Wien – Den Hintergrund des Prozesses gegen Ivana M. hat Wilhelm Busch schon vor 140 Jahren in seiner Knopptrilogie reimend beschrieben. "Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr. Ersteres wird gern geübt, weil es allgemein beliebt ... wenn die Kosten kommen, fühlet er sich angstbeklommen." Die 39-jährige Raumpflegerin, die sich wegen schwerer Erpressung vor einem Schöffensenat unter Vorsitz von Philipp Schnabel verantworten muss, soll von ihrem Liebhaber 200.000 Euro für die gemeinsamen Zwillinge gefordert haben, andernfalls würde sie der Frau des Mannes von der Affäre erzählen. 47.000 Euro soll er bezahlt haben.

"Glauben Sie mir, es wird Ihnen nicht fad sein", verspricht Verteidiger Mirsad Musliu in seinem Eröffnungsplädoyer dem Gericht. Und entwirft dann eine völlig andere Geschichte: Die Angelegenheit sei eine Intrige von Jugoslav N., der einfach keinen Unterhalt für seine beiden Kinder zahlen wolle. Er habe die Erpressungsvorwürfe auch erst im entsprechenden Verfahren vor dem Bezirksgericht geäußert.

Job für den Ehemann

Kennengelernt hat sich das Paar vor zehn Jahren, N. hatte dem Gatten der Angeklagten einen Job in seiner Firma besorgt. Die Freundschaft wurde körper- und außerehelich. Im Jahr 2010 wurde die Unbescholtene schwanger.

"Ich habe gedacht, dass die Kinder von meinem Mann sind", erzählt M. dem Senat. "Im April 2014 ist mir aufgefallen, dass sie ihm nicht wirklich ähnlich sehen." Sie habe ihre Affäre angerufen, im Mai 2014 machte man einen DNA-Test, der die Vaterschaft bestätigte. Im Juni 2014 eröffnete M. ihrem Ex-Mann – die Ehe wurde im März 2012 geschieden –, dass er keinen Unterhalt mehr bezahlen müsse, da die Zwillinge nicht von ihm seien.

Die Angeklagte sagt, Herr N. habe eingewilligt zu zahlen, 1.500 Euro sind auf ihr Konto geflossen. "Er hat mir versprochen, im August 2014, wenn er aus dem Urlaub zurück ist, zum Standesamt zu gehen und die Kinder anzuerkennen." Das machte er nicht, es kam auch kein Geld mehr. M. schaltete das Gericht ein.

Zeuge erkennt Vaterschaft nicht an

Beim angeblichen Opfer gestaltet sich schon die Überprüfung der Generalien unterhaltsam. "Sie haben zwei gemeinsame Kinder?", fragt der Vorsitzende. N. zuckt mit den Schultern. "Laut DNA-Test." – "Sogar laut zwei DNA-Tests", weist ihn Schnabel darauf hin, dass im Unterhaltsverfahren ein weiterer durchgeführt wurde. "Da ist die Wahrscheinlichkeit schon sehr groß, dass Sie ein Aussageverweigerungsrecht haben", kann sich der Richter ein Lächeln nicht verkneifen.

Der 44-jährige Zeuge behauptet, nur 2010 mit der Angeklagten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Drei Jahre später, im September oder Oktober 2013, habe sie ihn angerufen und gesagt, die Kinder seien von ihm. 500 Euro habe er ihr damals gegeben, sie habe immer mehr verlangt. Über 45.000 Euro habe er sich ausgeborgt und ihr in bar übergeben, behauptet er. Zeugen gibt es dafür nicht.

Schwester der Gehörnten als Zeugin

Dafür angeblich für die 200.000-Euro-Forderung. Die soll im Juni 2014 bei einem Telefonat gefallen sein, das die Schwägerin des Zeugen mitgehört hat, wie sie beteuert. Was seltsam anmutet: Auch von dieser Schwester seiner Ehefrau soll sich N. 5.000 bis 6.000 Euro ausgeborgt und sie in sein Dilemma eingeweiht haben. Was auf eine ziemlich große Vertrauensbasis hinweist und Verteidiger Musliu zum Verdacht bewegt, es könnte sich auch um eine Gefälligkeitsaussage handeln.

Musliu legt auch ein Schreiben von N. an das Jugendamt vor. Es enthält einen ausgefüllten Fruchtbarkeitskalender. "Wie kommt es zu diesem Fruchtbarkeitskalender, und wie kommt der jetzt in meinen Akt?", ist der Vorsitzende verwirrt. Die Erklärung: N. hat nachgerechnet und wollte nachweisen, dass M. ihm das Kind "angehängt" habe und genau an ihren fruchtbaren Tagen Sex mit ihm hatte. "Da brauch ich ja keinen Kalender! Das sieht man ja daran, dass die Kinder da sind, dass sie fruchtbar gewesen ist", wundert sich Schnabel unter Gelächter des Publikums.

Die Geschichte der Angeklagten erscheint dem Gericht schlüssiger, es fällt einen nicht rechtskräftigen Freispruch. Herr N. lebt mittlerweile übrigens getrennt und zahlt für ein eheliches Kind. (Michael Möseneder, 21.7.2017)