Wien – Beim Titelsong wärmt es die Rüscherln in jeder Dorfdisco. Ein Feuchttraum aus dem Jahre 1979 wird wahr, es kommt zur Kernfusion jedes Hitparadensamplers von K-Tel. Everything Now klingt nach der nie vollzogenen Hochzeit von Abba und Smokie. Damit kann man 2017 auf jeder Ü-50-Party reüssieren, für eine Band wie Arcade Fire signalisiert es hingegen Ideenlosigkeit. Kommende Woche erscheint das fünfte Album der kanadischen Band.

Genießen eine ausgezeichnete Live-Reputation, ihr neues Studioalbum ist hingegen ambitioniert-belanglos ausgefallen: Arcade Fire.
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Es heißt Everything Now und ist höflich formuliert mittel. Wer die Band für ihre himmelstürmende Melancholie, für das Wechselbad aus Schmoll, Moll und großen Gesten liebte, kann aufatmen und sich das in 20 verschiedenen Artworks erscheinende Werk sparen. Das sind je nach persönlichem Irrsinn bis zu 900 Euro.

Everything Now wurde mithilfe des Pulp-Bassisten Steve Mackey und des Daft-Punkers Thomas Bangalter produziert. Herausgekommen ist ein über weite Strecken durchschnittlich klingender Elektropop, der nicht auffiele, käme er nicht von Arcade Fire, die zumindest mit ihren ersten beiden Alben – Funeral und Neon Bible – die Nullerjahre musikalisch aufregend machten.

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Davon ist 2017 wenig übrig. Zwar genießt die vielköpfige Rappeltruppe eine ausgezeichnete Live-Reputation, die sie vorige Woche in Linz bestätigte. Wegen eines drögen Elektroschnarchers wie Peter Pan kratzt sich aber nicht einmal der durchschnittliche Schablonenhipster am Bart.

Auch ein Song wie Chemistry, in dem schaumgebremste Hardrockriffs mit einem Reggae von der Stange kollidieren, hinterlässt Verwunderung. Nicht einmal das in der Vergangenheit einige Songs vor dem Absturz bewahrende Idiom des Sängers Win Butler hilft da. Interessant ist immerhin die Idee des Songs Infinite Content, der zweimal hintereinander zur Aufführung kommt. Einmal von stürmischen Rhythmen getragen, gleich darauf als schlapper Countrysong. Eine Eigencoverversion quasi – nicht unlustig.

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In den von Elektronik geprägten Songs orientiert sich die 2004 aufgetauchte Band an den 1980er-Jahren, hat Prince und ein bisserl Hip-Hop gehört, was sich in dem angetäuschten Rapgesang von Signs of Life niederschlägt. Einem stringenten Narrativ verschließt sich das Werk selbst nach vielen Durchgängen. Man hört es als eine Aneinanderreihung von Machbarkeitsstudien, die sich nicht wirklich zwischen Dancefloor, Pop und der Heimatscholle Indierock entscheiden können.

Put Your Money on Me klingt wie etwas, das Daft Punk aus dem Mistkübel gefischt haben, das finale We Don't Deserve Love wie etwas, das Brian Eno nicht gut genug war. Für eine begeisterte Würdigung bitte auf die Besprechung bei Pitchfork Media warten. Dort studiert man sicher schon neue Superlative ein. Soll sein, wir enden mit der Zuschreibung "belanglos". (Karl Fluch, 19.7.2017)