"Real ist, dass auch bei Männern nicht nur die Haare grau werden und man 'ne Lesebrille braucht": Ralf König.

Foto: Wolf-Diert Tabbert

Konrad und Paul - der eine intellektuell und schöngeistig, der andere draufgängerisch und zuweilen großmäulig – sind das wohl bekannteste Paar der Schwulenszene. Die gleichnamigen Comics sind längst Kult. Erfunden hat sie Ralf König, der bereits mit Der bewegte Mann große Erfolge feierte. Nun ist ein neuer Comic des Wahlkölners erschienen. Und in dem geht es um ein Thema, das alle Männer fürchten.

STANDARD: Von dem Wort "Andropause" hören viele Männer wohl zum ersten Mal in Ihrem Comic. Bisher denkt die ganze Männerwelt immer noch, dass der Kelch des Älterwerdens auch in Bezug auf die sexuelle Lust an ihr vorüberziehen wird. Wollten Sie tatsächlich eine Art Aufklärungscomic über das Älterwerden für Schwule machen?

König: Ja, Männer reden sich da von jeher sehr viel ein. So was wie Wechseljahre haben nur die Frauen, uns betrifft das ja nicht! Wir können Sex haben bis ins hohe Alter, siehe Picasso, Chaplin und Berlusconi! Und nun kommt die Wissenschaft plötzlich mit dem Begriff Andropause, und uns geht's doch an die Eier. Ich wollte mit dem Comic mit den Mythen und den Trostsprüchen aufräumen und die Realität beschreiben, und real ist nun einmal, dass auch bei Männern nicht nur die Haare grau werden und man 'ne Lesebrille braucht. In der Hose bleiben wir auch nicht mehr 30, leider.

STANDARD: Wie Ihr Held Paul bezeichnen Sie sich selbst als Hypochonder. Wie sind Sie mit den Recherchen klargekommen, und gab es etwas, was Sie als besonders erschütternd oder erschreckend empfunden haben?

König: Ja, ich musste ins Internet und mich schlaumachen, was alles mit dem männlichen Körper passiert mit dem Altern. Normalerweise will man das gar nicht so genau wissen. Aber ich spürte auch gleich das komische Potenzial. Älterwerden wird ja inzwischen als Krankheit betrachtet; wir sollen Pillen nehmen und Hormone spritzen lasen, dann wird's angeblich besser. Aber als Hypochonder haben mich Symptome wie die "Verringerung des Hodenvolumens" abgeschreckt. Da musste ich das Buch erst einmal wieder in die Schublade schieben.

STANDARD: Das klingt so, als hätten Sie beim Zeichnen nicht die beste Laune gehabt. Aber ist das vielleicht sogar eine gute Ausgangsbasis für Humor und Situationskomik, von denen Ihr Buch ja lebt?

König: Möglicherweise ist das so. Ich finde mehr komisches Potenzial in Tragödien als in Komödien. Und dieses Buch war einfach sehr mühsam, ich habe viel zu lange gebraucht und viel zu viel für den Papierkorb gezeichnet. Das ist zwar nicht das erste Mal, dass ein Comic schwierig ist, und ich bin danach immer froh, dass die Leser die Mühe nicht bemerken. Aber es ging mir halt auch sehr in die eigene Unterhose.

STANDARD: Wie wurde die Arbeit an diesem schwierigen Thema in der Schwulenszene aufgenommen? Als Befreiung – nach dem Motto: Endlich beschäftigt sich einmal jemand mit unseren Ängsten? Oder sind Sie eher auf Ablehnung und Kritik gestoßen?

König: Das Buch ist gerade erst raus, aber die Reaktionen sind zu meiner Erleichterung sehr positiv. Ich habe fast das Gefühl, es hat gefehlt, dass jemand da auch einmal mit Humor rangeht. Wir haben alle unsere Ängste, und Humor hilft. Während der Arbeit daran war ich mir allerdings sicher, dass ein Comic, in dem älter werdende Schwule auf dem Sofa sitzen und jammern, kaum jemanden interessieren wird. Aber das Gegenteil ist der Fall, ich bekam bisher nur Applaus.

