Der Almauftrieb ist offenbar keine Erfindung der Neuzeit. Schweizer Forscher fanden Hinweise darauf, dass bereits neolithische Bauern ihr Vieh während des Sommers in höhere Lagen brachten.

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Basel/Wien – In der jungsteinzeitlichen Siedlung "Arbon Bleiche 3" am südlichen Ufer des Bodensees praktizierten Bauern bereits vor rund 5.400 Jahren unterschiedliche Formen der Viehhaltung. Das haben Wissenschafter um Jörg Schibler und Claudia Gerling von der Universität Basel zusammen mit deutschen und britischen Kollegen herausgefunden.

Aus der chemischen Analyse von prähistorischen Rinderzähnen und -knochen von 25 Tieren konnten die Forscher schließen, dass die neolithischen Bauern gleich drei Strategien der Viehhaltung verfolgten. Ein Teil der Rinder wurde demnach ganzjährig in unmittelbarer Nähe der Siedlung gehalten, ein weiterer Teil graste dauerhaft auf entfernten Weiden.

Der dritte Teil der Herde wurde offenbar meist in Siedlungsnähe, aber für einige Monate im Jahr auf entfernteren Weiden gehalten, teilte die Uni Basel am Mittwoch mit. Die Forscher fanden zudem Hinweise darauf, dass diese Rinder die wärmere Jahreszeit in höheren Lagen verbrachten. Dies deute auf eine beginnende alpine Weidewirtschaft hin, schreiben die Wissenschafter im Fachjournal "PLoS One".

Soziale Unterschiede

Dass die Bauern der Siedlung am Bodenseeufer drei verschiedene Strategien parallel verfolgten, interpretierten die Forscher als Hinweis auf verschiedene soziale Gruppen, die sich auf unterschiedliche Formen der Rinderhaltung spezialisierten. "Es ist möglich, dass es bereits in der Jungsteinzeit unterschiedliche Zugangsrechte zu Weideflächen gab", sagten Gerling und Schibler. "Um dem zunehmenden Druck auf die lokale Landschaft auszuweichen, brachten die Menschen ihre Tiere in entfernter gelegene Weideregionen."

Das Dorf "Arbon Bleiche 3" war etwa 3300 vor unserer Zeitrechnung zwar nur 15 Jahre lang bewohnt, wie frühere Analysen gezeigt haben. Es gilt jedoch als einer der wichtigsten jungsteinzeitlichen Fundorte der Schweiz. Unter anderem, weil hier viele organische Materialien erhalten blieben, beispielsweise Bauhölzer. Diese ließen sich aufs Jahr genau datieren.

Noch frühere Hirten

Diese Ergebnisse decken sich mit einer Studie von Berner Forschern, die kürzlich berichteten, es habe wohl bereits vor 7.000 Jahren Almwirtschaft in der Schweiz gegeben. Sie hatten festgestellt, dass in der Zeit um 5000 vor unserer Zeitrechnung Hirten mit ihren Herden ins Berner Oberland kamen. Das schlossen sie unter anderem aus prähistorischen Funden vom Schnidejoch und aus Seesedimenten aus der Region.

3.000 Jahre alter Käse

Anzeichen für beginnende alpine Käseherstellung hatten andere Wissenschafter zudem auf rund 3.000 Jahre alten Tonscherben gefunden, die in historischen Stätten im heutigen Engadin entdeckt wurden. Aus dieser Zeit stammen auch einfache Steinbauten, die vermutlich von Hirten bewohnt wurden und auf eine zunehmende Nutzung von Bergweiden hindeuten. (APA, red, 28.7.2017)