Seit Monaten gehen in Venezuela Menschen gegen die regierenden Sozialisten auf die Straße, hier in Caracas mit venezolanischer Flagge.

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Venezuelas Präsident Nicolás Maduro vor Anhängern.

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Caracas/Wien – Mitunter ist es das Nichtgesagte, das bemerkenswert ist. Als Venezuelas ehemaliger Präsident Hugo Chávez im März 2013 seinem Krebsleiden erlag, verkündete der damalige US-Präsident Barack Obama: Venezuela schlage nun "ein neues Kapitel in seiner Geschichte auf". Eines, so sei seine Hoffnung, das "demokratische Prinzipien, Rechtsstaatlichkeit und Respekt für Menschenrechte" enthalte. Chávez' Namen erwähnte er nur ein einziges Mal. Entgegen der üblichen Usancen sprach er an keiner Stelle von dessen Leben und Wirken.

Der Umgang der USA mit dem Tod des Staatschefs Venezuelas stand symptomatisch für das Verhältnis zwischen den beiden Ländern. Ganz so viel Neues folgte aber bekanntlich nicht auf Chávez. Seinen Platz nahm Nicolás Maduro ein. Ein Busfahrer aus einer armen Familie in der Hauptstadt Caracas, der seinem charismatischen und rhetorisch versierten Vorgänger – dessen Ausstrahlungskraft weit über die Grenzen Venezuelas hinaus reichte – nie das Wasser reichen konnte.

Und auch in den Beziehungen zu den USA, die unter Chávez einen Tiefpunkt erlebten, hat sich bis heute wenig verändert.

Mit verlässlicher Regelmäßigkeit hat Präsident Maduro bisher noch bei jeder Krise, bei jedem Protest gegen ihn und mit jeder wirtschaftlichen Verschlechterung auf die "imperialistische Aggression" der USA hingewiesen. Aktuell beschuldigt Maduro Washington der Verwicklung in eine angebliche Verschwörung des US-Geheimdienstes CIA zu seinem Sturz. Er wirft den Amerikanern außerdem vor, die Proteste gegen seine Regierung zu finanzieren. Seit nunmehr vier Monaten gehen Demonstranten auf die Straße, um Maduro zum Rücktritt zu drängen. Sie legen dem Präsidenten zur Last, sich mit unlauteren Mitteln an der Macht festzukrallen und das gewählte Parlament zu umgehen, in dem die Opposition ein Mehrheit hat.

"Schlechter Führer"

Seit Beginn der Protestwelle Anfang April sind in dem südamerikanischen Land bereits mehr als hundert Menschen getötet und tausende weitere verletzt worden. Am Mittwoch kündigte die Opposition einen 48-stündigen Generalstreik zur Verhinderung der Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung durch die Regierung an, die einen Umbau hin zu mehr Macht für die Sozialisten bedeutet. Maduro richtete ihnen aus, die Versammlung werde am kommenden Sonntag ins Leben gerufen, "ob es regnet, donnert oder ob der Blitz einschlägt". US-Präsident Donald Trump hat dem "schlechten Führer" Maduro deshalb bereits mit neuen Sanktionen gedroht: Die USA würden "nicht tatenlos dabei zusehen, wie Venezuela zerfällt".

Trotz des gehässigen Umgangstons: Ein Abbruch der Beziehungen käme beide Seiten teuer. Die USA sind der wichtigste Handelspartner Venezuelas: Gut die Hälfte des exportierten Roh-Erdöls, der über 90 Prozent der Ausfuhren Venezuelas ausmacht, fließt zu den von der Regierung in Caracas gehassten "Yankees". Der Großteil davon wird erst in den USA zu höherwertigen Ölprodukten raffiniert. Die USA wiederum decken ihren Erdölbedarf trotz Schiefergasbooms und eigener Ölquellen noch immer zu einem nicht unwesentlichen Teil aus venezolanischen Quellen.

"Trotz aller Rhetorik sind die ökonomischen Verflechtungen zwischen den USA und Venezuela nie abgerissen", sagt Tobias Boos, Assistent am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien mit Schwerpunkt Lateinamerika.

Dass die USA auf eine lange Geschichte der Interventionen in Lateinamerika zurückblicken, ist bekannt. Washington Einfluss bei den Putschversuchen gegen Chávez oder auf einen Teil der Demonstrationen gegen Maduro ist ebenso belegt. Für diese Feststellung "muss man sich nicht in spekulative Gefilde begeben", sagt Boos. "Aber es ist nicht so, dass die gesamte Opposition US-gesteuert wäre. Teile der Bevölkerung sind der Regierung müde, interne Kräfte sind der Meinung, dass es so nicht weitergehen kann."

Donald Trumps Venezuela-Politik scheint sich bisher mit jener Obamas zu decken, resümiert Matthew Taylor, Senior Fellow am US-Thinktank Council on Foreign Relations (CFR) in einem Bericht. Trump verlängerte Obamas Dekret, das Venezuela zur "außergewöhnlichen Bedrohung" erklärte kurz nach Amtsantritt. Und er ließ das Vermögen von Venezuelas Vizepräsidenten Tareck El Aissami in den USA einfrieren. Die Wahl am Sonntag birgt nun das Potenzal, ein neues Kapitel für Venezuela zu eröffnen – und möglicherweise auch in den Beziehungen zu Washington. (Anna Giulia Fink, 27.7.2017)