Brisbane – Wann die ersten Menschen Australien erreichten, ist nach wie vor umstritten. Aus bisherige Funden schlossen Wissenschafter, dass dies vor etwa 47.000 bis 60.000 Jahren geschehen sein dürfte. Nun aber präsentierte eine internationale Gruppe von Forscher neue und neu datierte Fundstücke aus Nordaustralien, die auf einen bedeutend früheren Zeitpunkt hinweisen.

Der älteste bekannte Ort in Australien, an dem sich bisher Spuren menschlicher Aktivität fanden, liegt in Madjedbebe nahe dem Kakadu National Park im westlichen Teil Nordaustraliens. Bereits 1973 wurden in dem Felsunterstand bedeutende Funde gemacht. 1989 folgten weitere Untersuchungen, die unter anderem zahlreiche Steinwerkzeuge ans Licht brachten.

Der Felsunterstand von Madjedbebe. Hier fand man die bislang ältesten Artefakte Australiens.
Foto: APA/AFP/GUNDJEIHMI ABORIGINAL CORPORATION 2015 / DOMINIC O'BRIEN

Bei der Datierung der geborgenen Fragmente von Äxten und Faustkeilen kamen die Wissenschafter auf ein Alter von 50.000 bis 60.000 Jahren – Ergebnisse, die allerdings immer wieder angezweifelt wurden, weil man die verwendeten Methoden für zu ungenau hielt.

Nun aber ist ein Team um Chris Clarkson von der University of Queensland in Brisbane bei aktuelleren Ausgrabungen in Madjedbebe in noch tiefer liegende Schichten vorgedrungen. Dabei legten sie weitere Steinwerkzeuge, Farbpigmente und sogar Überreste von Feuerstellen sowie Tier- und Pflanzenreste frei. Insgesamt bargen die Wissenschafter mehr als 10.000 Fundstücke aus der, wie sie glauben, allerersten Phase der Besiedelung dieses Felsunterstandes.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Forscher legten unter anderem dieses Fragment einer Steinaxt frei – das womöglich älteste derartige Artefakt der Welt.
Foto: Reuters/Chris Clarkson-Gundjeihmi Aboriginal Corporation

Wie alt diese Fundschicht ist, stellten Clarkson und seine Kollegen anhand modernsten Methoden fest – und das Ergebnis verblüffte die Archäologen: Die geborgenen Artefakte wurden vor rund 65.000 Jahren hergestellt und umfassen damit auch die weltweit ältesten Steinäxte mit bearbeiteter Klinge. Das alles legt den Schluss nahe, dass vom Indonesischen Archipel kommende Menschen zwischen 5.000 und 18.000 Jahre früher australischen Boden betraten als bislang vermutet.

Die im Fachjournal "Nature" präsentierte Studie lässt die Frühgeschichte dieser Region in völlig neuem Licht erscheinen. Die Resultate zeigen nicht nur, dass Homo sapiens auf seinem Weg nach Australien dem Homo floresiensis begegnet sein könnte. Die kleinwüchsige Menschenspezies, besser bekannt als "Hobbit", lebte bis vor etwa 50.000 Jahren auf der Insel Flores.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Funde des Teams um Chris Clarkson (hier links im Bild, gemeinsam mit Richard Fullagar und Elspeth Hayes) werfen ein völlig neues Licht auf die Frühgeschichte der Region.
Foto: Reuters/Dominic O'Brien-Gundjeihmi Aboriginal Corporation

Die Funde sprechen auch dafür, dass sich die ersten Australier den Kontinent noch einige Tausend Jahre lang mit der vor rund 40.000 Jahren ausgestorbenen Megafauna teilte. Ob der Mensch beim Verschwinden des Riesenwarans Megalania, des über 600 Kilogramm schweren Vogels Dromornis oder des größten bekannten Beuteltieres, Diprotodon, letztlich doch seine Hand im Spiel hatte, bleibt aber weiterhin ungewiss. (tberg, 20.7.2017)