Werke von Richard Gerstl sind bis 25. September in der Neuen Galerie in New York zu sehen.

Foto: Leopold Museum, Vienna

Die österreichische Künstlergruppe Gelatin ist mit ihren Skulpturen in der Greene Naftali Gallery zu Gast.

Foto: Michael Freund

Sie sind mehr als 100 Jahre alt, zeitlos elegant – und zeigen noch immer die richtige Zeit an: Standuhren, entworfen unter anderen von Adolf Loos. Sie stehen in einer der beiden laufenden Ausstellungen der Neuen Galerie in Manhattan.

Vor 15 Jahren gründeten Ronald Lauder und Serge Sabarsky das kleine "Museum for German and Austrian Art" an der Fifth Avenue. Zum Jubiläum zeigt es nun bis 25. September ein "Best-of", so die Kommunikationschefin Rebecca Lewis, seiner österreichischen Bestände. In zwei Sälen versammelt das Museum charakteristische Arbeiten der bildenden und angewandten Künstler vom Fin de Siècle bis in die 1920er-Jahre.

Schränke und Stühle aus jenen Jahrzehnten; streng geometrische Utensilien von Josef Hoffmann und Koloman Moser und eher ornamentale von Dagobert Peche; dazu Schmuck, Gläser, Karaffen und die erwähnten Uhren, Unikate allesamt. Aus den hier ausgestellten Beständen des Museums und privater Sammler ließe sich die Gesamtkunstwohnung zusammenstellen, die den Wiener Werkstätten und auf seine Art auch Loos vorgeschwebt ist. Dazu kämen Gemälde von Schiele, Kokoschka und Klimt, vor allem dessen bekannteste, die vor elf Jahren restituierten und von Lauder erworbenen Porträts der Adele Bloch-Bauer.

Sie sind als Höhepunkt und Abschluss dieses Rückblicks auf die kulturelle Blütezeit Wiens gedacht. Das Interesse der Besucher gilt aber in gleichem Maße den kleinen und fragilen Exponaten, etwa Armbändern von Carl Otto Czeschka oder einer Halskette von Amalie Szeps. Kein Wunder: In so knapper, konzentrierter Form hat man die Kunst jener Epoche selten gesehen.

Expressionist, Außenseiter und unorthodoxer Sucher

Dem Werk von Richard Gerstl (1883–1908) ist ebenfalls bis 25. September die zweite Schau der Neuen Galerie gewidmet. Der Maler als früher Expressionist, Außenseiter, unorthodoxer Sucher nach neuen Formen von Schönheit: Darauf vor allem verweist die gemeinsam mit der Frankfurter Schirn veranstaltete Retrospektive.

55 Arbeiten, mehr als die Hälfte seines heute noch vorfindbaren Werks, zeigen ihn vor allem als Maler "wilder", intensiver Landschaften (van Gogh zählte zu seinen Einflüssen) und Porträts. Unter ihnen ist ein fast schon abstraktes der Familie Schönberg, das er in seinem letzten Lebensjahr malte. Arnold Schönberg hatte bei ihm Malen gelernt, Gerstl hatte ein Verhältnis mit des Komponisten Frau. Die Aufdeckung dieses Verhältnisses führte zum Skandal und in der Folge zu Gerstls Selbstmord. Die tragische Verflechtung und die jahrzehntelange Vertuschung thematisiert die Ausstellung in einem eigenen Kabinett.

Die erste Gerstl gewidmete Personale in den USA könnte gemeinsam mit der Rezeption von Kokoschkas Œuvre dazu beitragen, das Klischee von der österreichischen Kunst der Jahrhundertwende als pretiöses, dekoratives Kunsthandwerk zu korrigieren. Beide Ausstellungen sind bis 25. September zu sehen.

The Jazz Age

Die Neue Galerie liegt mitten in der Museumsmeile am Central Park. Wer schon dort ist, hat es nicht weit zu anderen Institutionen, zu deren Dauerbeständen und zu spannenden Sonderausstellungen.

