rund 570 Millionen Euro Rundfunkgebühr (beim ORF waren es zuletzt rund 600 Millionen). Dazu kommt eine reduzierte Mehrwertsteuer (hier acht, beim ORF zehn Prozent), die NRK weitere 90 Millionen erspart.

  • General-Interest-Zeitungen sind von der Mehrwertsteuer befreit – Gesamtvolumen: rund 158 Millionen Euro. In Österreich fällt für Zeitungen (wie Bücher) ein reduzierter Steuersatz von zehn Prozent an. Geschätzte Steuerersparnis in Österreich für Kauf-Tages- und -Wochenzeitungen: rund 50 Millionen Euro. Davon profitieren da wie dort die größten, auflagenstärksten Kaufzeitungen – "Aftenposten" wie "Krone" – am meisten.

  • Für norwegische Zeitschriften und Fachmedien gilt ein reduzierter Steuersatz, der diesen Medien in Summe 84 Millionen Euro erspart.

  • 33 Millionen Euro beträgt die direkte Presseförderung in Norwegen. Diese sogenannte Produktionsförderung unterstützt jene Zeitungen, die in ihren lokalen Märkten nicht marktführend sind.

Förderungen der Fritt-Ord-Stiftung

Doch auch die seit 1974 existierende Fritt-Ord-Stiftung, die sich aus Dividenden einer Zeitungskioskkette speist, fördert die öffentlichen Debatten durch die Finanzierung von 200 bis 300 Journalismusprojekten – unter anderem in den Bereichen investigativer Journalismus oder Literaturkritik. Man unterstützt aber auch rund 300 Buchprojekte, so Åmås, der selbst etliche Bücher geschrieben und zuletzt einen Reiseführer für Wien veröffentlicht hat (nach einem Bestseller über New York).

Die Stiftung geht in Sachen Medienförderung freilich weit über Norwegen hinaus: Journalistenausbildungen in Russland, Aserbaidschan und in anderen osteuropäischen Ländern, wo die Pressfreiheit bedroht ist, werden ebenfalls gefördert. Und gemeinsam mit der Zeit-Stiftung oder der Robert-Bosch-Stiftung vergibt man Journalistenpreise, hilft russischen Journalisten und unterstützt Medien wie Majdan-TV.

Neue norwegische Verbesserungsvorschläge

Vorbildlich ist aber auch, was Åmås mit seinem Team im Weißbuch "Medienpluralismus in Norwegen" zur Ausweitung der ohnehin schon üppigen staatlichen Medienförderung für Norwegen vorgelegt hat. So schlägt das Weißbuch etwa vor, künftig zusätzlich mehr als zwei Millionen Euro für Journalismus bereitzustellen, der von besonderer gesellschaftlicher Relevanz ist. Weitere drei Millionen sollen für innovative Projekte im Bereich der neuen Medien bereitgestellt werden.

Zu den Vorschlägen des Weißbuchs kamen in einer Begutachtungsphase des zuständigen Ministeriums bis Ende Juni an die 70 Stellungnahmen. Im September wählen die Norweger erst einmal ein neues Parlament. Was aus dem Weißbuch und von den Stellungnahmen umgesetzt wird, ist dann Sache der nächsten Regierung.

Das Glück der Leseweltmeister

Laut den Vorschlägen des Weißbuchs sollen zudem auch weitere zwei Millionen Euro unter jenen Zeitungen ausgeschüttet werden, die Inhalte gratis im Netz anbieten: Denn selbst in Norwegen hat in den letzten Jahren der Konsum gedruckter Printmedien etwas abgenommen, auch wenn die Norweger nach wie vor die weltweit fleißigsten Zeitungsleser sind.

Und womöglich ist das neben der verfassungsmäßig garantierten Debattenkultur, der einzigartigen Medienvielfalt und der hohen Lebensqualität ja auch ein Grund dafür, warum die Norweger so glücklich sind. (Klaus Taschwer aus Oslo, fid, 14.7.2107)