Stabstelle Mobilitätswende: Henriette Spyra hat sich entschlossen, das System "von innen" zu ändern.

Foto: Johanna Ruzicka

"Diese Stabstelle wurde erst kürzlich geschaffen. Das Verkehrsministerium muss sich ja bei der Klimawandelfrage mehr verkehrspolitisch einbringen. Da ich davor bei der Austria Tech, einer Gesellschaft, die zum Verkehrsministerium gehört, eine ganz ähnliche Aufgabe hatte, hat man mich gefragt, ob ich die Stabstelle mit den Schwerpunktthemen Elektromobilität und automatisiertes Fahren leiten möche. Ich habe bereits viel im Forschungsmanagement gearbeitet und Stakeholderprozesse über Verwaltungsebenen hinweg geleitet, also quasi von Innsbruck bis Brüssel.

Ursprünglich habe ich ja einen sehr geisteswissenschaftlichen Hintergrund – und das ist, denke ich, für diese Aufgabe von Vorteil, weil es genug Techniker in meinem Vierer-Team gibt. Und die Fragestellungen an denen wir arbeiten, sind ja eminent politisch. Da gibt es regulatorische Rahmenbedingungen, wir machen viel Politikberatung und es gibt es enorm viele direkt betroffene Kreise.

Hinaus in die Welt

Ich komme aus Ostberlin, habe das Eingesperrtsein zwar nicht mehr so richtig miterlebt, aber meine Familie konnte nicht in den Westen reisen. Das hat mich sicherlich geprägt, ich wollte immer hinaus in die Welt. Da habe ich so mit 20 einen europäischen Freiwilligendienst gemacht, habe an Schulen und Kindergärten in England Deutsch unterrichtet. Politik hat mich immer interessiert und so habe ich in Oxford ein tolles Kombinationsstudium Philosophie/Wirtschaft/Politik gemacht.

Während des Studiums, auch später in Italien und den USA an der Johns Hopkins Universität stellte sich bei mir immer wieder die Frage: Will ich das System von innen oder von außen verändern?

Ich bin eine Idealistin, gepaart mit sehr viel Realismus. Ich glaube daran, dass wir gemeinsam viel verändern können, ja, dass wir so die Welt zu einem besseren Ort machen können. Denn die Probleme beim Klimaschutz verlangen eigentlich radikale Maßnahmen. Doch ich denke, es bringt nichts, immer den großen grünen Wandel herbei zu beschwören, man muss schrittweise vorgehen.

Von Berlin nach Wien

Also, nicht wild durch die Gegend träumen sondern von innen verändern. Mein Zugang, wie man Lösungen suchen muss, hängt auch damit zusammen, dass mir aus sehr bewusst ist, dass aus einem ursprünglich vielleicht gut gemeinten Bestreben die Welt zu einem besseren Ort zu machen, in vielen Diktaturen dieser Welt schreckliche Dinge entstanden sind. Das beeinflusst und führt zu einer gesunden Vorsicht. Letztlich geht es um ein großes Stück Überzeugungsarbeit.

Immer wieder stellt sich die Frage: Rede ich genug mit den Leuten, zum Beispiel von der Industrie? Mein Tag hat nur 24 Stunden und ich bin zwar gerne Netzwerkerin, aber Überzeugungsarbeit kostet viel Zeit und man stößt manchmal einfach an Grenzen. Man hat mich schon als Wanderpredigerin bezeichnet.

Bei meinen Vorträgen zeige ich am liebsten wie Wertschöpfung entsteht, wenn in saubere Technologien investiert wird – und so gleichzeitig der Klimawandel bekämpft wird. Das ist eine Win-Win-Situation für Österreich und die Umwelt. Man muss klar machen, dass die technologische Weichenstellungen der Gegenwart den Wirtschaftsstandort für die Zukunft sichern.

Selbstverständlich: Kids & Job

Am Anfang meines Berufslebens habe ich eine Zeit lang in Berlin bei einer Public-Affairs-Agentur gearbeitet. Damals verdiente ich für 700 Euro, lebte mit meinem Mann in einer kleinen Wohngemeinschaft und musste mir Kampagnen ausdenken für Unternehmen. Dann ist mein Mann, der ebenfalls aus Berlin kommt, beruflich nach Wien gegangen – und ich, nachdem unsere Große noch eine Berlinerin geworden ist, mit ihm mit.

Vereinbarkeit von Kind und Beruf ist für mich kein spezifisches Frauenthema. Ich bin schließlich nicht alleinerziehend, ich teile mir alles mit meinem Ehemann. Die Frauen in der DDR haben sind damals ganz selbstverständlich arbeiten gegangen, das war einfach normal. Ich war mit acht Wochen in einer Kinderkrippe. Als mein Mann und ich Teilzeit arbeiten wollten, als die Kinder klein waren, ist das bei unseren Müttern sogar auf Unverständnis gestoßen." (29.7.2017)