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Vor allem im Böhmerwald im Dreieck zwischen Bayern, Österreich und Tschechien wurden Luchse erfolgreich wiederangesiedelt. Mithilfe von Fotofallen, Sendern und Genanalysen versuchten Forscher, der Population wieder auf die Beine zu helfen.

Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild

Wien / Haslach a. d. Mühl – Eigentlich sollten Luchse zu den beliebtesten Tieren der Welt gehören: Sie haben den Charme aller Katzen, sind scheu, schön anzuschauen und für den Menschen ungefährlich. Dass sie um 1900 herum trotzdem in West- und Südeuropa praktisch ausgerottet waren, lag in erster Linie an der damaligen Haltung jedwedem "Raubzeug" gegenüber. Dass sie es heute noch immer nicht schaffen, in ihre angestammten Lebensräume zurückzukehren, liegt hauptsächlich an einigen wenigen Unbelehrbaren.

In ganz Europa dürfte es noch 9000 bis 10.000 Luchse geben, die meisten davon in Skandinavien und Osteuropa. Kleinere Bestände in Mitteleuropa, wie etwa eine rund 130 Exemplare starke Population in den Schweizer Alpen, stammen allesamt aus Wiederansiedlungen, mit denen in vielen Ländern ab den 1970er-Jahren begonnen wurde.

Österreich profitierte diesbezüglich von den Bemühungen Tschechiens, das in den 1980er-Jahren auf seiner Seite des Böhmerwaldes 17 Luchse auswilderte. Da die Tiere ein großes Streifgebiet beanspruchen, sich aber nicht an Landesgrenzen halten, ist das bayerisch-tschechisch-österreichische Grenzgebiet, konkret das Mühl- und Waldviertel, bis heute das Areal mit den meisten Luchssichtungen hierzulande.

Video: Luchsin mit Jungen am Lockstock, Waldviertel 2017
Luchs Boehmerwaldnatur

Teilzeitluchse im Böhmerwald

Insgesamt wird die Böhmerwaldpopulation auf 60 bis 80 Tiere geschätzt, rund ein Viertel bis ein Drittel davon ist auch auf österreichischem Boden anzutreffen. Allerdings sind sie alle "Teilzeitluchse", die nur zeitweise auf österreichischem Gebiet anzutreffen sind, wie Thomas Engleder, Leiter des "Luchsprojekts Österreich Nordwest", betont. Im Jahr 2016 konnten mithilfe von Fotofallen 19 verschiedene erwachsene Luchse im Mühl- und Waldviertel bestätigt werden, darunter drei Weibchen mit insgesamt sechs Jungen.

Neben fallweisen Einzeltieren in den Alpen und drei im Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien ansässigen Luchsen gibt es die Art sonst nur noch im oberösterreichischen Nationalpark Kalkalpen. "Wir haben im Nationalpark derzeit fünf Luchse, von denen wir uns zwei mit dem Nationalpark Gesäuse teilen", führt Artenschutzkoordinator Christian Fuxjäger aus. 2011 und 2012 wurden drei Tiere aus der Schweiz angesiedelt, um den fragilen Bestand im Nationalpark Kalkalpen zu stützen. Das funktionierte anfangs gut: Es gab sogar Nachwuchs. 2015 war damit leider Schluss: Aufgrund zweier illegaler Abschüsse gab es keine Männchen mehr.

Das Jägerehepaar, das die beiden großen Katzen auf dem Gewissen hatte, wurde allerdings ausgeforscht und musste für sein verbotenes Jagdvergnügen jeweils 12.000 Euro Schadenersatz zahlen. Um den Verlust auszugleichen, wurden kürzlich zwei neue Luchse in den Kalkalpen angesiedelt. Jetzt hofft man wieder auf Nachwuchs.

