In den vergangenen Jahren hat sich Crowdfunding als neue Finanzierungsmethode für Produkte und Projekte aller Art etabliert. Plattformen wie Kickstarter ermöglichen es Nutzern, einfach in spannende Ideen zu investieren und somit ihre Umsetzung zu ermöglichen. So lautet jedenfalls die große Verheißung.

In der Tat wurden per Crowdfunding schon große Erfolge ermöglicht. So nahm etwa die Entwicklung der VR-Brille Oculus Rift auf diesem Wege ihren Anfang. Heute ist das einstige Start-up Teil von Facebook, das die Firma 2014 um zwei Milliarden Dollar übernommen hat.

Doch die Geschichte der "Schwarmfinanzierung" ist auch eine Geschichte des Scheiterns und Betrugs. Nutzer haben bereits Millionen in Projekte gesteckt, deren Betreiber sich überschätzt haben oder dubiosen Hintergrund aufweisen.

Langes Warten auf die "coole Kühlbox"

Die "Mutter aller Kickstarter-Fails" dürfte der "Coolest Cooler" sein. Mit 13,3 Millionen Dollar ist er bis heute das zweiterfolgreichste Finanzierungsprojekt auf der Plattform. Mehr Geld konnte bisher nur die Smartwatch Pebble Time lukrieren, dessen in Turbulenzen geratener Hersteller mittlerweile zu Fitbit gehört. Der Cooler ist eine Kombination aus Kühlbox, Lautsprecher, Mixer sowie USB-Ladegerät und bietet darüber hinaus noch eine Reihe anderer Funktionen.

Abgeschlossen wurde die Crowdfundingkampagne im Sommer 2014. Doch bei der Fertigung stieß man auf eine Reihe von Problemen. Verzögerungen gab es etwa, weil man den Lieferanten für den Motor des Mixers wechseln musste. Und allgemein hatte man sich beim Crowdfundingpreis von 185 Dollar ordentlich verkalkuliert.

Den geplanten Lieferstart im Februar 2015 konnte man nicht einhalten. Zwischenzeitlich verkaufte man das Gerät auf Amazon, um die Geräte für die Crowd-Investoren querzufinanzieren – was für zusätzlichen Ärger sorgte.

Der Coolest Cooler ist das zweiterfolgreichste Kickstarter-Projekt bisher. 20.000 Unterstützer warten bis heute auf ihre Multifunktions-Kühlbox.
Inventors Blueprint

20.000 warten noch

Gut ein Drittel der Unterstützer, laut Delish.com geht es um etwa 20.000 Investoren, wartet bis heute auf ihren Coolest Cooler. Projektleiter Ryan Grepper plant, alle Geräte auszuliefern. Das wird allerdings eine Weile dauern. Ende Juni schloss das Justizministerium eine von enttäuschten Investoren angestoßene Untersuchung ab und gewährte dem Team drei Jahre Zeit, die verbleibenden Kühler zu versenden, andernfalls müsse man eine Kompensation anbieten.

Schlimmstenfalls werden einige Unterstützer also insgesamt über fünf Jahre auf den Coolest Cooler gewartet haben. Grepper schätzt die Kosten für die verbleibenden Lieferungen auf drei bis vier Millionen Dollar. Vor 2018 dürften dabei nur wenige Geräte das Lager verlassen.

Der Absturz der Euro-Drohne

Über 2,6 Millionen Euro investierten Nutzer in das bislang erfolgreichste europäische Projekt im Techbereich: Die Zano-Drohne. Der kleine Roboter der Firma Torquing um umgerechnet 180 Euro sollte autonom fliegen, auf Gesten und Sprachkommandos reagieren, Selfies aufnehmen und mit allerlei anderen Tricks aufwarten.

Anfang 2015 hatte man die Finanzierung abgeschlossen. Schon im Juni sollten erste Unterstützer ihre Drohne erhalten. Abseits des Crowdfundings holte man sich auch konventionelle Investoren an Bord. Der Liefertermin wurde verschoben. Und bei einem Besuch bei dem britischen Start-up im August zeigte sich das Fluggerät in einem enttäuschend unfertigen Zustand.

