Aufenthalt gegen Geld: Orbán und Außenminister Szijjártó bemühen sich um gute Stimmung in China.

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In den letzten Monaten haben sich die Anzeichen gemehrt, wonach die sicherheitspolitischen Spannungen in Mittel- und Osteuropa weiter zugenommen haben. Untrügliches Zeichen dafür war der Putschversuch von Oktober 2016 in Montenegro, dessen Fäden bis nach Moskau reichten. Beabsichtigt wurde, den pro Nato eingestellten Ministerpräsidenten zu liquidieren.

Nach Angaben des montenegrinischen Sonderermittlers Milivoje Katnic soll der serbische Nationalist Aleksandar Sindelic bei den Vorbereitungen zu dem Putschversuch nach Moskau eingeladen worden sein. Moskaus Auftrag sei es gewesen, die Aufnahme Montenegros in die Nato zu verhindern.

Vor ein paar Tagen erschütterte die Region die Nachricht, ein Oberst des ukrainischen Geheimdienstes sei in Kiew am helllichten Tag durch eine Autobombe umgebracht worden. Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte mit, bei dem Toten handele es sich um Oberst Maksim Shapoval von der Hauptverwaltung des militärischen Abschirmdienstes. Seit dem Ausbruch der Kämpfe mit den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine hat sich die Zahl der Gewaltakte außerhalb der Konfliktzone erhöht.

Die Liquidierung des Obersts ist in der Ukraine schon das zweite Bombenattentat in wenigen Monaten. Ende März wurde ein Oberstleutnant des ukrainischen Geheimdienstes (SBU) in Mariupol ebenfalls durch eine Autobombe getötet. Im vergangenen Jahr machte in Kiew eine Bombe mit einem Journalisten aus Weißrussland kurzen Prozess. Auch der tschetschenische Separatistenführer Jandarbijew wurde auf diese Art umgebracht.

Nein, das geschieht nicht in Aleppo, Istanbul oder Bagdad, sondern in der Ukraine. Mark Galeotti, Experte für internationale Kriminalität und russische Sicherheitspolitik bei der Initiative for the Study of Emerging Threats (New York University), meinte, dass der russische Staat diese "Vorgehensweise" direkt von der Unterwelt übernommen habe.

Die "Öffnung nach Osten" seitens der Orbán-Regierung hat das Sicherheitsrisiko in der Region noch weiter erhöht. Dabei hat Ungarn auch mit Ländern engere wirtschaftliche und politische Beziehungen geknüpft, in denen nicht die Maßstäbe der zivilisierten Welt gelten. Zwielichtige Oligarchen aus Saudi-Arabien und Jordanien waren von einem Tag zum anderen in der unmittelbaren Umgebung von Viktor Orbán aufgetaucht. Budapest hatte 2013 seine Tore – unter größtem Sicherheitsrisiko – durch den Verkauf von Staatsanleihen mit EU-Aufenthaltstitel für Reiche aus Nahost geöffnet.

Im Oktober 2016 stellte sich heraus, dass ein rechtmäßig verurteilter russischer Staatsbürger mit einem in der Karibik ausgestellten Leumundszeugnis ungarische Staatsanleihen mit EU-Aufenthaltstitel erwerben konnte.

In anderen Ländern, falls es dort so etwas überhaupt gibt, wird der Verkauf solcher Staatsanleihen direkt durch den Staat abgewickelt. Im Fall Ungarns wurde dies an Offshore-Firmen für horrende Vermittlungsgebühren übertragen. Statt über Ausschreibungen hatte der Wirtschaftsausschuss der Regierung die Auswahl der Firmen selbst vorgenommen.

Seit Beginn der Aktion haben die regierungsnahen Firmen mit Sitz auf den Cayman Islands, in Liechtenstein, Zypern, Singapur und Malta für die Vermittlung um die 330 Mio. Euro kassiert.

Kürzlich wurde bekannt, dass im April bei einer der "Vermittlerfirmen" namens Arton Capital in Budapest eingebrochen wurde. Neben 1,9 Millionen Euro in bar (!) wurde auch der Server mit den Daten der Anleihen, die zur freien Bewegung in der EU berechtigen, entwendet. Kein Zufall war, dass die ungarische Polizei auf politischen Druck in dem Fall mit außerordentlich großem Apparat in Aktion trat. So wurden mehr als tausend Zeugen vernommen.

Die Umstände des Einbruchs lassen auf einen ausländischen Geheimdienst als Täter schließen, denn der wahre Zweck war die Beschaffung der Daten. Die Entwendung des Geldes diente nur als Tarnmanöver. Dass die Besitzerin der Firma Arton Capital mit Staatsminister Antal Rogán eine langjährige Beziehung pflegt, bedeutet, dass sowohl die arabischen Milliardäre als auch der Staatsminister erpressbar geworden sind.

Jetzt, da der Wahlkampf in Ungarn für die Parlamentswahlen April 2018 anläuft, ist all das wohl höchst beunruhigend. (Csaba Káncz, 18.7.2017)