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Den Ausverkauf von Saisonwaren gibt es im Einzelhandel schon lange. Nun preisen Händler in manchen Branchen zum Ärger von Konsumentenschützern rund um das Jahr einen Großteil des Sortiments als günstige Angebote an, die eine Kostenersparnis oft nur suggerieren.

Foto: dpa/Peter Steffen

Wien – "Jetzt nur 49 Euro statt 79 Euro" – in manchen Teilen des Einzelhandels schlendern Kunden allem Anschein nach durch ein Paradies für Schnäppchenjäger. Und das nicht nur während des saisonalen Abverkaufs, sondern durchgängig über das ganze Jahr. Kaum ein Produkt, über dem nicht ein Plakat einen womöglich nur vermeintlich günstigen Preis bewirbt und mit großen Ersparnissen die Kundschaft zu einem Impulskauf anregen will. Aber wie sollen Verbraucher mit diesen Statt-Preisen umgehen?

"Aus meiner Sicht ist das ein reines Marketinginstrument", betont Walter Hager vom Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die Motivation dahinter sei, Kunden zu Spontankäufen zu verleiten. Besonders verbreitet ist ihm zufolge das dauerhafte Werben mit ermäßigten Preisen im Sporthandel und bei Einrichtungshäusern. "Es ist auffällig, dass Möbelketten fast ausschließlich Statt-Preise anbieten", ergänzt der VKI-Experte. Er schätzt den Anteil an reduzierten Waren auf mehr als 80 Prozent des Sortiments.

Zudem kritisiert Hager, dass oftmals nicht klar gekennzeichnet sei, worauf sich die ausgeschilderten Statt-Preise beziehen würden. Dabei kann es sich ihm zufolge um unverbindliche Preisempfehlungen des Erzeugers handeln – diese sind oftmals auf dem Internetauftritt des Produzenten zu finden – oder auch um frühere Preise, zu denen das Produkt tatsächlich im Geschäft zu haben war.

Über den Anteil reduzierter Ware liegen Pressesprecherin Sonja Felber von Kika/Leiner wegen unterschiedlicher Geschäftskonzepte und Verkaufsflächen "keine validen Daten" vor. Preisaktionen hält sie für unumgänglich, um ausreichende Kundenfrequenz in die Möbelhäuser zu bekommen. Die Preisauszeichnung erfolge aber stets "sehr korrekt, um Kunden nicht zu verärgern".

Keine teuren Spontankäufe

Auf jeden Fall rät VKI-Experte Hager auch bei günstig wirkenden Angeboten zunächst zu einem Preisvergleich – was auch vor Ort erfolgen kann: "Wenn man mit einem Smartphone unterwegs ist, kann man auf einem Vergleichsportal wie Geizhals.at nachschauen, ob der Preis tatsächlich günstig ist." Was seiner Erfahrung nach trotz aggressiv beschilderter Preisnachlässe keineswegs immer der Fall ist, wie aktuell eine Erhebung für die August-Ausgabe des VKI-Magazins Konsument zeigt.

"Wenn man in Möbelhäusern mit offenen Augen durchgeht, sieht man permanente Aktionen auf der ganzen Fläche", sagt auch Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service & More und Garant Austria, einer Kooperation des mittelständischen Möbelhandels. Oft handelt es sich seiner Ansicht nach bei den Statt-Angaben um sogenannte "Mondpreise", also überhöhte Fantasiepreise, mit denen Kunden eine hohe Ersparnis vorgerechnet wird.

Diese Mondpreise kommen seiner Erfahrung nach auf zwei Wegen zustande: einerseits mittels durch "bemühte Hersteller" entsprechend gestalteter Preislisten sowie durch Eigenmarken. "Die Händler schützen sich damit vor Preisvergleichen."

Verständnis für Fehlentwicklung

Wimmer hält dieses Vorgehen zwar für unseriös und eine Fehlentwicklung, versteht aber, dass Handelsketten auf Großflächen fürchteten, Künden würden die Beendigung dieser Rabattpolitik schlecht aufnehmen. "Ich beneide Großflächen nicht darum, es ist schwer für sie, wieder herauszukommen", sagt Wimmer – und ergänzt: "Ich hoffe, dass der Konsument sich eines Besseren besinnt."

Welche Handhabe haben Konsumenten nach einem Kauf, wenn der Händler bei den Statt-Preisen gemogelt hat – etwa indem eine unverbindliche Preisempfehlung höher angegeben wurde als beim Hersteller auf der Homepage? Dann hält VKI-Experte Hager allenfalls eine Irrtumsanfechtung für denkbar, jedoch nur bei teureren Anschaffungen. Ansonst sieht er keine Möglichkeiten.

Etwas anders gelagert ist der Fall bei Bestpreisgarantien, wie der VKI-Experte weiter erläutert: "Eine Bestpreisgarantie ist grundsätzlich zu den vereinbarten Bedingungen rechtlich verbindlich." Kunden sollten sich Bedingungen wie Fristen oder Produktbezeichnungen genau ansehen. Und wenn der Kunde tatsächlich ein günstigeres Angebot ausmacht? "Im Normalfall verpflichtet sich der Händler, die Differenz zu erstatten, oder der Kunde kann kostenlos vom Vertrag zurücktreten." In der Praxis sieht Hager aber folgendes Problem: Bei aufwendigeren Produkten, etwa einer Küchenplanung, sei ein exakter Vergleich "nicht so einfach möglich".

Schutz vor Vergleichen

Eigenmarken und Exklusivprodukte sieht er ebenfalls als problematisch für Preisvergleiche, da diese Waren nur bei einer Kette gelistet sind. Einzige Möglichkeit, sich der "Preis-Leistungs-Relation" anzunähern, sieht Hager in einem Vergleich der verbauten Komponenten – etwa bei Sportgeräten wie Fahrrädern oder auch Computersystemen. Wobei der VKI-Experte, selbst davon überrascht, dem Elektrohandel hinsichtlich Statt-Preisen ein gutes Zeugnis ausstellt: "Dort funktioniert es im Großen und Ganzen."

Machen Preisverhandlungen aus seiner Sicht Sinn? "Unserer Erfahrung nach bei Möbelketten schon. Wenn es sich um etwas Größeres handelt, ist fast immer etwas drin." Über Rabatte für Barzahlungen sagt Hager jedoch: "Die gibt es gar nicht mehr." (Alexander Hahn, 29.7.2017)