Die Choreografin und Tänzerin Amanda Piña wohnt und arbeitet in einem alten Zinshaus im 15. Bezirk. Hier verzichtet sie bewusst auf materiellen Luxus – einzig die Badewanne ist für sie nach einer Performance essenziell.

"Ich wohne seit drei Jahren in dieser 68 m² großen Mietwohnung im 15. Bezirk. Das Haus, ein altes Wiener Zinshaus, kenne ich aber schon viel länger. Vor sieben Jahren sind mein künstlerischer Partner Daniel Zimmermann und ich auf ein Inserat für das Geschäftslokal im Erdgeschoß gestoßen. Wir haben uns dort mit dem nadaLokal einen Ausstellungs- und Projektraum für zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt Performance geschaffen.

Die meisten Gegenstände in der Wohnung von Amanda Piña stammen aus Mexiko und Chile, wo ihre Eltern leben. Manche Möbel fand sie auch auf der Straße oder gratis online.
Foto: Lisi Specht

Daniel hat eine Wohnung im obersten Stockwerk angemietet und Kontakte mit dem kunstaffinen Hauseigentümer geknüpft. Als diese Wohnung frei wurde, habe ich es als Erste erfahren. Sie war allerdings in schlechtem Zustand und musste saniert werden. Mittlerweile ist das Haus wie eine Kommune, weil noch zwei weitere Kollegen aus dem nada-Lokal eingezogen sind. Ich komme aus Lateinamerika. Mir ist Geselligkeit sehr wichtig. Ich brauche den Austausch beim Wohnen und in der Kunst. Wir haben oft Künstler aus aller Welt zu Gast. Ich finde das inspirierend. Ich koche dann unten im Lokal, das für mich ebenfalls zu meinem Wohnraum zählt.

Anonym in der Großstadt? Ich würde das rein physisch nicht schaffen und davon krank werden. Aber ich brauche immer auch einen Raum, wo ich allein sein und neue Energien sammeln kann. Wir versuchen, die anderen Bewohner unseres Hauses in unser gemeinsames Leben miteinzubeziehen. Unsere 80-jährige Nachbarin zum Beispiel, die immer zu unseren Performances kommt. Mit den Nachbarn aus dem Erdgeschoß teilen wir uns den Innenhof. Sie sind kunstresistent, aber sehr nett.

Fotos: Lisi Specht

Die meisten Gegenstände in meiner Wohnung kommen aus Chile oder Mexiko: Mein Vater ist Mexikaner, meine Mama Chilenin. Den Küchentisch haben wir auf der Straße gefunden, die Küchenschränke gratis bekommen. Genau wie den alten Herd. Mein Lieblingsort in der Wohnung ist aber die Badewanne, weil ich nach meinen Performances oft Schmerzen habe.

Ich brauche nicht viel Luxus. Mein Luxus ist, dass ich diese Arbeit machen kann. Ich bin keine Marxistin, aber ich habe Marx schon früh gelesen und war inspiriert von seiner Kritik zum Kaufwarenfetischismus. Ich will nicht von der materiellen Welt abhängig sein. Mich interessieren transzendentale Fragen mehr, zum Beispiel: Wie lebt man, wie stirbt man?

Fotos: Lisi Specht

Ich trenne nicht zwischen Wohnen und Arbeiten. Ich arbeite unten im Studio und hier in der Wohnung. In meinem Kopf ist es nicht so ordentlich, darum bin ich in der Wohnung sehr auf Ordnung bedacht. Seit wir in dieses Grätzel gekommen sind, hat es sich sehr verändert. Früher gab es viel Leerstand. Aber mittlerweile hat die Gentrifizierung eingesetzt, und ich fühle mich fast ein bisschen schuldig. Ich hoffe, die Mieten werden nicht zu teuer. Aber es ist auch schön, dass das Viertel in den vergangenen Jahren so bunt geworden ist.

Natürlich habe ich einen Wohntraum: Ich sehne mich nach Erde. Das klingt vielleicht komisch, aber ich will auf der Erde leben – nicht auf einer Terrasse ohne Baum oder im künstlich angelegten Garten. Nein, ich will direkt auf der Erdoberfläche leben. Danach sehne ich mich. Ich würde gern einfacher wohnen, vielleicht in einem kleinen Dorf. Vielleicht in Mexiko, wenn ich älter bin. Meine Taufpatin hat in Tulum ein Palmenhaus. Das ist eine Bauform, die schon die Mayas kannten. In diesen Häusern braucht man keine Klimaanlage, Umwelt und Privates ist dort nicht so streng getrennt. Das finde ich sehr schön." (21.8.2017)