Natürlich kann man sich das Leben sportlich auch schwer machen. Nur: wozu? Klar: Manchmal will man wissen, wo die eigenen Grenzen sind. Und dann noch einen Schritt weitergehen. Und dann noch einen.

Nur: Manchmal ist "einfach Spaß haben" auch Programm genug. Etwa dann, wann man in den vergangenen zwei Wochen ständig über eine echt harte Nuss im Ausdauersport geschrieben hat. Und man sich – absolut zu Recht – dann die Frage stellen lassen muss, ob dieses Brett für "Normalos" nicht ein bisserl dick ist: Schwimmen und Laufen und Schwimmen und Laufen und Schwimmen und … (und so weiter) etwa: Da von Events wie dem "Ötillö" zu erzählen kann auch Angst machen.

Und so zogen Daniel und ich am Sonntag los, um die Gegenthese zu suchen – und zu bestätigen: Kann man in einer Stadt wie Wien im Sommer ganz locker und entspannt "Swim Run" spielen – ohne sich auf Verbände, Events oder Strukturen stützen zu müssen? Swim-Run-im-Sonntagslauf-Modus – geht das?

Foto: Thomas Rottenberg

Ja eh: Daniel Harari ist kein Sport-Softie. Ganz im Gegenteil: Daniel trainiert gemeinsam mit mir bei Harald Fritzens "Team Ausdauercoach" und ist im Wasser, auf dem Rad und beim Laufen um Klassen besser, schneller und stärker als ich. Außerdem hat er weit mehr Ahnung von Wein und Essen als ich, ist Berater für Start-up-Enterprises – und hat zuletzt in Wien-Mariahilf mit "Craftwine" eine Highend-Weinhandlung gegründet. Aber das gehört nicht hierher.

Am Sonntag hatte Daniel Schwimmen, Radfahren und Laufen auf dem Plan. Je eine bis eineinhalb Stunden. Beim Schwimmen wollte ich ihn begleiten. Doch der Sonntagmorgenwind machte die Idee, vom unteren Zipfel der Alten Donau Richtung Gänsehäufel zu schwimmen, eher zach: "Gegen den Wind ist das außer mühsam nur mühsam. Weißt was? Wir fahren mit dem Bus Richtung Uno-City – und schwimmen dann übers Kaiserwasser."

Die Blicke der anderen Fahrgäste? Sagen wir so: Ein bisserl einen Unterhaltungsauftrag hat man manchmal halt schon …

Foto: Thomas Rottenberg

Ich bin ja immer wieder erstaunt, dass auch "echte" Wiener das Kaiserwasser nicht kennen: Es ist eine Art Apendix der Alten Donau Richtung Reichsbrücke. Die Gemeindebauten haben – über nette Parks – direkte Wasserzugänge, für die Immobilienmultis anderswo auf der Welt Sozialbau-Siedlungen ohne mit der Wimper zu zucken planieren würden. Ein paar fette Villen und Projekte gibt es hier mittlerweile zwar auch. Klar. Aber es gehört mit zu den ganz, ganz großartigen Facetten Wiens, dass man hier immer noch einfach im Park ins Wasser gehen kann. Und einfach losschwimmt.

Foto: Thomas Rottenberg

Um vom Kaiserwasser in die "echte" Alte Donau zu kommen, kann man sich aussuchen, unter welcher von zwei namenlosen kleinen Brücken man da durchtuckert. Oder eben durchschwimmt.

Wie die kleine Insel, die das Kaiserwasser vom Altarm trennt, heißt, weiß ich nicht. Google Maps verrät es nicht – da der Weg auf der Insel aber "Laberlweg" heißt, ist das für mich die "Laberlinsel". Laufrunden rund um die Alte Donau führen vom "Fischerstrand" hierher. So weit, so bekannt.

Was ich bisher ich nicht wusste, ist, dass unter der Brücke zwischen Fischerstrand und Laberlweg ein wirklich cooles Graffito prangt. "General Fisch ist von unserer Schwimmerei nicht wirklich beeindruckt", flachste Daniel.

Für einen wirklich "soften" Swimrun wäre hier der perfekte erste Ausstieg. Etwa um zu Fuß über den Fischerstrand und die Wagramer Straße die "klassische" Runde zu laufen.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber das Schwimmen machte grad Spaß. Also planschten wir gemächlich weiter – Richtung Gänsehäufel. Daniel wartete beim Weststrand auf mich: Er zog mir regelmäßig und locker davon. Auch, aber längst nicht nur weil er ohne überflüssigen Schwimmballast unterwegs war: Schuhe etwa. Er würde nach der Schwimmerei die "Wechselzone" Auto nutzen und auf dem Rad weitermachen.

