Wer war Homo X? US-Biologen, die sein genetisches Erbe in den Genomen heutiger Menschen fanden, sprechen von einer "Geisterspezies".
Illustration: Bob Wilder/University at Buffalo

Buffalo – Irgendwie ist es tröstlich zu wissen, dass verschwundene Menschenarten nicht gänzlich ausgestorben sind, sondern bis heute lebende Nachfahren hinterlassen haben – nämlich uns, jedenfalls zu geringen Prozentsätzen. Sowohl der Neandertaler als auch der zentralasiatische Denisova-Mensch haben Spuren im Erbgut des Homo sapiens hinterlassen: der Beweis dafür, dass sich die Angehörigen verschiedener Menschenspezies gepaart und gemeinsame Nachkommen gezeugt haben.

Zwischenmenschliche Beziehungen

Eine Reihe von Studien hat Genfluss zwischen Homo sapiens und Neandertaler in verschiedenen Regionen nachgewiesen, in Europa ebenso wie in Sibirien und östlich des Mittelmeers. Etwa ein bis vier Prozent der DNA von Europäern und Asiaten stimmen mit der von Neandertalern überein. Das genetische Erbe der Denisova-Menschen ist ungleich verteilt. Insbesondere die Bewohner der melanesischen Inselgruppe tragen einen hohen Anteil von Denisova-DNA in sich, er beträgt vier bis sechs Prozent ihres Genoms.

Beides sind Fälle, in denen die Nachfahren von aus Afrika ausgewanderten Menschengruppen auf anderen Kontinenten auf entfernte Verwandte getroffen sind. Auch auf dem Heimatkontinent der Menschheit ist der Homo sapiens aber nicht unter sich geblieben. 2011 wies eine Studie erstmals darauf hin, dass es auch südlich der Sahara zu Vermischungen gekommen sein muss: Anzeichen dafür wurden bei den Angehörigen dreier verschiedener Völker gefunden.

Speichelanalyse

Dieses Ergebnis wird nun von einer Studie der University of Buffalo gestützt. Dabei stand die Paläoanthropologie gar nicht im Fokus des Teams um den Biologen Omer Gokcumen. Die Forscher hatten sich für das Gen MUC7 interessiert, welches das gleichnamige Protein im menschlichen Speichel kodiert. Varianten des Gens stehen mit unterschiedlichen Zusammensetzungen der mikrobiellen Mundflora in Zusammenhang. Dass eine dieser Varianten gegen Asthma schützt, was in dieser Studie eigentlich überprüft werden sollte, konnte hingegen nicht nachgewiesen werden.

Viel interessanter ist aber ohnehin das anthropologische Ergebnis, das die Forscher zu ihrer Überraschung als Nebenprodukt erhielten. Unter den 2.500 von ihnen untersuchten menschlichen Genomen enthielt eine Gruppe aus Subsahara-Afrika eine Variante von MUC7, die sich deutlich von den übrigen unterschied. Sogar die Neandertaler- und Denisova-Versionen von MUC7 lagen laut den Forschern näher an den heute weltweit verbreitetsten Genvarianten als die aus diesen afrikanischen Populationen.

Wer war Homo X?

Die plausibelste Erklärung dafür ist laut den Forscher einmal mehr Genfluss zwischen zwei verschiedenen Menschenarten – eine Bestätigung der Studienergebnisse von 2011. "Es scheint, dass Kreuzungen zwischen verschiedenen frühen homininen Spezies nicht die Ausnahme waren, sondern die Norm", sagt Gokcumen. Beteiligt waren laut den DNA-Analysen zwei Menschenarten, deren evolutionäre Wege sich vor 1,5 bis zwei Millionen Jahren getrennt hatten, bis sie vor etwa 150.000 Jahren wieder zueinanderfanden.

Offen bleibt jedoch wie schon 2011, wer die andere Spezies war. Homo X könnte eine bislang völlig unbekannte Menschenart sein – oder auch eine, deren Knochen man in der Vergangenheit bereits ausgegraben und ihr einen Namen gegeben hat. (jdo, 30.7.2017)