Die BBC berichtete von miserabler Videoqualität und schwacher Akkulaufzeit. Damals versprachen die Entwickler noch, diese Schwierigkeiten mit späteren Softwareupdates zu beheben, zuerst aber einmal die ersten Geräte an Unterstützer zustellen zu wollen.

Zano war Europas erfolgreichstes Crowdfunding-Projekt. Jedoch erhielt nur ein Teil der Unterstützer ein Produkt, das noch dazu sehr unfertig war.
Foto: Zano Drone

Unfertige ausgeliefert, dann gescheitert

Manche der privaten Geldgeber erhielten denn auch ihr Produkt, zeigten sich von ihr aber alles andere als begeistert. "Gebt mir mein Geld zurück, damit ich es in eine Drohne stecken kann, die funktioniert", wird ein Nutzer auf Facebook zitiert. Während reguläre Vorbesteller den Flugroboter einsenden konnten und ihr Geld zurück bekamen, gab es für Kickstarter-Nutzer keine Erstattung, was einen Shitstorm auslöste.

Im November ging schließlich Ivan Reedman, Technikchef und ehemaliger CEO von Torquing, von Bord. Seinen Rücktritt erklärte er mit Gesundheitsproblemen und unausräumbaren Differenzen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass das Projekt in großen Schwierigkeiten steckte.

Schließlich reagierte Kickstarter auf die Häufung an Beschwerden und kritischen Presseberichte, in dem man einen Investigativjournalisten engagierte, um den Fall aufzuarbeiten. Er beschreibt die Geschichte eines Projekts, dessen Ambitionen die Fähigkeiten des Teams deutlich überschritten. Die Rede ist von irreführendem Marketing, Selbstüberschätzung und schlechtem Management. Dass sich zumindest niemand an dem Projekt bereichert hat, dürfte jedoch ein schwacher Trost für die vielen Unterstützer sein, die letztlich mit leeren Händen dastanden.

Soap: Hardware-Start-up von Bankrott-Brüdern

Anders gelagert ist der Fall möglicherweise bei Soap, einer Kombination aus mobilem WLAN-Router, Android-Tablet und Heimautomatisierungs-Zentrale. Das "Rablet" (Zitat Hersteller) nahm über zwei Crowdfunding-Kampagnen über 400.000 Dollar ein. Anfang 2014 lukrierte man 142.000 über Kickstarter, etwas später 260.000 Dollar auf Indiegogo.

Ausgeliefert wurde kein einziges Gerät. Dafür stellte sich heraus, dass die Betreiber des Start-ups offenbar eine dubiose Vorgeschichte haben. Die beiden Brüder Brandon und Alexander Jones, so berichtet CEPro, hatten jeweils vor den beiden Finanzierungskampagnen Konkurs angemeldet. Brandon Jones‘ Schuldenstand habe 2009 rund 450.000 Dollar betragen.

Dazu soll es Unregelmäßigkeiten bei der Schließung seines iPod-Reparaturdienstes "iKaput" gegeben haben. Auf Ripoffreport.com wird von nicht zurückgesandten Geräten und nicht durchgeführten Reparaturen berichtet. Alex Jones wiederum meldete zwei Monate nach der Kickstarter-Kampagne bzw. einen Monat vor der Indiegogo-Finanzierung Konkurs an. Sein damaliger Schuldenstand belief sich auf 50.000 Dollar. Für Verwunderung sorgte ein zwei Tage nach Ende der Indiegogo-Finanzierung von ihm auf Facebook gepostetes Foto eines neuen, laut Beschreibung "selbst gekauften" Autos. Kurz darauf schaltete er sein Profil auf privat.

Die Betreiber hinter dem Soap-Projekt stehen in Verdacht, sich mit den Crowdfunding-Einnahmen bereichert zu haben.
Foto: Soap

Nachdem man erklärt hatte, es man habe auf der CES 2015 mehr als 120 Interessenten für eine Zusammenarbeit gefunden, wechselte man plötzlich die Strategie. Soap sollte nun eine App für Heimautomatisierungszwecke werden. Unterstützern bot man anstelle eines eigenen Gerätes nun ein schon existierendes Gerät eines anderen Herstellers an.

