Wien – Bei einer europaweiten Aktion gegen Menschenhandel sind 107 Personen festgenommen worden, fünf davon in Österreich. Zwölf Frauen wurden hierzulande befreit, die gegen ihren Willen in erster Linie im Rotlichtmilieu arbeiteten. In 22 Ländern wurden 910 potenzielle Opfer von Menschenhändlern identifiziert, gaben die Ermittler bekannt.

Österreichweit waren 123 Beamte im Einsatz, berichtete das Bundeskriminalamt am Montag. Vom 26. bis 30. Juni wurden in Österreich 172 Örtlichkeiten, hauptsächlich in der Rotlichtszene, 597 Prostituierte und 171 Personen aus dem "Milieu" kontrolliert. In anderen Ländern lief die Aktion bis 2. Juli. Europaweit wurden dabei laut Europol 126.927 Personen, 6.363 Fahrzeuge und 4.245 Räumlichkeiten überprüft.

Frauen "extrem eingeschüchtert"

"Die in Österreich befreiten Opfer stammen aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Nigeria", sagte Kriminalamtssprecher Vincenz Kriegs-Au. Laut Oberst Gerald Tatzgern sind die Frauen zwischen 18 und 40 Jahre alt. "Sie waren zwar nicht eingesperrt, aber extrem eingeschüchtert und den Ausbeutern hörig", so Tatzgern. "Ihr Lebensraum war sehr eingeengt, teilweise kannten sie nicht einmal den Supermarkt um die Ecke."

Neben den fünf in Österreich festgenommenen Bulgaren und Türken wurden auch 74 Personen angezeigt. Durchsucht wurden 82 Bordelle, vier Hotels, 26 Wohnungen beziehungsweise Prostituierten-Unterkünfte, vier Tabledance-Lokale und eine Escortagentur. Kontrollen gab es auch auf dem Straßenstrich. Die Zahl der Opfer könnte sich noch erhöhen, zusätzliche Ermittlungen müssen klären, ob weitere Personen unfreiwillig ihrer Betätigung nachgingen.

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An der Schwerpunktaktion nahmen 22 Mitgliedstaaten der European Multidisciplinary Platform Against Criminal Threats teil. In Österreich koordinierten Kriminalisten des Joint Operational Office des Bundeskriminalamts die Maßnahmen. Zusätzlich unterstützten die Ermittlungen in Kärnten zwei Kolleginnen aus Rumänien, jene in Wien zwei ungarische Beamte. In Tirol und Vorarlberg nahmen auch Mitarbeiter des Finanzministeriums an den Kontrollen teil.

Ausbeutung im Vordergrund

Anders als bei der Schlepperei steht beim Menschenhandel die Ausbeutung im Vordergrund. Dazu gehören neben der sexuellen Ausbeutung wie im aktuellen Fall auch die Ausbeutung der Arbeitskraft und Organentnahme, aber auch Ausbeutung zur Bettelei und zur Begehung von Straftaten. Menschenhandel ist eine besonders schwerwiegende Verletzung der Menschenwürde.

Laut Schätzungen internationaler Organisationen gibt es weltweit 30 Millionen versklavte Menschen. Opfer sind meist die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, vor allem Frauen und Kinder. Die Täter nutzen dabei die Armut oder Arbeitslosigkeit ihrer Opfer aus: Sie versprechen eine gut bezahlte Arbeit im Ausland und machen falsche Angaben über die Arbeitsbedingungen. Die Opfer stehen meist unter starkem Druck, entweder durch direkte Gewalt oder durch Drohungen gegen ihre Familie, oder sie haben Schulden bei ihren Schleppern und Ausbeutern. (APA, 24.7.2017)