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Der französische Präsident Emmanuel Macron und US Präsident Donald Trump repräsentieren einen neuen Typus in der Politik: den Über-Politiker

Foto: REUTERS/Christophe Archambault/Pool

Ein Vogel! Ein Flugzeug! Nein, es ist ein Über-Politiker. Aber anders als im Comic ist es unwahrscheinlich, dass der Über-Politiker die Welt rettet, wenn er an die Macht kommt.

Diese Art Politiker sind ein relativ neues Phänomen, eines, das die Politik im Westen neu aufstellt. Heute sind zwei größtenteils sehr unterschiedliche Präsidenten, Emmanuel Macron in Frankreich und Donald Trump in den USA, die prominentesten Vertreter dieses neuen Typus.

Über die Ochsentour

Noch vor einigen Jahrzehnten mussten demokratische Politiker Stufe um Stufe die Wahlleiter hinaufklettern. Auf dem Weg nach oben erlernten sie die Grundlagen der Politik, Reden halten und wie man eine funktionierende Mehrheit erzielt. In den USA bedeutete das, dass so gut wie alle Präsidenten entweder bereits Abgeordnete im Kongress oder Gouverneur eines Bundesstaats gewesen waren. Die einzige Ausnahme war Dwight Eisenhower, dessen Erfahrung als General den Mangel an politischer Erfahrung wettmachte.

In Europa kletterten die französischen Politiker die parlamentarische Leiter in der Vierten Republik hinauf und konnten in der Fünften auf die Präsidentschaft hoffen. Deutsche Politiker sind seit dem Zweiten Weltkrieg durch die politischen Strukturen von Bund und Ländern zu Macht gekommen. In Italien mussten Politiker der Nachkriegszeit durch das byzantinische Labyrinth finden, das die jetzt nicht mehr existierenden Christdemokraten geschaffen hatten. Sogar in Russland sind sie durch die Reihen von Parteien oder staatlichen Hierarchien aufgestiegen.

Natürlich hatten die politischen Parteien immer ihre Talentscouts, die nach Personen mit außergewöhnlichem Führungspotenzial Ausschau hielten. Aber sogar jemand wie der britische Premier John Major, der auf der Überholspur an die Macht kam, war ein junger Sozialminister, Außenminister und Finanzminister, bevor er Premierminister wurde. Das alles änderte sich zuerst unter Tony Blair. Blair war Abgeordneter im Parlament gewesen und auch innenpolitischer Sprecher der Labour-Partei. Aber nach dem unerwarteten Tod seines Mentors, des gewieften Politikers und Vorsitzenden der Labour-Partei John Smith, wurde er an die Spitze katapultiert als wäre es sein gottgegebenes Recht. In der jüngeren Vergangenheit saß David Cameron nur eine Legislaturperiode im Unterhaus, bevor er zum Vorsitzenden der Konservativen gewählt wurde.

In den USA war Trumps Vorgänger Barack Obama auch ein Politiker auf der Überholspur. 2004 hielt der relativ unbekannte Senator aus Illinois eine fesselnde Rede auf dem Parteitag der Demokraten – vier Jahre später war er im Weißen Haus. Bei Trump wurden bei der Rakete nach oben alle Zusatztriebwerke zugeschaltet. Der ehemalige Reality-TV-Moderator und Immobilienmagnat mit Hang zur Selbstdarstellung ist jetzt Präsident des mächtigsten Landes der Welt und löste bei den Republikanern ein Schleudertrauma aus.

Der ähnlichste Präzedenzfall für Trump ist möglicherweise der ehemalige italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der Medienmogul war, bevor er beschloss, sich die Auflösung des Parteiensystems der Nachkriegszeit zunutze zu machen, um seine eigene politische Bewegung zu gründen. Ein weiterer italienischer Über-Politiker, Matteo Renzi, hatte auch einen kometenhaften politischen Aufstieg. Er wurde Premier, ohne je Abgeordneter im Parlament gewesen zu sein, ein Staatsamt bekleidet oder eine politische Koalition gebildet zu haben.