Die Spur der "Seifenoper" verliert sich schließlich mit einem Yahoo-Bericht Ende Mai 2015. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits zahlreiche Beschwerden von Nutzern gepostet worden, die bislang weder einen Router, noch eine Rückerstattung erhalten haben. Dass sich daran etwas geändert hat, ist unwahrscheinlich. Mittlerweile sind sämtliche Domains und Social-Media-Auftritte des Soap-Projekts nicht mehr erreichbar.

Hello: Gescheiterter Traum eines jungen Gründers

Zu den jüngeren gescheiterten Crowdfunding-Projekten gesellt sich "Hello". 2014 nahm das Start-up des damals 22-jährigen Briten James Proud über zwei Millionen Euro für die Produktion eines Highend-Schlaftrackers namens "Sense" ein. Ein kugelförmiges Gerät sollte, unterstützt von einem Clip am Kopfpolster des Nutzers, eine detaillierte Analyse der Nachtruhe liefern.

Die Idee überzeugte auch andere Investoren. Weitere 40 Millionen erhielt das Unternehmen auf konventionelle Art, unter anderem von Ex-Twitter-Chef Dick Costolo und Facebooks VR-Chef Hugo Barra. Hilfreich für ihn war dabei wohl, dass sich der bekannte Investor Peter Thiel als Mäzen für den jungen Gründer betätigte und ihm ermöglicht hatte, sein Studium in England abzubrechen und nach Kalifornien zu ziehen.

Vom Hype um das Soap-Start-up des jungen Gründers James Proud ist nicht viel übrig geblieben. Die Firma wird mittlerweile abgewickelt.
Hello

Erfolglose Suche nach neuem Eigentümer

Das Gerät wurde schließlich auch ausgeliefert und zuletzt per Update im November Sprachsteuerung erhalten. Der Firma ging allerdings mittlerweile das Geld aus. Die meisten Angestellten sind bereits entlassen worden, der Online-Service dürfte in naher Zukunft eingestellt werden. Bisherige Versuche, einen Käufer für die eigenen Assets zu finden, sollen gescheitert sein. Erfolglose Gespräche soll es laut Axios etwa mit Fitbit gegeben haben.

Käufern, die den Sleeptracker über Drittanbieter erworben haben, sollten diesen dort zurückgeben und um Erstattung ansuchen, rät der Hersteller. Wer Sense direkt im Onlineshop von Hello geordert hat, geht allerdings leer aus.

Die Spitze des Eisbergs

Neben diesen Projekten gibt es noch eine Reihe anderer Beispiele für erfolgreich finanzierte und in der Herstellung gescheiterte Crowdfunding-Projekte. Zum Millionengrab wurde etwa die die E-Paper-Uhr CST-01, wobei hier die Macher zumindest noch eine teilweise Entschädigung in Aussicht stellten. Zum Fiasko geriet auch der "Peachy Printer", der einen günstigen Einstieg in die Welt des 3D-Drucks versprach. Hier soll einer der Verantwortlichen ohne Mitwissen seiner Partner Geld der Unterstützer für den Bau seines Hauses abgezweigt haben.

Die stylishe E-Ink-Uhr CST-01 schaffte es nie über den Prototyp-Status hinaus.
PIXEL PLANET

Nach wie vor nicht offiziell eingestellt sind auch die Herstellung des "schwimmenden Smartphones" Comet Core und des "Laser-Rasierers" Skarp – deren aktuellen Stand hat der Webstandard vor wenigen Wochen dokumentiert.

Vor Investition: Reality Check

Wer in ein Crowdfunding-Projekt investiert, sollte sich nicht nur der grundsätzlichen Risiken dieser Art der Finanzierung bewusst sein, sondern auch ein paar grundsätzliche Checks durchführen. So sollte man beachten, ob die Projektersteller schon Erfahrung mit Crowdfunding aufweisen können oder schon erfolgreich Produkte umgesetzt haben.

Beachtet werden sollte auch der Entwicklungsstand, versprochene Features und Zeitangaben. Oft kommt es zu Problemen – meist in Form von Verzögerungen oder Reduktion des ursprünglich geplanten Funktionsumfangs – weil unerfahrene Hersteller ihr Know-how über- oder die Komplexität von Fertigungsprozessen unterschätzt haben. (Georg Pichler, 30.7.2017)