Ein Anschlag nahe Rafah kostete zahlreiche Menschenleben.

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Als "neues Kapitel in einem Heldenepos" beschrieben große Teile der ägyptischen Presse die Ereignisse südlich von Rafah am 7. Juli: Damals hatte die ägyptische Armee 40 Extremisten getötet. Dieses "Heldenepos" war eine Reaktion auf einen der blutigsten Anschläge in dieser Region, bei dem etwa zwei Dutzend Soldaten und Offiziere ums Leben gekommen waren. Der Überfall auf einen Militär-Checkpoint mit einem Dutzend SUVs, mit Sprengstoff, schweren Waffen und mindestens 100 Jihadisten war einer der professionellsten und aufwendigsten in dem seit Jahren schwelenden Konflikt am Nordsinai – und ein Beleg dafür, dass die Jihadisten immer noch über genügend finanzielle und organisatorische Mittel verfügen, um komplexe Operationen durchzuführen.

Er war auch ein Beweis dafür, dass dort Extremisten mit guten Ortskenntnissen aktiv sind und dass die durch das Militär zuletzt intensivierte Kooperation mit den lokalen Beduinenstämmen die Erkenntnislücken nicht vollkommen schließen konnte. Und offensichtlich gibt es immer noch Rückhalt für Jihadisten in der lokalen Bevölkerung. Experten nennen neue Rekrutierungen vor Ort, Hilfe aus dem Gazastreifen oder Rückkehrer aus Syrien und dem Irak als mögliche Gründe für dieses kräftige Lebenszeichen.

In einer neuen, offiziellen Analyse, wie sie vom ägyptischen Staatlichen Informationsservice (SIS) verbreitet wurde, wird unterstrichen, dass die Attacken generell zurückgegangen seien. Im ersten Halbjahr 2017 seien demnach auf dem Sinai sechs und landesweit 25 Terroroperationen gezählt worden, während es 2015 noch 130 bzw. 400 gewesen seien. Unklar bleibt die Definition, was als Anschlag gewertet wurde.

Ein Blick in die lokalen Medien genügt, um an den aktuellen Angaben zum Sinai zu zweifeln, wo regelmäßig entsprechende Nachrichten zu lesen sind, wie etwa vor wenigen Tagen wieder: "Fünf Polizisten durch Explosion einer Sprengfalle getötet."

Auch, so heißt es in dem Bericht, sei es mithilfe der seit der 1. Juli 2015 laufenden Militärkampagne gelungen, das Operationsgebiet der Terroristen auf 30 bis 50 Quadratkilometer zu minimieren. Die Versuche, etwa eines lokalen IS-Ablegers, Teile des Nordsinai zu kontrollieren, seien damit gescheitert. Den Angriff vom 7. Juli wertete das SIS deshalb nicht als Versuch, Land zu erobern, sondern als kollektiven Selbstmord, um einen moralischen Sieg für sich zu reklamieren und um die Aufmerksamkeit von den Niederlagen des IS in Mossul und Bengazi abzulenken.

Seit Jahrzehnten Krieg

Im Nordsinai tobt seit Jahrzehnten ein Kleinkrieg zwischen dem Staat und islamistischen Extremisten. Mit der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder im Sommer 2013 haben Jihadisten ihren Rachefeldzug gegen Polizei und Militär intensiviert. Die Armee ist mit vielen Tausend Mann in der zum Sperrgebiet erklärten Region präsent und betont immer wieder, die Terrororganisationen seien inzwischen massiv geschwächt.

Nach dem jüngsten kräftigen Lebenszeichen haben mehrere Militärexperten aber ein noch radikaleres Vorgehen angeregt: eine Politik der verbrannten Erde, also die vorübergehende Evakuierung aller Einwohner, um die Jihadisten endgültig zu besiegen. Hunderte Christen mussten die Region in den vergangenen Monaten bereits verlassen, weil sie das Ziel von Mordanschlägen und Übergriffen des IS geworden waren. (Astrid Frefel aus Kairo, 21.7.2017)