Ein Detail am Portal der im 15. Jahrhundert errichteten Carmelo-Kirche in Nardò.

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In der Altstadt von Nardò findet man 28 Kirchen verschiedenster Stilrichtungen, der Barock dominiert.

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Mit Orten wie Porto Selvaggio hat die Umgebung von Nardò auch Badegästen etwas zu bieten.

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Bereits die Neandertaler wussten, wo man gut lebt. Vor 45.000 Jahren siedelten sie sich an der Küste in Süditalien im Salento an – keine zehn Kilometer von dem heutigen 30.000 Einwohner zählenden Städtchen Nardò. Viele ihrer Spuren wurden erst im vergangenen Jahrhundert entdeckt. Heute kann man durch einen Naturpark zu den Grotten wandern, in denen die Neandertaler hauptsächlich lebten.

Steueroase mit 200 Sonnentagen

Das aktuelle Nardò ist vielmehr Attraktion für Milliardäre aus der ganzen Welt. Nicht etwa, dass die Barockbauten, die 28 Kirchen verschiedenster Stilrichtungen oder das lokale Savoir-vivre ausschlaggebend für diese Anziehungskraft wären. Eher scheinen die vielen Spitzenweine und die exzellenten Fisch-, Pasta- und Gemüsegerichte einen gewissen Appeal zu besitzen. Auch die 200 Sonnentage im Jahr sollten nicht vergessen werden. Doch der wahre Grund, weshalb sich hier Topmanager des Luxuskonzerns Hermès ebenso wie Paolo Bestetti, Chef des Möbelkonzerns Baxter, oder Motorradrennfahrer Guy Martin ansiedeln: Italien hat sich zur Steueroase für Milliardäre entwickelt.

Vom Lockangebot des italienischen Fiskus, einer Pauschalbesteuerung für reiche Ausländer, die ihren Wohnsitz nach Italien transferieren, hat vor allem Süditalien und insbesondere Apulien profitiert. Hier sind noch außergewöhnliche Immobilien wie mittelalterliche Klöster oder Barockvillen zu haben. Diese zu luxuriösen Beherbergungsbetrieben umzubauen ist ein neues Geschäftsfeld geworden.

Der Tanz der Tarantel

Weit ab vom Massentourismus kann man in der entzückend altmodischen Stadt Nardò entspannen und die Ursprünglichkeit des Landes entdecken. Das Dolcefarniente in der Früh bei einem Eiskaffee mit Mandelmilch und Fruttone (ein mit Mandelkernen und Quittenmarmelade gefüllter Klassiker aus der Backstube) oder abends bei einem Glas Primitivo zu genießen gehört unbedingt dazu. Vor herrlicher Kulisse tut man das auf der zentralen Piazza Salandra. Wer Glück hat, erlebt dort eine Pizzica im Freien. Es handelt sich dabei um den für Nardò typischen Tarantella-Tanz.

Vermutlich wird man nicht alle 28 Kirchen besuchen, doch ein wenig sollte man die kunsthistorische Bandbreite, die von der Gotik über die Siena-Schule bis zum Barock und Rokoko reicht, schon auskosten.

Unaufdringlich freundlich

Das lange Zeit im Schatten der salentinischen Ostküste gestandene Nardò erlebt derzeit ein Revival. Das Barockstädtchen hat alles, was man von einem Urlaub in Süditalien erwarten darf: Freundlichkeit ohne Aufdringlichkeit, Kultur, wo man geht und steht, und mit der Schola Sarmenti sogar eine Kellerei, deren Weine begeistern. Der Besuch lohnt sich auch, weil die Geschäftsführerin der Schola Sarmenti in Deutschland aufgewachsen ist und demnach auf Deutsch über die Region erzählen kann.

Herrscher wie Friedrich II., Kirchenfürsten und Herzöge haben Nardò ihren Stempel über die Jahrhunderte aufgedrückt. Doch auch die jüngere Geschichte der Gegend ist interessant: Zwischen 1943 und 1945 haben die Alliierten tausende Gefangene aus Konzentrationslagern befreit und in der anliegenden Ortschaft Santa Maria al Bagno Wohnraum zur Verfügung gestellt.

Museum der Erinnerung

Das lokale Museum der Erinnerung dokumentiert diese Jahre mit zionistischen Wandbildern, vielen Dankesschreiben und Fotografien. Unter den Befreiten war auch die Wienerin Getrude Goetz, deren Dankesbrief an die Gemeinde sich ebenfalls im Museum befindet.

Wer aufs Baden im Urlaub keinesfalls verzichten will, hat es um Nardò übrigens auch nicht schwer: In den nahegelegenen Orten San Isidoro, Porto Selvaggio, Santa Caterina und eben in Santa Maria al Bagno bietet sich Gelegenheit dazu. Ein roter Shuttlebus verbindet Nardò effizient mit diesen Badeorten. (Thesy Kness-Bastaroli, 25.7.2017)