Marco Rose hat vor, in Salzburg jeden einzelnen Spieler (noch) besser zu machen.

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STANDARD: Am 16. August erscheint das Buch "111 Gründe, Red Bull Salzburg zu lieben". Das wäre etwas ausufernd, aber könnten Sie ein paar Gründe nennen?

Rose: Schwierig, denn Liebe ist ein großes Wort. Ich kann nur sagen, dass ich mich nach viereinhalb Jahren sehr mit meinem Verein identifizieren kann. Weil ich weiß, dass nachhaltige Arbeit geleistet wird. In vielen Bereichen, speziell im Nachwuchs. Seitens des Sponsors wird auch einiges abseits des Fußballs getan, man hilft sozial schwachen Menschen.

STANDARD: Spricht irgendetwas gegen den fünften Meistertitel in Serie? Ihre Kollegen von den anderen neun Vereinen erklären Salzburg unisono zum Top-Favoriten.

Rose: Ich nehme das wahr, es ist kein Problem für mich. Weil wir selbst den Anspruch haben. Dagegen spricht, dass wir 36 Spieltage absolvieren müssen, an denen sehr viel passieren kann. Schon der Auftakt am Samstag in Wolfsberg ist kein Spaziergang.

STANDARD: Das Budget wurde gekürzt, dennoch wurden die ersten Pflichtspiele in der Quali zur Champions League und im Cup souverän absolviert. Sie kennen die Mannschaft seit ein paar Wochen, was zeichnet sie aus?

Rose: Die Pflichtspiele brachten in der Tat eine Form von Erleichterung. Aber es sind nur Momentaufnahmen. Ich habe einen guten Eindruck von der Mannschaft. Sie ist willig und bereit zu arbeiten. Die Spieler gehen vorbildlich und respektvoll miteinander um, sie hören zu, stellen Fragen, nehmen neue Sachen an, setzen sie um. Obwohl sie ja sehr erfolgreich waren. Es war für mich einfach reinzufinden. Das gibt dir als Trainer ein positives Gefühl.

STANDARD: Salzburg entwickelt nicht nur die Kicker selbst, sondern offenbar auch die Trainer. Ist das ein Zukunftsmodell für den globalen Fußball?

Rose: Es gibt mittlerweile viele Vereine, die das so machen, das ist nicht unsere Erfindung. Grundlage ist immer eine einheitliche Gesamtidee, vom Nachwuchs bis hin zur Kampfmannschaft. Leistet man in diesem Konzept gute Arbeit, egal auf welcher Stufe, sind Karrieren wie meine durchaus möglich.

STANDARD: Hypothetische Frage: Wären Sie ohne Gewinn der Youth League auch Nachfolger von Óscar García geworden?

Rose: Das ist wirklich hypothetisch. Aber der Titel hat den Verantwortlichen die Entscheidung sicher leichter gemacht.

STANDARD: Sind Sie Óscar García dankbar, dass er nach Frankreich zu Saint-Étienne gewechselt ist?

Rose: Ich schätze Óscar, seine Arbeit, sehr. Ich fand ihn als Typ extrem angenehm. Alles andere sind Dinge, die ich nicht beeinflussen konnte und wollte. Ich wünsche ihm alles Gute. Durch seinen Abgang habe ich die Möglichkeit bekommen, in Salzburg den nächsten Schritt zu machen. Ich will diese Chance nützen.

STANDARD: Ihre Trainerphilosophie? Wie definieren Sie Erfolg?

Rose: Es ist wichtig, dass wir alle wissen, dass wir nur als Team erfolgreich sein können. Und mir muss immer klar sein, dass ich mit Menschen zusammenarbeite und dementsprechend Kommunikation pflege. Wie wollen schönen, guten, attraktiven Fußball praktizieren, das sind breit gefächerte Begriffe. Agieren, Druck ausüben, Tempo ins Spiel bringen, das sind die Wesenszüge. Erfolg misst sich natürlich in erster Linie an Ergebnissen. Wir Trainer müssen uns aber auch Teilziele setzen, im Idealfall sollten wir aus jedem Einzelnen einen besseren Fußballer machen.

STANDARD: Österreich ist aufgrund seiner Kleinheit ein Ausbildungsland, Salzburg demnach ein Ausbildungsverein, allerdings auf höherem Niveau. Muss man die eigenen Ambitionen hintanstellen? Oder fällt es Ihnen als gebürtigem Leipziger leichter, den Partnerklub in Deutschland permanent zu beliefern? Konrad Laimer ist nur das jüngste Beispiel.

Rose: Ich identifiziere mich mit der Aufgabe in Österreich, um das andere kümmere ich mich nicht so sehr, das ergibt sich. Wir wollen Talente ausbilden und sie so lange wie möglich halten. Wir wollen den Standort Österreich und den Verein Red Bull Salzburg zu einer interessanten Adresse machen. Will einer weg und den nächsten Schritt setzen, redet man darüber. Meine Tochter freut sich übrigens sehr, dass in Leipzig Champions League gespielt wird.

STANDARD: Berühmte Vorgänger wie Giovanni Trapattoni oder Huub Stevens sind am Unternehmen Champions-League-Gruppenphase gescheitert. Mit bekannteren Spielern, mit höheren Budgets. Würden Sie das im zehnten Anlauf schaffen, wäre das dann der 112. Grund, Salzburg zu lieben?

Rose: Möglich. Wir sollten die ganze Nummer Champions League mit großer Lust angehen und weniger eine Last daraus machen. Wir sollten uns auf jedes Spiel freuen, mit aller Macht versuchen, Runde für Runde zu überstehen, Rijeka ist ein harter Brocken. Erreicht man dann vielleicht das Ziel, sind alle sehr, sehr glücklich. Warum sollte es uns nicht gelingen? Hat man hohe Ansprüche, kann natürlich auch der Fall eintreten, dass man scheitert. Damit beschäftigen wir uns jetzt nicht, das wäre verrückt. Wie gesagt: Die Lust ist größer als die Last. (Christian Hackl, 21.7.2017)