Kaiser Maximilian I. begründete den Wiener Neustädter Föhrenwald, der bis heute die Landschaft der Region prägt. Waldgenetiker suchen nun nach Arten, die resistent gegen den Pilzbefall sind.

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St. Egyden am Steinfeld – Insekten surren in der heißen Luft, Spinnweben glitzern in der Sonne. Rundherum stehen wie vergessene Ruinen Baumstämme, kahl und vertrocknet. Nur wenige kurze Ästlein hoch oben scheinen Widerstand zu leisten gegen den Verfall. Die Baumkronen sind so gut wie nicht mehr vorhanden, die Sonne dringt direkt zum Boden vor, wo zwischen Haufen abgeschnittener Zweige kleine Sträucher und Büsche wuchern. Eine typische Waldatmosphäre mit einer Mischung aus schattiger Frische und dem erdigen Duft feuchter Böden mag sich ganz und gar nicht einstellen.

Flächen wie diese breiten sich epidemisch aus im Schwarzkiefernwald im Steinfeld, einer ohnehin trockenen Ebene zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen. Auf etwa 3500 Hektar steht hier eine riesige Armee an Föhren, wie die Schwarzkiefern (oder Pinus nigra) auch genannt werden, mit kerzengeraden, schlanken Stämmen und ausladenden Ästen – sofern sie gesund sind. Denn die rostroten Flecken zwischen den an sich immergrünen Nadeln sind nicht zu übersehen, an den Waldrändern klaffen Lücken mit immer ausgedünnteren Baumbeständen.

Noch unverholzte Triebe werden als erstes befallen.
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Verantwortlich dafür ist das Absterben junger Triebe, was wiederum der Pilz Diplodia sapinea verursacht. Der Pilz breitete sich ab den 1960er-Jahren vom mediterranen Raum Richtung Norden aus, verursachte aber zunächst keine Schäden. "Der Pilz kann auch in gesunden Trieben vorkommen. Erst in Zusammenhang mit Trockenstress ruft er Erkrankungen hervor", sagt Erhard Halmschlager, Forstpathologe von der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku). Extrem heiße und trockene Sommer, wie zuletzt 2013 und 2015, haben zu einer massiven Ausbreitung der Krankheit geführt. "Der Pilz ist ein Klimawandelgewinner und jetzt fest etabliert hier", sagt Halmschlager.

Langlebige Pilzsporen

Die größte Infektionsgefahr besteht bei warmen Temperaturen und hoher Luftfeuchte. Dann geben die Fruchtkörper des Pilzes ihre Sporen ab und verbreiten sich durch Wind und Regentröpfchen. Dringen sie in unverholzte Triebe und zarte Nadeln ein, wird das Wachstum gestoppt, die Nadeln verfärben sich braun. "Es gibt eine Chance auf Regeneration, ist aber die Baumkrone betroffen, führt das zum Absterben ganzer Bäume", sagt Halmschlager.

Weil betroffene Triebe und Zapfen immer weiter Sporen abgeben und der Pilz auch in totem Holz mehrere Jahre weiterlebt, ist die Infektion von Jungpflanzen, die traditionell unter dem Schirm des "Altbaumes" heranwachsen, nicht aufzuhalten. Je mehr Bäume absterben, desto trockener wird das Mikroklima im Wald – und desto schwieriger können sich die Föhren gegen den Befall wehren.

Die Sporen von Diplodia sapinea können Jahre im Holz überdauern.
Halmschlager

Um das rasante Kiefernsterben, das durch den Klimawandel befeuert wird, einzudämmen, hat die Leader-Region Niederösterreich-Süd mit Unterstützung des Umweltministeriums ein Projekt gestartet, in dem die Problematik wissenschaftlich untersucht wird. Daraus resultieren sollen Handlungsempfehlungen für Gemeinden und die zahlreichen Waldbesitzer – um zu retten, was noch zu retten ist. Schließlich prägen die markanten Föhren das Landschaftsbild maßgeblich, nicht nur in der Ebene, sondern auch auf den umliegenden Bergen wie Schneeberg und Hohe Wand.

"Die Schwarzkiefer hat hier, am nordöstlichen Rand der Alpen, ihre nördlichste Verbreitung", sagt Silvio Schüler vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW). Mehr als 800 Jahre alte autochthone Arten lassen vermuten, dass die Baumart schon die letzte Eiszeit überdauert haben könnte. Der Wiener Neustädter Föhrenwald wurde im frühen 16. Jahrhundert von Kaiser Maximilian I. begründet – und nicht erst, wie landläufig verbreitet, von Maria Theresia. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gab es allerdings immer wieder Aufforstungswellen. "Dabei wurde Saatgut aus dem Gebiet der gesamten Monarchie bezogen", berichtet Schüler.

Genetische Spurensuche

Anhand von genetischen Analysen untersuchten Schüler und sein Kollege Jan-Peter George das Erbgut von rund 800 Schwarzkiefern aus insgesamt 40 Populationen – sowohl anhand von heimischen Proben als auch von solchen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet, das von Nordafrika über Korsika und den Balkan bis zur Krim reicht. Das Ergebnis: Der überwiegende Teil stammt vom Alpen-Ostrand, ein Viertel kommt aus Regionen außerhalb Österreichs, vor allem aus Istrien.

Die schwarzen Punkte auf dem Zapfen sind Fruchtkörper des Pilzes.
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"Auffällig ist, dass auf kleinstem Raum genetisch unterschiedliche Bäume stehen, die auch unterschiedlich stark vom Pilz befallen sind", sagt George. Nun wollen die Forscher herausfinden, welche Arten am resistentesten gegen Trockenheit und Pilzinfektionen sind. Zusätzlich haben Experten des BFW in einer Pilotstudie Flugdrohnen über die Baumkronen geschickt: Mit einer hochauflösenden Digitalkamera und Infrarotaufnahmen können das Ausmaß des Befalls und die verschiedenen Krankheitsstadien großflächig erfasst werden.

Ziel ist es, aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse Konzepte zu entwickeln, auf welchen Standorten die Föhren erhalten werden können, wo sie gefällt und wo sie mit Laubbäumen durchmischt werden müssen, "um den Druck wegzunehmen", wie Eduard Hochbichler vom Boku-Institut für Waldbau erklärt. Langfristig sei eine Überführung in gesunde Mischwälder unumgänglich.

Ohne nachhaltige Bewirtschaftung könnte der Wald seine Funktion als Klimaregulator, als Schutz vor Verwehungen und nicht zuletzt als Wirtschaftsfaktor und Erholungsraum verlieren, warnt Leopold Lindebner, Forstinspektor von Neunkirchen. "Wenn wir nicht auf Tuchfühlung gehen mit dem Problem, werden wir verlieren." (Karin Krichmayr, 20.7.2017)