Die Dingle Halbinsel: eine spektakuläre Landschaft, übersät mit keltischen und frühchristlichen Denkmälern, Ringforts, Ruinen und Hochkreuzen

Foto: Michael Marek

Great Blasket von der Dingle Halbinsel aus gesehen

Foto: Fáilte Ireland

Heute kann man Great Blasket wieder besuchen und in einem restaurierten Haus übernachten. Ohne Strom und Internetverbindung.

Foto: Fáilte Ireland

Dingle Bay, an der irischen Westküste: Die Sarah Ellie – eine Mischung aus Fischerboot und Ausflugsdampfer – ist im Hafen von Dingle gestartet. Paul Flannery steht im Ruderhaus. Der 52-jährige Skipper nimmt Kurs auf das offene Meer. In der Ferne erscheint ein zerklüftetes und baumloses, aber grünes Eiland. Great Blasket, erklärt Flannery. Die wohl berühmteste Geisterinsel Irlands ist mehr als fünf Kilometer lang und einen Kilometer breit. Nur ein paar Grundmauern verlassener Höfe stehen noch. "Viele berühmte Schriftsteller und Künstler kommen von den Blaskets", sagt Flannery.

Einer von ihnen war der Fischer, Bauer und Dichter Tomás O'Crohan: "Den Festlandbewohnern, die hinüber zur Insel schauen, erscheint die Insel winzig im Vergleich zu dem ungeheuer großen Meer. Die Inselbewohner hatten eine andere Perspektive: Sie blickten auf das Festland und hatten den größten Teil ihres Lebens das offene Meer in ihrem Rücken. Das ist eine Sichtweise, die gleichzeitig Gefühle von Nähe und Trennung hervorruft."

Einfachste Mittel

Die Blasket-Inseln sind seit mehr als 60 Jahren menschenleer und verlassen. Bis dahin lebten ihre Bewohner fünf Kilometer vom Festland entfernt, aber die führten in eine andere Welt: unter einfachsten Bedingungen, ohne Strom und ohne fließend Wasser, auf einer Insel, wo es keine Läden und keine Handwerker gab, von Stürmen gebeutelt und vom Hungertod bedroht. "Pure hardship", schlichte Not, nennt das Flannery.

Mit einfachsten Mitteln schafften die Insulaner es, dem fruchtbaren Eiland genügend abzutrotzen, um zu überleben. 1915 lebten etwa 180 Menschen "in" den Blaskets. Sie pflegten ihre Sprache und ihre Geschichten. Sie sprachen ein reines Alt-Irisch, das von den Briten verboten war. Und sie erzählten so gut, dass Gelehrte vom Festland kamen und sie anspornten, ihre Geschichte so aufzuschreiben, wie sie auch mündlich über ihre Inselwelt erzählen würden. Zu den berühmtesten Werken der Blasket-Bewohner zählt Die Boote fahren nicht mehr aus von O'Crohan.

Auf eigenen Beinen

Dáithí de Mórdha ist Wissenschafter am Ionad an Bhlascaoid Mhóir, dem Blasket Centre im kleinen Örtchen Dunquin. Er ist überzeugt, dass die Inselbewohner "unsere irische Kultur ganz wesentlich beeinflusst haben". Und genau das zeigen er und seine Mitarbeiter im Blasket Centre: "Wir sind kein Museum, in dem alles hinter Glaskästen versteckt ist. Uns geht es darum zu fragen: Was kann man in unserer globalisierten Welt von den Blaskets lernen? Ich würde sagen: Es schadet nicht, auf eigenen Beinen zu stehen."

Aber was machte diese Menschen und diese Inseln so besonders, dass man ihnen ein Museum widmet? Es ist die Qualität ihrer Erzählungen, die Intensität und atmosphärische Dichte ihrer Texte, erklärt Dáithí de Mórdha: "Es waren vor allem Sprachwissenschafter und Anthropologen, die die Blaskets entdeckten." Sie wollten die irische Sprache als identitätsstiftendes, nationales Kulturgut für künftige Generationen bewahren. Denn die Abgeschiedenheit der Insel sorgte dafür, dass sich dort die archaische Lebensweise und alte Traditionen länger hielten als anderswo in Irland. Hier wurde das schönste Gälisch in ganz Irland gesprochen, resümiert de Mórdha: "Sie hatten diesen Reichtum – in ihrer Sprache, in ihren Geschichten, ihren Liedern, Legenden und Märchen. Doch viele konnten weder lesen noch schreiben, weil Irisch und Gälisch im britischen Bildungssystem verboten war. Also lernten sie, wieder Irisch zu schreiben. Und am Ende entstanden Werke, die zu Klassikern der irischen Literatur wurden."

Ohne Strom, ohne Internet

Als im 20. Jahrhundert der Fortschritt auf der entlegenen Dingle-Halbinsel Einzug hielt, schien in Blasket die Zeit stehengeblieben zu sein: Bis zum Ende gab es dort keine Elektrizität. Die letzten 21 Bewohner verließen am 17. November 1953 die grünen Felsbrocken im Atlantik. Es ist dieses Gefühl der Zeitlosigkeit, das jeden ergreift, der die Blaskets besucht. Was Menschen vor 100 Jahren sahen, sieht heute noch genauso aus. Eine Insel, an dem all der Wandel, den die Menschheit über den Planeten Erde gebracht hat, spurlos vorübergegangen ist.

Dennoch oder gerade deswegen: Die Insulaner haben ein Vermächtnis hinterlassen, das Wissenschafter erstaunt, die Iren stolz macht und die Gegenwartsliteratur inspiriert. Heute kann man auf Great Blasket in restaurierten Häusern Urlaub machen – ohne Strom und Internetverbindung. (Anja Steinbuch & Michael Marek, RONDO, 21.7.2017)