Der "Skyscraper Bookcase Desk" von Paul T. Frankl in der Ausstellung "The Jazz Age".
Foto: Michael Freund

Etwa zum Cooper-Hewitt, Smithsonian Design Museum, nur fünf Straßen entfernt. In "The Jazz Age: American Style in the 1920s" führt es bis 20. August vor, wie sich in der Zwischenkriegszeit in den USA Design, Mode und überhaupt Lebensstil radikal wandelten, zumindest für diejenigen, die es sich leisten konnten.

Industriedesign und Interieurs, Musikstile und Möbelentwürfe, Radios und Reklame, "guter Geschmack" und Experimente, Schmuck und Chandeliers: Mehr als 400 Objekte sowie Audio- und Videobeispiele veranschaulichen, in wie vielen Bereichen die Moderne Einzug in den gehobenen Alltag gehalten hat.

"Tagesbett" von Friedrich Kiesler.
Foto: Michael Freund

Interessanterweise führt die Schau weder Art déco noch Europa im Titel, doch beide, stellt sich beim Besuch heraus, haben entscheidenden Einfluss auf die USA gehabt, sowohl die Ausstellung der dekorativen Künste in Paris 1925 als auch insgesamt die Arbeiten der europäischen Avantgarde. Unter ihnen – und da ergeben sich Parallelen zur Neuen Galerie – hebt das Museum die Bedeutung der Wiener Werkstätten hervor, die ja sogar kurzzeitig in New York ein Geschäft unterhielten ("zwar nicht kommerziell erfolgreich, zeigten sie den Amerikanern jedoch aus erster Hand die Wirkung kreativer Innovationen"). Eine Freude auch die ausgestellten Schreibtische, die der Austroamerikaner Paul T. Frankl entworfen hat, und das multifunktionale, absolut moderne "Tagesbett" (1933–35) von Friedrich Kiesler.

Fotografie und Modedesign

Selbst wenn man nicht schon in der Nähe ist, ein weiterer Besuch der Meile lohnt auch wegen der derzeitigen Schauen im Metropolitan Museum (Met). Zum einen hat es Irving Penn, dem großen Meister (nicht nur) der Modefotografie, zu seinem Hundertsten eine umfassende Retrospektive (bis 30. Juli) beschert. Penn hat es stets verstanden, seinen Sujets mit Respekt zu begegnen, seine Stillleben gestaltete er ebenso akribisch und elegant wie Porträts von Indios in Peru oder von typischen Vertretern eines Handwerks.

Zum anderen zeigt das Met bis 4. September die außergewöhnlichen Entwürfe der japanischen Modedesignerin Rei Kawakubo für Comme des Garçons. 140 Beispiele führen in natura vor, wie sie seit langem konventionelle Vorstellungen von Chic durch dramatische Drapierungen, Wülste oder künstliche Volumina ersetzt hat.

Immer lohnt außerdem die Dachterrasse des Museums einen Besuch. Die Kunstinstallationen wechseln sich jeden Sommer ab, permanent hingegen ist der wunderbare Blick auf den Central Park und die Skyline Manhattans.

Skulpturen von Gelatin, zu sehen bis 4. August in New York.
Foto: Michael Freund

Genug Hochkultur an der Fifth Avenue? In Chelsea, direkt an der Highline, liegt die Greene Naftali Gallery, und die hat gerade bis 4. August die Gruppe Gelatin als Gast. Die vier aus Österreich sind dem New Yorker Publikum vertraut, waren sie doch schon mehrere Male mit Installationen und Performances präsent – zur Freude auch der heimischen Künstler, mit denen sie einmal an "blinden Skulpturen" kooperierten. Diesmal allerdings brachten sie ihre bereits fertigen Tonplastiken mit, und die haben es im Wortsinn in sich, nämlich als Ergebnisse recht intimer Bearbeitungen. Dass die Künstler nicht nur "einfach gerne tun, was uns Spaß macht, egal was die anderen dabei denken", zeigt sich an den genau durchdachten und sehr individuellen Podesten für die Plastiken. Gefertigt hat diese Gelatin aus allem, was bei der Hand war, von Plexiglas über Gips und Stahlrohr bis zu Bugholzstühlen – womit wir wieder bei der Jahrhundertwende wären. (Michael Freund, 18.7.2017)