Ich aber hatte alles dabei. Und an. Auch Schuhe – aber in Wirklichkeit waren die nur eine gute Ausrede. Das wussten wir beide.

Foto: Thomas Rottenberg

Freilich war da schon noch etwas: Die Vegetation in der Alten Donau ist nicht von schlechten Eltern. Dort, wo viel geschwommen wird, wird auch regelmäßig gemäht. Aber überall anderswo hat man mitunter keine 30 Zentimeter freies Wasser über den Pflanzen. Wer einmal mit dem Tretboot in einem Algenteppich hängen blieb, weiß, wie es mir mit den Paddles ständig ging. Um im Wasser fotografieren zu können, habe ich außerdem eine GoPro-Halterung an den Unterarm geschnallt: Auch wenn wir die Arme noch so knapp am Oberkörper vorbeiführten, war das so, als würde ich mit einem Rechen durch die Algen fahren.

Ohne Paddles und Werkzeug geht das deutlich einfacher – und ohne Schuhe hatte Daniel auch eine ganz andere Wasserlage: jammern auf hohem Niveau.

Foto: Thomas Rottenberg

Trotzdem: Etwa auf der Höhe des Gasthauses "Neu Brasilien" reichte es mir dann: Ich ging an Land und lief. Eben die klassische Runde. Daniel blieb im Wasser. Bei einem Wettkampf wäre das ein No-Go: Erstens weil da die Lauf- und Schwimmstrecken vorgegeben werden. Zweitens aber auch, weil bei den Teambewerben der Abstand zwischen den beiden Partnern im Wasser maximal zehn Meter betragen darf. An Land ist man da nicht so streng – aber getrennte Wege gibt es nicht.

Nur: Das hier ist kein Wettkampf – sondern einfach ein gemütlicher Sonntagslauf.

Foto: Thomas Rottenberg

Andererseits ist es zu zweit aber dann doch viel, viel netter. Allein kann ich das ganze Jahr über hier herumlaufen. Und der Spaß an der Sache ist ja auch, dass man beim Swimrun das Medium jederzeit und locker wechseln kann. Also zurück ins Wasser – und rüber zu Daniel. Der wartet an der Absperrung des Schwimmbereichs des Gänsehäufels auf mich und verkleidet sich ein bisserl: Wer Algen grauslich findet, ist hier sowieso fehl am Platz – und ob die einem ins Gesicht schwappen oder ob man sie sich selbst als Bart umhängt, macht nicht wirklich einen Unterschied.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Vorteil des Schwimmbereichs des Gänsehäufels: Innerhalb des abgeleinten Bereichs wird – scheint es – der Algenteppich öfter gerodet. Ob wir uns "strafbar" machen, weil wir die Bojen-Aufschriften ignorieren und ein Stück des Weges innerhalb des Bad-Wassers zurücklegen? Keine Ahnung. Aber die Badewascheln, die da gerade – es ist kurz nach acht – am Ufer des städtischen Sommerbades ihre Positionen zu besetzen beginnen, sehen uns entspannt zu und machen keine Anstalten, uns zurechtweisen oder vertreiben zu wollen. Vermutlich haben sie tagsüber mit (Nicht-)Schwimmern, die die Leinen in die andere Richtung überqueren, genug zu tun: Auch wenn es weder Hexerei noch Leistungssport ist, die paar hundert Meter zwischen Gänsehäufel und dem gegenüberliegenden Ufer der Alten Donau zu schwimmen, kommt hier doch der absolut ernst gemeinte Ordnungsruf: Wer sich nicht 150 Prozent sicher ist, solche Strecken zur Not auch mit einem Arm zu schaffen, hat im offenen Wasser schlicht und einfach nichts verloren. Schon gar nicht allein.

Foto: Thomas Rottenberg

Auch aus einem anderen, zweiten Grund: Offenes Wasser ist eben kein Freibad, in dem das Schlimmste, was einem in die Quere kommen kann, eine renitente Pensionistin mit auftoupierten Haaren ist, die Zeter und Mordio schreit, wenn da nur die Gefahr besteht, dass da ein Tropfen Wasser draufkommen könnte (alles schon erlebt).

Die Alte Donau etwa ist ein grandioses Ruderrevier. Und gegen halb neun Uhr in der Früh begann da der Trainingsbetrieb. Rudern ist ein cooler, hocheffizienter Sport. Ruderer fahren mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Sie sind schnell, sehr schnell – und sie rechnen (zu Recht) auch nicht unbedingt mit Schwimmern: Signalfarbene Badehauben sind deshalb alles andere als ein modisches Accessoire. Und wenn es plötzlich hinter einem rauscht, tut man gut daran, den Kopf sehr rasch möglichst tief unter Wasser zu kriegen: Ein (unabsichtlicher) Treffer mit Ruder oder Bug tut überall weh – aber Kopftreffer gilt es im Wasser unter allen Umständen zu vermeiden.

