Marketing oder Mission? Richard Lugner, mittlerweile 84, nimmt angesichts sinkender Umsätze neu Anlauf gegen die Sonntagsruhe.

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Wien – Richard Lugner will es doch noch einmal wissen. Er sei ja kein Don Quijote, der gegen Windmühlen kämpfe, ließ der Einkaufszentrenbesitzer 2015 wissen und zog nach Jahrzehnten des unermüdlichen Kampfes für die Sonntagsöffnung öffentlichkeitswirksam den Schlussstrich unter die Liberalisierung der Wiener Ladenöffnung.

Nun legt der 84-Jährige angesichts von fünf Kameras und sieben Mikrofonen auf der Bühne seines Kinos eine Kehrtwende ein.

Der Umsatz seines Einkaufscenters sinkt, räumt der Unternehmer ein. Im Vorjahr büßte er drei Prozent ein. Auch heuer sehe es nicht gut aus. Lugner gibt die Schuld daran vor allem dem wachsenden Onlinehandel, der stationären Geschäften an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr Erlöse abspenstig mache. Und er sieht auch nicht von seinen üblichen Seitenhieben auf Rewe und Spar ab, die an Tankstellen und Bahnhöfen die Sonntagsruhe umschiffen.

Zweimal schon hat ihn der Verfassungsgerichtshof abblitzen lassen, als er ein Recht für einen verkaufsoffenen Sonntag für sämtliche Händler des Landes einforderte. Auch Appelle an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte blieben ungehört.

Viele glücklose Anwälte

Den Hebel, den er jetzt anpackt, führt zu Wiens Landeshauptmann – sprich: zu Bürgermeister Michael Häupl. Dieser kann über eine Ausnahmeregelung eine entsprechende Verordnung erlassen, die der Lugner City mit ihren 115 Mietern die Türen für einen Sonntagsverkauf öffnet. Die Liste an Anwälten, die Lugner erfolglos als juristische Speerspitze dienten, ist lang. Jetzt versucht Michael Rohregger sein Glück, er ist der Vizepräsident der Wiener Rechtsanwaltskammer.

Warum ein neuerlicher Anlauf? "Die Welt ändert sich", sagt Rohregger. "Wir wollen auch keine flächendeckende Öffnung am Sonntag, sondern eine gezielte." Kurzum: eine Lex Lugner. Konkret geht es um einen Sonntag im Monat, an dem Lugner sein Center zwischen 13 und 18 Uhr aufsperren will.

Was rechtfertigt aus juristischer Sicht den besonderen regionalen Bedarf? Bei der Lugner City handle es sich um ein Event- wie Freizeitcenter, sie werde zudem stark von Touristen frequentiert. Eine Konstellation, die natürlich auf einige Händler zutreffe, wie Rohregger betont. Er stellt sich darauf ein, eine Ablehnung des Bescheids anzufechten. "Veränderungen benötigen oft mehrere Anläufe. Jetzt ist die Zeit einfach reif dafür."

Warum schmeißt Lugner noch Geld in die Sache? In erster Linie wohl aus Marketinggründen, meinen andere Händler. Der Werbeeffekt derartiger Aktionen sei unbestritten hoch. "Ich bin halt ein Einzelkämpfer. In der Türkei würden sie mich wahrscheinlich einsperren", sinniert hingegen Lugner.

Wie stehen die Chancen, dass sein Anlauf gegen die Sonntagsruhe gelingt? Praktisch bei null, ist aus der Politik zu hören – auch von den Neos, die sich seit langem für mehr Liberalisierung im Handel einsetzen. Erst jüngst wieder erteilte die Stadtregierung dem Ansinnen eine harte Abfuhr. Häupl machte dafür stets eine Einigung der Sozialpartner zur Bedingung.

"Eine Lex Lugner, eine singuläre Ausnahme – das kann's nicht sein. Das ist rechtlich nicht haltbar", sagt Wiens Handelsobmann Rainer Trefelik dem STANDARD. Trefelik, der auf eine Tourismuszone in der Innenstadt pocht, die den Händlern größeren zeitlichen Spielraum erlaubt, hofft dennoch, dass wieder Bewegung in die Debatte kommt. "Wir drehen uns ja hier seit zwei Jahren im Kreis."

Neues Gehaltssystem steht

Eine Basis, um mit der Gewerkschaft über den Sonntag wieder ins Gespräch zu kommen, könnte aus seiner Sicht in der Reform des Kollektivvertrags des Handels liegen. Mehr als drei Jahre lang rangen die Sozialpartner darum. Nun ist das neue Gehaltssystem, das Berufseinsteigern mehr Geld bringen soll, in trockenen Tüchern. Kommende Woche wird es vorgelegt. (Verena Kainrath, 18.7.2017)