Mitteilung über Michael Jeannées Klage und der Kommentar von "Österreich" in der Sonntagsausgabe vom 16. Juli.

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Es soll in diesem Lande Menschen geben, die sich von einem Prozess gegen Karl-Heinz Grasser etwas erwarten, ja Optimisten darunter glauben sogar, dass er stattfinden könnte. Dabei wurde erst dieser Tage die Unwahrscheinlichkeit einer solchen juristischen Konstellation aufs Neue bekräftigt. Früher hingegen dürfte es zu einem Verfahren kommen, in dem es wirklich um etwas geht und wozu sich die beiden Parteien Sonntag im Sinne einer sauberen Presse in Österreich positionierten. Wie gar nicht anders möglich – in "Österreich".

Dort fanden sich auf Seite 20 zwei Kästen, in deren einem Michael Jeannée gemäß § 8a Absatz 5 Mediengesetz die Mitnehmer und Mitnehmerinnen von "Österreich" über etwas informierte, was sie seit dem 4. Juni aus ihrem Blatt gewusst haben dürften, nämlich dass es sich bei ihm um einen "übelsten Kolumnisten-Schuft", "Besoffenen", ja "stockbesoffenen Promille-Schreiber" sowie eine "Sudelfeder" handle, die sich, wenig überraschend, an "dreckigen Fantasien" labe. Ob als zusätzliche Belastung eher denn als Milderungsgrund wurde ferner angeführt, Michael Jeannée würde seine Tätigkeit als Kolumnist in stark alkoholisiertem Zustand verrichten.

Weichere Züge neben Pilz

Ein beigefügtes Foto zeigte Jeannée beim Konsum einer – hoffentlich guten – Zigarre und in einem Zustand, der Berauschung nicht ausschloss, ohne die verursachende Substanz näher zu definieren. Dazu zwei Feststellungen. Erstens: Es kursieren in der heimischen Medienwelt von Jeannée seit längerem nur Fotos, die in romantischen Gemütern die Assoziation "Clochard" wecken mögen, wozu nur die Zigarre nicht passt. Zusammen mit Hund und Peter Pilz abgelichtet, schleicht sich ein weicherer Zug in sein Antlitz, aber noch immer weit entfernt von der Schönheit etwa eines Claus Pándi. Da sollte man einmal redaktionell nacharbeiten.

Zweitens: Der Vorwurf, Jeannée würde seine Tätigkeit als Kolumnist in stark alkoholisiertem Zustand verrichten, ist vor jedem Gerichtsverfahren nichtig. Auch der Presserat setzt sich ausschließlich mit dem Inhalt von Beiträgen auseinander, unabhängig vom Inhalt des Beiträgers. Das Schreiben von Kolumnen ist nicht dasselbe wie das Lenken eines Automobils. Und so oft auch Jeannées Arbeit als Sudel-Kolumnist Gegenstand einer Untersuchung vor dem Presserat war – Alkoholisierung floss dort nicht einmal als Milderungsgrund in dessen Sprüche ein.

Eben das will "Österreich" aber nicht einsehen. Im zweiten Kasten mit dem Titel Das sagt Österreich – Jeannée vor Gericht: Wie alkoholisiert ist er? beschuldigt "Österreich" Jeannée, der wolle vor Gericht feststellen lassen, ob er ein "Sudel-Kolumnist" ist und seine Kolumnen wirklich alkoholisiert verfasst. Und in freier Beweiswürdigung: Dabei wird ein Fakt wichtig sein: Jeannée wurde (nach der Arbeit) der Führerschein abgenommen – wegen Alkoholisierung.

Die Leistung als Sudler

Zur Entlastung Jeannées als "Sudel-Kolumnist" sei hier betont, dass ihm der Führerschein eben nach der Arbeit abgenommen wurde, womit klar ist, dass eine eventuelle Alkoholisierung seine Leistung als Autolenker, aber nicht seine Leistung als Sudler beeinträchtigen konnte, jedenfalls nicht in dem Maße zwingend, wie "Österreich" das sehen will.

Es soll Journalisten geben, die in selbstverschuldeter Nüchternheit Interviews verfassen, die sie nie geführt haben, die aus einer Zweiwortspende tiefsinnige Dialoge destillieren und damit den Beweis dafür liefern, dass Sudeln nicht ohne weiteres mit Alkoholisierung in Zusammenhang gebracht werden, sondern seinen Grund auch ganz einfach in Sensationshascherei haben kann.

Die moralische Entrüstung, die "Österreich" antreibt, kommt daher, dass Jeannée das Blatt beschuldigt hat, mit einer von höchstem Mitgefühl geprägten Story über den "bewegenden Abschied" von Alois Mock eine "noch nie dagewesene Geschmacklosigkeit" begangen zu haben. Diesem Urteil kann man sich insofern anschließen, als Geschmacklosigkeit bei "Österreich" als Blattlinie gelten kann, und wenn man dort zu einer von höchstem Mitgefühl geprägten Story ausholt, ist "noch nie dagewesene Geschmacklosigkeit" praktisch die Zielvorgabe, weil Geschäftsgrundlage.

Man kann nur hoffen, dass ein künftiger Kanzleramtsminister diesen richtungsweisenden Rechtsstreit bis zum bitteren Ende aufmerksam verfolgt und unter Würdigung aller Umstände in seine Konstruktion der Presseförderung einfließen lässt. (Günter Traxler, 22.7.2017)