Humphrey Oceans Wellenbilder thematisieren das Verhältnis von Gegenständlichkeit und Abstraktion.

Foto: Christine-König-Galerie

Riesige Wellen, völlig überladene Boote – mehr benötigt man nicht, um zu wissen, wovon der chinesische Künstler Ai Weiwei in der Christine-König-Galerie erzählt. Auf seinem Wandgemälde, das sich über mehrere "Zeilen" hinzieht, bedient er sich einer einfachen Bildsprache, die an die Piktogramme von Otto Neurath erinnert: Man sieht – stark abstrahierte – Menschen, die für Essen Schlange stehen, Leichensäcke und Zeltlager, die von Stacheldrahtzäunen umgeben sind.

Der Künstler, der sich seit vielen Jahren politisch engagiert, verzichtet in seiner eindrücklichen Bilderzählung auch nicht darauf, auf die Fluchtursachen hinzuweisen: Neben Panzern, Bomben und zerstörten Häuser tauchen IS-Schergen in Form gefräßiger, alles niederwalzender Monster auf.

Mit ähnlichen Themen – Krieg, Schmerz und Gewalt – befasst sich üblicherweise auch der in Paris lebende Algerier Adel Abdessemed. Für die Zeichnungen, die nun bei Christine König zu sehen sind, skizzierte er jedoch Landschaften – friedliche "Sehnsuchtsorte", schreibt Thomas Miessgang, die es in Wirklichkeit so gar nicht gibt.

Wären Fluss und Meere Tinte ... ist der poetische, ein Gedicht von Wilhelm Müller zitierende Titel der Schau, in der es aber nicht nur um Tod und Gewalt, sondern auch um das Fließen freier Gedanken, um Offenheit und das Überwinden von Grenzen geht.

Das Wrack des totalen Knirpses

Der Italiener Renato Ranaldi (geb. 1941) ist einer der Künstler, Schreiber, Musiker und Denker, die sich den (auch bildkünstlerischen) Konventionen immer wieder entzogen haben. Il relitto dell'Omino Totale (1989) – etwa: "Das Wrack des totalen Knirpses" – heißt seine Arbeit auf Pappkarton. Sie gemahnt an den Schiffbruch der Menschheit, wenn sie eine Art Büste zeigt, die langsam im Meer versinkt.

Tief hinein in verschlungene Seen-, Wald- und Morastlandschaften werden Betrachter auch von Tuschezeichnungen Yehudit Sasportas' gezogen: Die israelische Künstlerin, geboren 1969, versteht die mit fragilen Strichen gezeichneten Orte als Psychogramme, mentale Landschaften, in denen man in Unbewusstes abtaucht.

Schon ganz gut also, dass einen die Arbeiten von Humphrey Ocean (geb. 1951) und Barbara Eichhorn (geb. 1965) dann auch wieder zurück an die Oberfläche holen: Die "Wellen" des britischen Malers Ocean drehen sich um das Verhältnis von Gegenständlichkeit und Abstraktion, Eichhorn hat das Spiel des Windes mit der Meeresoberfläche auf A4-Blättern "dokumentiert".

Jenseits dieser Art der Kontemplation macht der norwegische Künstler und Illustrator Per Dybvig noch einen anderen Zugang auf: Zu sehen ist neben seinen nordisch-verwunschenen Wasserfällen der Animationsfilm The Sea (2017), in dem ein bösartiger, bis an die Zähne bewaffneter Hase "piratisierend" über die Meere reist. (Christa Benzer, Album, 18.7.2017)