Die deutsche Justiz prüft die Vorschläge der Autoindustrie zur Erreichung des neuen Luftreinhalteplans in Stuttgart.

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Stuttgart – Im Streit um mögliche Fahrverbote für Dieselautos in Stuttgart hat die Justiz Zweifel an Nachrüstungen älterer Fahrzeuge als Alternative angedeutet. In Berlin laufen unterdessen die Vorbereitungen für einen bundesweiten "Diesel-Gipfel" Anfang August, der Lösungen diskutieren soll.

Der zuständige Richter Wolfgang Kern erklärte am gestrigen Mittwoch beim ersten Verhandlungstermin am Verwaltungsgericht, die Berechnungen des Landes Baden-Württemberg zur Frage, wie rasch welche Dieselmodelle von den Autoherstellern nachgebessert werden könnten, und wie weit sich die Schadstoffe dabei reduzieren ließen, sei "von maximalem Optimismus getragen".

Hälfte der Diesel nachzurüsten

In Stuttgart werden mögliche Fahrverbote besonders kontrovers diskutiert, weil diese Maßnahme dort bereits für Phasen hoher Schadstoffbelastung geplant war. Inzwischen setzt die Landesregierung aber auf Nachrüstungen der Autokonzerne.

Experten gehen davon aus, dass 50 Prozent der Diesel, die bisher nur die Abgasnorm Euro 5 erreichen, auf Euro 6 nachgerüstet werden müssten, um die Wirkung der angedachten Fahrverbote zu erreichen. Weitere Annahme: Durch Nachrüstung lasse sich der Schadstoff um 50 Prozent reduzieren.

Entscheidung des Gerichts Ende Juli

Die Machbarkeit beruhe auf Angaben der Autoindustrie. Am Ende stehe am besonders belasteten Neckartor jedoch nur eine Reduzierung der Schadstoffe um neun Prozent, ließ sich das Gericht vorrechnen.

Das Verwaltungsgericht war infolge einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen einen neuen Luftreinhalteplan aktiv geworden. Dieser soll vom 1. Jänner 2018 in Stuttgart gelten. Seit mindestens sieben Jahren werden dort die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) zum Teil um das Doppelte übertroffen. Seine Entscheidung will das Gericht am 28. Juli verkünden.

Andere Städte erwägen Fahrverbote

Die DUH sieht allein in Diesel-Fahrverboten ein wirksames Mittel gegen Luftverschmutzung. Aus Sicht des Landes soll man dagegen erst abwarten, ob die von der Autoindustrie angekündigten Nachrüstungen älterer Diesel eine ähnliche Wirkung für die Luftreinhaltung haben, sagten seine Vertreter bei der Verhandlung. Dies wolle man im Jahr 2018 prüfen. Reicht es nicht, kämen die Fahrverbote wieder ins Spiel.

Auch in anderen Städten wie München ist die Debatte um Dieselverbote ein Thema. In der bayerischen Landeshauptstadt hatte unter anderem Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) die Maßnahme ins Spiel gebracht. Die Landesregierung will aber auch hier zunächst auf alternative Mittel wie effektive Nachrüstungen der Autos setzen.

Diesel-Gipfel in Berlin geplant

Einig sind sich beide Seiten in Stuttgart darin, dass die Einführung einer blauen Plakette, mit der ältere Dieselautos aus Umweltzonen ausgesperrt werden könnten, die weitaus beste Maßnahme zur Luftreinhaltung wäre. Jedoch müsste da der Bund tätig werden.

Beim Berliner "Diesel-Gipfel sollen am 2. August mit mehreren betroffenen Bundesländern und der Autobranche konkrete Schritte für einen geringeren Schadstoffausstoß festgelegt werden. Von den Herstellern würden Angaben dazu erwartet, welche Modelle der Emissionsklassen Euro 5 und Euro 6 mit einer neuen Software optimiert werden könnten, teilte das Bundesverkehrsministerium am Mittwoch mit.

Die jüngste Ankündigung von Daimler für Nachbesserungen bei mehr als drei Millionen Wagen zeige, dass Bewegung in das Thema komme. "Ziel ist, Fahrverbote zu vermeiden", betonte ein Sprecher des Umweltministeriums, das Mit-Gastgeber des Treffens ist. (APA / dpa, 20.7.2017)