Nun ist als auch der Daimler-Konzern ins Visier der Abgasermittler geraten. Mehr als drei Millionen Mercedes-Benz-Pkws werden zum Software-Update in die Werkstätten zurückbeordert.

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Frankfurt – Daimler hat wegen drohender Fahrverbote für Dieselautos und Abgasbetrugsermittlungen eine massive Rückrufaktion angekündigt. Mehr als drei Millionen Mercedes mit Dieselmotoren sollen in Europa durch Nachrüstung weniger Stickoxid ausstoßen, teilte der deutsche Autobauer mit. Die "freiwillige Servicemaßnahme", wie Daimler den Rückruf nennt, soll rund 220 Millionen Euro kosten.

Die Kunden sollen nach Informationen des Handelsblatts nichts bezahlen. Daimler wolle damit das angeschlagene Vertrauen in Dieselautos wiederaufbauen.

"Die öffentliche Debatte um den Diesel sorgt für Verunsicherung", sagte Vorstandschef Dieter Zetsche. "Wir haben uns deshalb für weitere Maßnahmen entschieden, um den Dieselfahrern wieder Sicherheit zu geben und um das Vertrauen in die Antriebstechnologie zu stärken." Daimler hat bereits mit der 2016 vom deutschen Verkehrsminister Alexander Dobrindt verlangten Nachrüstung von 250.000 Kompaktwagen und Vans begonnen. Das Kraftfahrt-Bundesamt war bei Messungen auf Stickoxidwerte gestoßen, die mit technischen Gründen des Motorschutzes nicht erklärbar waren.

Illegale Abschalteinrichtung

Eine Manipulation, wie sie VW unter dem Druck der US-Umweltbehörden zugegeben hatte, hatte die deutsche Aufsicht Daimler nicht vorgeworfen. Diesem Vorwurf geht nun aber die Staatsanwaltschaft Stuttgart nach. Sie sicherte bei einer Großrazzia Beweise. In dem dafür ausgestellten Durchsuchungsbeschluss äußert sie den Verdacht, dass bei mehr als einer Million Diesel-Pkws von Mercedes-Benz eine illegale Abschalteinrichtung verbaut worden sei. Diese würde die Abgasreinigung auf dem Prüfstand ein- und auf der Straße teilweise wieder ausschalten. Dobrindt hatte Daimler-Manager unmittelbar danach zum Rapport bestellt. Dabei hat der Autobauer Betrugsvorwürfe zurückgewiesen.

Mit dem Rückruf reagiert Daimler auch auf Fahrverbote, die in Stuttgart und München angedroht worden sind, um jahrelange Verstöße gegen EU-Luftreinhaltevorschriften zu beenden. Daimler geht jetzt noch einen Schritt weiter als BMW und Audi, die sich gegenüber der bayerischen Landesregierung zur Nachrüstung etwa der Hälfte ihrer Dieselautos der Euro-fünf-Generation bereiterklärt haben. Mercedes werde fast alle Autos mit Euro fünf und der neuesten Norm Euro sechs per Softwareupdate sauberer machen, kündigte das Unternehmen an.

Briefchen vom Hersteller

Halter betroffener Fahrzeuge werden bei freiwilligen Rückrufaktionen üblicherweise vom Hersteller direkt angeschrieben und gebeten, sich mit ihrer Vertragswerkstätte wegen eines Termins in Verbindung zu setzen. Die Autos erhalten dann eine neue Software aufgespielt, die für niedrigere Stickoxidemissionen sorgen soll. Die Umrüstung dürfte sich wegen der Menge an betroffenen Fahrzeugen bis weit in das kommende Jahr hineinziehen.

Ob die Fahrzeuge nach dem Eingriff möglicherweise mehr Kraftstoff verbrauchen, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Messungen des deutschen Autofahrerklubs ADAC an umgerüsteten VW-Fahrzeugen haben allerdings einen erhöhten Kraftstoffverbrauch ergeben.

Betroffen vom aktuellen Rückruf bei Daimler sind zwei Turbodiesel-Modellfamilien, die intern mit OM (für Öl-Motor) abgekürzt werden: der OM 642, ein V6-Turbodiesel mit drei Liter Hubraum und der Vierzylinder OM 651 mit 1,8 oder 2,1 Liter Hubraum.

Daimler steht zum Diesel

Daimler hält jedoch am Diesel fest. Der Selbstzünder bleibe wegen seiner niedrigen Kohlendioxidwerte fester Bestandteil des Programms. Der Sportwagenbauer Porsche denkt unterdessen darüber nach, ab Mitte des kommenden Jahrzehnts keine Dieselmotoren mehr in seinen SUVs und Limousinen einzusetzen. Die Branche will auf Initiative der deutschen Regierung am 2. August beraten, wie Fahrverbote durch eine Nachrüstaktion vermieden werden könnten. Diese müsste aber den gleichen dämpfenden Effekt auf die Schadstoffe haben wie die zeitweise Verbannung von Dieselautos aus Innenstädten. Außerdem ist noch offen, ob es mit einer Softwarelösung getan ist oder ob auch Motoren umgebaut werden müssen. (Reuters, dpa, red, 19.7.2017)