Bild nicht mehr verfügbar.

Mit dem Sicherheitspaket wird eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes vorgeschlagen, die Netzsperren durch Provider ermöglicht.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Mit dem umstrittenen Sicherheitspaket, das Änderungen an Sicherheitspolizeigesetz, Bundesstraßen-Mautgesetz, Straßenverkehrsordnung und Telekommunikationsgesetz vorsieht, könnten auch weitreichende Netzsperren eingeführt werden. So soll es in Zukunft möglich sein, dass Internetprovider den Zugang zu Websites ohne richterlichen Beschluss blockieren können.

Ausnahme der EU-Netzneutralitätsverordnung

Zur Anwendung kommen sollen die Netzsperren etwa bei strafrechtlich relevanten Urheberrechtsverletzungen, gewaltverherrlichende Darstellungen und Pornografie. Alleine der Provider soll darüber entscheiden, ob eine Seite gesperrt werden soll oder nicht. Das soll durch eine Ausnahme der EU-Netzneutralitätsverordnung ermöglicht werden. Laut dem Gesetzesentwurf soll folgender neuer Absatz im Telekommunikationsgesetz ergänzt werden: "Anbieter von Internetzugangsdiensten können Verkehrsmanagementmaßnahmen im Sinn von Art. 3 der Verordnung (EU) 2015/2120 zur Vermeidung von strafrechtlich relevanten Handlungen, wie etwa Datenbeschädigung durch Viren, Computerkriminalität, Verbreitung von pornografischen oder gewaltverherrlichenden Darstellungen im Sinn der Jugendschutzgesetze an Minderjährige oder strafrechtlich relevante Urheberrechtsverletzungen, anbieten."

Screenshot: red

Websitebetreiber und Nutzer hätten keine Möglichkeit dagegen vorzugehen, heißt es seitens der Datenschützer von Epicenter Works (vormals AK Vorrat). "Das bedeutet einerseits die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, andererseits auch die Automatisierung der Rechtssprechung, denn es würden – wie das schon heute in Großbritannien der Fall ist – verschiedene private Anbieter von Filterlisten darüber entscheiden, was bei welchem Internet-Serviceprovider zugänglich ist und was nicht", sagt Thomas Lohninger von Epicenter Works zu FM4.

Datenschutzer: Hintergrund Netzneutralität

Dieser Zusatz sei komplett überraschend und ohne vorherige Diskussion im Arbeitsprogramm der Regierung gelandet. "Die im Vorfeld fehlende Diskussion lässt darauf schließen, dass Telekomprovider oder ihre Vorfeldorganisationen wie die ‚Internetoffensive‘ unter dem Vorwand einer Sicherheitsgesetzgebung eine Regelung ins Telekommunikationsgesetz schmuggeln wollen, um bestimmte die Netzneutralität verletzende Produkte weiterhin betreiben zu können", vermutet man bei Epicenter Works.

Netzsperren gegen Urheberrechtsverletzungen gibt es in Österreich seit einigen Jahren. Deren Rechtmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof 2014 festgestellt. Allerdings haben mehrere Provider erst auf Einstweilige Verfügungen gewartet, bevor sie entsprechende Aufforderungen von Musik- oder Filmwirtschaft umgesetzt haben. So sind etwa Seiten wie kinox.tv von einigen Providern blockiert. Vor einem Jahr war eine Verfügung gegen "The Pirate Bay" vom Oberlandesgericht Wien wieder aufgehoben worden. Der Europäische Gerichtshof hat vor kurzem allerdings entschieden, dass das Betreiben von Filesharing-Seiten wie "The Pirate Bay" eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann. Das Urteil dürfte sich richtungsweisend auf Rechtsstreitigkeiten aufgrund von Sperrbegehren auswirken.

"Unverhältnismäßiger Eingriff in Grundrechte"

Das Sicherheitspaket befindet sich derzeit in parlamentarischer Begutachtung. Neben Netzsperren sieht es unter anderem auch den Einsatz von Bundestrojaner zur Überwachung verschlüsselter Kommunikation über Whatsapp und Co, die Verwendung von IMSI-Catchern, die Registrierung bisher anonymer Handy-Wertkarten und die Vernetzung privater Webcams zur Überwachung des öffentlichen Raums vor. Die Pläne werden neben Bürgerrechtsorganisationen auch von Grünen, NEOS und dem Verband der Internet Service Provider Austria (ISPA) kritisiert, der darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte sieht.

Im Rahmen der parlamentarischen Begutachtungsphase kann sich jeder Bürger an der Konsultation beteiligen. Epicenter Works hat dazu eine Seite eingerichtet, die das auf besonders einfache Art ermöglicht. Die Stellungnahmen werden an das Bundesministerium für Inneres geleitet. Die Frist dafür läuft noch bis zum 21. August. (br, 16.7.2017)