Foto: Thomas Rottenberg

An Land ist das Leben natürlich sicherer. Und auch einfacher: Wir hatten uns ein bisserl in der Zeit verschätzt –oder zu viel geblödelt. Jedenfalls musste Daniel zum Auto ("in die Wechselzone"), weil er zum Radfahren noch Freunde treffen wollte – und auch ich hatte nicht endlos Zeit, sondern war verabredet.

Also joggten wir dann die letzten paar hundert Meter gemeinsam zurück zu unserem Ausgangspunkt am südöstlichen Ende der Alten Donau: Wir waren bis jetzt nicht ganz eine Dreiviertelstunde aktiv unterwegs gewesen – und hatten uns auch nie wirklich beeilt: Diese Runde dürfte also durchaus machbar sein.

Foto: Thomas Rottenberg

Wir verabschiedeten uns voneinander. Während Daniel sich umzog und sein Rad aus dem Kofferraum holte und zusammenbaute, trabte ich weiter Richtung Donau: An der U2-Station vorbei – und, nein, eben nicht wie sonst immer über die Schleusenbrücke beim Wehr 1 auf die Insel, sondern knapp unterhalb der U-Bahn-Brücke schwimmend hinüber: Meine Paddles hatte ich vorhin am Gürtel verstaut. Und obwohl fast alle Swimrun-Wettkampfsportler mit den Plastikschaufeln schwimmen und schwören, dass diese Speed bringen, bin ich halt abseits von Technik- und Krafttraining kein Fan der Dinger: Subjektiv bin ich ohne schneller. Objektiv, sagte mein Tracker nach dieser Einheit, auch – aber vielleicht lag das ja auch nur daran, dass ich jetzt niemanden mehr zum Tratschen hatte.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber das dauerte nicht lang. Auf dem Weg zur Brücke über die Donau unterhalb der Südosttangente war da plötzlich dieser Radfahrer neben mir: Daniel, am Anfang seiner Radeinheit. Als er mir seine Trinkflasche reichte, merkte ich, dass ich schon richtig durstig war: Ich hatte weder an einem Hydranten haltgemacht noch (wenn auch nur versehentlich) einen Schluck Donauwasser getrunken.

Schlau ist das nicht – auch auf kurzen Läufen. Auch nicht, wenn man sich zwischendurch im Wasser immer wieder abkühlen kann: Damit kann man sich hervorragend selbst belügen.

Foto: ©Harari

Aber für heute machte das keinen großen Unterschied mehr: Von der Insel über die Tangente zum Stadionparkplatz dauert es nicht lange. Dort wartete meine Freundin – und ein ganz normaler Sonntag.

Vorher wollte ich aber noch etwas tun: Ich weiß nicht, wie oft ich in meinem Leben schon rund ums Heustadlwasser gelaufen bin. Im Winter – wenn es wirklich kalt ist, mitunter auch schon darauf und darüber. Aber drin geschwommen? Nein, drin war ich noch nie. Auch nicht in dem kleinen Teich gleich neben der Hauptallee: Wenn ich schon mit Schwimmzeug im Prater unterwegs war, würde ich jetzt auch da ein Hakerl darunter machen, dachte ich – und marschierte zuerst in den Teich: Dass der nicht ultratief sein würde, war mir klar. Aber dass er de facto nur eine schlammige Pfütze ist, nicht.

Egal. Rüber zum Heustadlwasser – und rein. Ein ganz anderer Blick – in einen wunderschönen Au-Arm. Traumhaft. Eine Einladung. Aber die Zeit reicht nur für paar Züge. Für dieses Mal: Schwimmen im Prater wird vielleicht einmal eine andere Geschichte.

Foto: Thomas Rottenberg

Für alle, die es genau wissen wollen:

Die "Tour de Gänsehäufel" war insgesamt lediglich 6,8 Kilometer lang. Rund zwei Kilometer davon im Wasser, Daniel schwamm 2,4 Kilometer. Die Runde rund um den unteren Teil der alten Donau lässt sich beliebig auf Wasser- und Landanteile aufteilen, die Nähe zum Ufer ist ebenfalls beliebig wählbar, der Ausstieg jederzeit möglich – einzig beim Schwimmpart über die Neue Donau (etwa 160 Meter) kann die Entfernung zum Ufer für weniger geübte Schwimmer ein Thema werden.

Meine Uhr lief insgesamt eine Stunde und 24 Minuten – meist aber auch beim Blödeln, Plaudern und Fotografieren im Wasser. (Thomas Rottenberg, 19.7.2017)


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Foto: Thomas Rottenberg