Vermehrte Abschiebungen nach Afghanistan gibt es seit dem Abkommen mit der EU im Oktober 2016.

Foto: AFP / Wakil Khosar

Wien/Berlin/Kabul – Seine Freunde haben eine Petition an österreichische Politiker lanciert, die Diakonie-Rechtsberater Beschwerde eingelegt. Doch Bahar Z. (29), einem in Schubhaft sitzenden Afghanen, wurde sein Abschiebetermin nach Kabul – morgen, Samstag – schon offiziell mitgeteilt.

Im Juli 2015 war Z. – der sich westlich kleidet und gibt und in seiner Heimat daher schwere Repressalien erlebte – nach Österreich gekommen, im November 2016 wurde sein Asylantrag in erster Instanz abgelehnt. Ein Mitbewohner habe ihm versichert, er müsse auf die Zuweisung einer Rechtsberatung warten, schildert eine Freundin. Ein schlechter Rat: Z. versäumte die zweiwöchige Beschwerdefrist, dem Asylfolgeantrag der Diakonie, an die er sich schließlich wandte, kommt keine aufschiebende Wirkung zu.

Zwei Abschiebeversuche wurden mittels Schubhaftbeschwerde abgewendet. Nun sei die Zeit sehr knapp, sagt Diakonie-Asylexperte Christoph Riedl.

Im Linienflieger

Dem Vernehmen nach soll Z. in einer Linienmaschine nach Kabul gebracht werden. Seit dem schweren Bombenanschlag auf die deutsche Botschaft in der afghanischen Hauptstadt am 31. Mai mit 150 Toten, nach dem Deutschland Rückführungen großteils stoppte, gab es laut Herbert Langthaler vom NGO-Zusammenschluss Asylkoordination aus oder über Wien keine Gruppenabschiebung nach Afghanistan mehr.

Stattdessen werde einzeln rückgeführt, zuletzt am 5. Juli. Dem da abgeschobenen Ahmad S. wurde wenige Tage nach seiner Zwangsrückkehr gegen diese vom Bundesverwaltungsgericht in Wien aufschiebende Wirkung gewährt: zu spät. Auch im Fall Bahar Z. seien noch Beschwerden offen, die zeitnah entschieden würden, das sollten die Behörden beherzigen, sagt Langthaler.

Abkommen ermöglicht Abschiebungen

Im Unterschied zu Berlin, das die Sicherheitslage in dem Land am Hindukusch nun neu evaluieren lässt, denkt man im Innenministerium in Wien nicht daran, Afghanistan-Abschiebungen hintanzuhalten. Die EU-Afghanistan-Vereinbarung Joint Way Forward ermögliche sie, heißt es dort. In jedem Fall werde aber individuell entschieden.

Im ersten Halbjahr 2017 seien aus Österreich 457 afghanische Staatsbürger weggebracht worden, 153 (33,5 Prozent) freiwillig, 304 (66,5 Prozent) zwangsweise. Da Dublin-Rückschiebungen in ein anderes EU-Land in diese Aufstellung mit eingerechnet wurden, ist die Zahl der Kabul-Abschiebungen nicht ersichtlich.

Insgesamt 3553 Abschiebungen von Jänner bis Juni

Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 3553 Ausländer zwangsweise aus Österreich weggebracht. In 2305 Fällen wurde Schubhaft verhängt. In 768 Fällen wurde ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet, so oft wie im Gesamtjahr 2016. Die Zahl neuer Asylanträge war von Jänner bis Juni 2017 mit 12.490 Ansuchen um mehr als die Hälfte niedriger als im Vergleichszeitraum 2016. (Irene Brickner, 14.7.2017)