Unideologisch

Und schließlich Macron, ein ehemaliger Banker und (nur kurz) Wirtschaftsminister, der sich vor den gerade abgehaltenen Wahlen nie in den Niederungen demokratischer Politik aufgehalten hatte. Ohne die Unterstützung einer etablierten Partei verwandelte er sich innerhalb von Monaten von einem relativ Unbekannten zum Präsidenten der Republik.

Über-Politiker sind weder einer bestimmten Ideologie zuzuordnen noch kultivieren sie ein bestimmtes Auftreten. Und in jedem Einzelfall haben bestimmte Faktoren zum Aufstieg beigetragen. Cameron wurde von Finanzinteressen gestützt, deren Träger entschlossen waren, die Konservative Partei auferstehen zu lassen. Trumps Erfahrung als Geschäftsmann und sein Außenseiterstatus machten ihn bei der Wählerschicht der neuen Besitzlosen beliebt.

Gemeinsame Merkmale

Aber dennoch haben diese Politiker einige gemeinsame Merkmale, allen voran die Nutzung der neuen Medien. Vor dem 20. Jahrhundert waren Spitzenpolitiker unnahbar und suchten nur selten den direkten Kontakt zu den Massen. Dann kam das Zeitalter von Rednern wie David Lloyd George und Ramsay MacDonald, die direkt zu vielen Menschen sprachen. Mithilfe des Mikrofons taten dies später auch Adolf Hitler und Winston Churchill.

Mit dem Aufkommen des Fernsehens wurde eine persönlichere und unaufdringlichere Präsentation notwendig – John F. Kennedy verstand dies bis zur Perfektion. Dies trug mehr als zuvor dazu bei, dass der öffentliche Diskurs schnell übernommen werden konnte und schneller ins Bewusstsein der Menschen drang. Blair und Cameron waren vielleicht keine großen Redner, aber sie wussten, wie sie sich im Fernsehen darstellen mussten. Obama vermischte rednerisches Geschick mit einer entspannten, TV-optimierten Persona.

Was Trump an rhetorischen Fähigkeiten fehlt, macht er durch seine Gabe, seine Zuhörer zu manipulieren, wett. Twitter ist dabei sein bevorzugtes Medium, um mit den Massen zu kommunizieren. Renzi und Macron sind Meister des knappen Spruchs.

Natürlich bedarf es einiger Anstrengung, sich im Fernsehen richtig darzustellen. Trump hofierte Rupert Murdoch, wie auch Blair und, in geringerem Ausmaß, Cameron. Macron pflegte gewissenhaft französische Medieninteressen. Berlusconis eigene Unternehmen dominierten die italienische Medienlandschaft.

Aber es gibt noch eine weitere, viel beunruhigendere Gemeinsamkeit der Über-Politiker: Sie neigen zu Bruchlandungen, größtenteils aufgrund ihres Mangels an politischen Fähigkeiten. Blair konnte seine neokonservativen Prinzipien nicht mit denen seiner Partei vereinbaren, eine Situation, die sich zuspitzte, als er den von den USA angeführten Krieg im Irak auf so katastrophale Weise unterstützte. Camerons verzweifelter Versuch, Wähler zu gewinnen, brachte ihn dazu, ein Referendum über den Verbleib des UK in der EU durchzuführen, dessen Ergebnis ihn dann dazu zwang zurückzutreten.

Auch Renzis politische Karriere stürzte in ähnlicher Weise ab: Indem er sein politisches Schicksal von einem Referendum über dringend nötige Verfassungsreformen abhängig machte, wurde daraus eine Bewertung seiner Regierung. Trumps Ahnungslosigkeit ist seit Tag eins offensichtlich, es untergräbt das Vertrauen der Verbündeten der USA und hindert die Republikaner daran, ihre Agenda durchzusetzen.

Die Frage, die sich jetzt stellt, ist, ob Macron, der jetzt auch eine unangreifbare Mehrheit in der französischen Nationalversammlung besitzt, dieses Muster brechen kann oder ob er einen weiteren Beweis dafür liefert, dass Erfahrung um Umgang mit Medien kein Ersatz für Erfahrung in den Schützengräben der Politik ist. Aus dem Englischen: E. Göllner. Copyright: Project Syndicate. (Robert Harvey, 21.7.2017)