Illegale Abschüsse sind denn auch das, was die Rückkehr des Luchses in Österreich am meisten behindert – bei den geringen Stückzahlen ist jedes getötete Tier ein Verlust, der schwer auszugleichen ist. Zudem mangelt es an einem bundesweiten Management: "Mit Ausnahme von Oberösterreich tun die Länder zu wenig für die Wiederansiedlung", ist Luchsbeauftragter Christian Pichler vom WWF überzeugt. Vor allem der Kampf gegen die illegale Jagd auf die pinselohrigen Katzen müsse verstärkt werden. Außerdem brauche es ein vernetztes Monitoring der Tiere.

Video: Luchsin Marylin mit zwei Jungen im Böhmerwald
Luchs Boehmerwaldnatur

Individuelles Fleckenmuster

Dieses erfolgt heute vorwiegend mittels Fotofallen. "Da jeder Luchs ein individuelles Fleckenmuster hat, kann man die einzelnen Tiere aufgrund ihrer Fotos gut unterscheiden – allerdings braucht man sowohl ein Foto der rechten als auch der linken Seite", führt Felix Knauer vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (Fiwi) der Veterinärmedizinischen Universität Wien aus.

Am Wiener Fiwi werden auch genetische Untersuchungen an Haaren und Speichelproben der Luchse durchgeführt. Dabei lassen sich unter anderem die Verwandtschaftsverhältnisse der Tiere untereinander feststellen oder auch, wie nah sie mit Luchsen aus der Schweiz oder Osteuropa verwandt sind. Letzteres ist vor allem für zukünftige Einbürgerungen neuer Luchse von Interesse, um Inzuchteffekte zu vermeiden.

Im Nationalpark Kalkalpen wurden einige Luchse außerdem mit Sendern ausgerüstet. Dabei zeigte sich, dass die Tiere im Vergleich zu Italien, Deutschland und der Schweiz in Österreich relativ große Reviere beanspruchen: 150 bis 300 Quadratkilometer für ein Männchen, 50 bis 200 für ein Weibchen. "Wahrscheinlich, weil sie bei uns keine innerartliche Konkurrenz haben", vermutet Christian Fuxjäger.

Konflikt mit Jägern

Der allgemein große Platzbedarf des Luchses kommt daher, dass er sich an seine Beute – gewöhnlich Rehe – anschleicht und sie blitzartig tötet. Bleibt er ungestört, kehrt er so lange zu seinem Riss zurück, bis dieser ganz aufgefressen ist. Das dauert meistens drei bis vier Tage. "Danach ist das Wild in diesem Teil des Waldes eine Zeit lang aufmerksamer, und da wechselt er gern in Jagdreviere, wo die Rehe naiver sind", wie Fuxjäger erklärt.

Dieses Verhalten des Luchses und seiner Beute ist es auch, das ihn mit manchen menschlichen Jägern in Konflikt bringt: Nicht nur sehen sich einzelne Jagdausübungsberechtigte durch die Jagdtätigkeit des Luchses um "ihre" Rehe betrogen, durch die größere Vorsicht des Wildes müssen sie oft auch mehr Zeit für einen erfolgreichen Abschuss investieren. Am zahlenmäßigen Schaden dürfte die vereinzelte Antipathie nicht liegen: Rund 270.000 in Österreich jährlich geschossenen Rehen steht ein Jahresbedarf von 50 Rehen pro erwachsenen Luchs gegenüber.

Zur Problematik der illegalen Abschüsse kommt, dass der Luchs, wie Thomas Engleder betont, "kein guter Kolonialisierer ist. Sobald ein zentrales Revier frei wird, kehrt ein abgewandertes Tier dorthin zurück". Und das passiert immer wieder – obwohl etablierte Tiere keinen Grund haben sollten, ihr Revier aufzugeben. So werden die Luchse im Wald- und Mühlviertel Engleders Erfahrung nach nicht älter als vier bis fünf Jahre. Und das, obwohl sie im Freiland bis zu 15 Jahre alt werden können. (Susanne Strnadl, 28.7.2017)