Mit einem imaginären Freund an der Seite verbringen viele Kinder ihre Zeit. Gibt es den auch bei Ihrem Kind?

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Das Kind spielt allein im Zimmer und führt eine Unterhaltung, als wäre ein Freund dabei. Der Tisch wird gedeckt, ein Sessel und ein Gedeck mehr werden benötigt, denn der unsichtbare Kamerad des Kindes wird beim Essen dabei sein. Er wird behandelt, als wäre er real. Der Begleiter, der sich im Kopf des Kindes manifestiert, ist fast immer mit dabei. Mit ihm wird gespielt, geredet und gelacht.

Wer ein kleines Kind zu Hause hat, kennt dieses Verhalten vielleicht. Imaginäre Gefährten begleiten ungefähr zwei Drittel der Drei- bis Siebenjährigen und haben auch meist dasselbe Geschlecht und Alter wie das Kindes, so die Kinderpsychologin Tina Rossmann. Wesentlich ist auch, dass das Kind die Kontrolle über diese Fantasie behält, gleichberechtigt ist und der Freund positiv besetzt ist, also keine Ängste auslöst, im Gegensatz zu einer Psychose. Generell rät die Kinderpsychologin einen unbesorgten und positiven Umgang mit den imaginären Freunden.

DER STANDARD: Was sind die psychologischen Gründe für imaginäre Freunde? Sind sie Katalysator für etwas?

Tina Rossmann: Früher dachte man, dass es verwahrloste oder stark vereinsamte Kinder wären, die sich solche unsichtbaren Gefährten zulegten. Heute sieht man das anders. Man geht sogar davon aus, dass diese Kinder eine höhere soziale Kompetenz haben als andere, mehr Sprachgefühl, Fantasie – und sie über diesen kreativen Weg lernen, ihre eigenen Gefühle zu regulieren. Es gibt Hinweise, dass Kinder, welche über imaginäre Gefährten verfügen, über kritische Lebensereignisse besser hinwegkommen als Kinder ohne. Interessant finde ich vor allem, dass sich erwachsene Menschen oft gar nicht an ihre imaginären Freunde erinnern können oder lediglich an den Namen, nicht aber an Details.

DER STANDARD: Können imaginäre Freunde bedenklich werden und eventuell Behandlungen notwendig machen? Gibt es Zusammenhänge zwischen psychischen Störungen und imaginären Freunden?

Rossmann: Handelt es sich wirklich um einen imaginären, gleichberechtigten, von Alter und Geschlecht dem Kind entsprechenden, positiv besetzten Freund, dann würde ich sagen: Nein. Lösen imaginäre Figuren Angst aus oder leiten angstbesetzte Handlungsimpulse an, führen zu Albträumen, dann ja. Aber in diesem Zusammenhang würde man nicht von Freunden sprechen. Damit ist nicht gleichzusetzen, wenn Kinder die eigenen, kleineren Handlungsverfehlungen dem imaginären Freund in die Schuhe schieben.

DER STANDARD: Wie sollen Eltern mit diesen Freunden umgehen?

Rossmann: Positiv! Und unbesorgt. Leider sind diese imaginären Gesellen immer noch mit vielen Vorurteilen behaftet und daher oft schambesetzt für Eltern. Das ist völlig unnötig und schade. Man darf schon auch mal den Tisch für so einen unsichtbaren Kerl mitdecken.

Der Kreativität bei der Namensgebung sind bei Fantasiefreunden keine Grenzen gesetzt, wie eine Twitter-Userin beweist:

Wie heißt der imaginäre Freund Ihres Kindes?

Wann macht sich der unsichtbare Kerl bemerkbar? Gibt es Situationen, in denen dieser Freund häufiger auftaucht? Was erzählt Ihr Kind über seinen Freund im Geiste? Finden Sie die Freundschaft manchmal unheimlich? (Judith Handlbauer, 6.9.2017)