STANDARD: Haben schwule Männer mit dem Altern eventuell mehr Probleme als Heteros?

König: Ich glaube das nicht, auch Heteromänner sind heute eitel und spüren den Verlust. Aber vielleicht kommt die richtige Krise erst später, nach dem Heiraten und Kindergroßziehen. Dann gucken sie in den Spiegel und fragen sich, wo sie in den letzten 15 Jahren waren. Ich glaube, jeder Mann, der in seinen jungen Jahren das mit dem Sex als Lebensgenuss erlebt hat, hadert damit, wenn das mit der Libido allmählich aufhört. Man flirtet nicht mehr, und auch wenn man gesund ist und körperlich noch alles funktioniert, es ist einfach alles nicht mehr so dringend! Schon allein das ist tragisch.

STANDARD: Sie sind mittlerweile 57. Wie gehen Sie selbst mit dem Alter um?

König: Fitnessstudio habe ich leider aufgegeben, da war ich mit 30, 40 ganz fleißig, aber jetzt mit 57 krieg ich den Arsch nicht mehr hoch. Was soll's, man kommt eh nicht dagegen an. Ich habe Freunde gehabt, die mussten mit Mitte 30 sterben, darum will ich mal nicht klagen. Na ja, ein bisschen. Man ist plötzlich nicht mehr sexy, das tut schon weh. Da werden mir auch die Frauen beipflichten.

STANDARD: Sie hatten Ihr Coming-out 1979. Und Sie haben mit Ihren Comics viel zur Aufklärung und Akzeptanz der Schwulenwelt beigetragen. Jetzt gerade hat der Bundestag in Deutschland die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legalisiert. Ist diese Entscheidung Ihnen persönlich wichtig?

König: Als das damals von Rot-Grün zum ersten Mal in die Wege geleitet wurde mit der Möglichkeit zur Verpartnerung, da hat mich das wenig interessiert. Da musste mich erst mein Verlag Rowohlt darauf aufmerksam machen, ob das nicht ein Thema für mich wäre. Das Buch hieß dann Sie dürfen sich jetzt küssen, und Konrad und Paul wollten sich verpartnern. Ich fand das damals spießig, ja, heute denke ich anders darüber. Es ist ein Zeichen von Respekt, in Bevölkerung und Politik. Ich werde meinen Freund auch heiraten, demnächst. Wenn ich mir die Party leisten kann. Leider verkaufen Bücher sich heutzutage auch nicht mehr so wie in den 90ern.

STANDARD: Was viele eventuell gar nicht wissen: Sie haben zwischen 1981 und 1986 einmal so richtig Kunst in Düsseldorf studiert. Warum sind Sie bei den Comics geblieben, und wie wurde Ihre Liebe zu Comics in der elitären Kunstwelt aufgenommen?

König: Ich hatte mich an der Düsseldorfer Kunstakademie mit Comics beworben und wurde auf Anhieb genommen, weil das auffiel in dem Haufen Bewerbungsmappen. Aber dann hat man mir die Comics verbieten wollen. Klar, die Studenten sollen neue Wege gehen, aber ich wusste, dass ich Comics zeichnen will. So war ich dann neben Beuys in der Klasse und machte in Bühnenbild und Öl und Fotos, aber es hatte immer etwas mit Geschichtenerzählen zu tun. Ich war falsch da, aber ich hatte eine prima Zeit, mich auszuprobieren. Und nach dem Studium kam 1987 Der bewegte Mann, mein erstes Buch bei Rowohlt.

STANDARD: Eben mit "Der bewegte Mann" und "Das Kondom des Grauens" und den gleichnamigen Verfilmungen wurden Sie Anfang der 90er auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Ist es seitdem leichter für Sie, als Comic-Autor über die Runden zu kommen?

König: Die 90er waren schon meine Hochphase. Inzwischen ist es auf dem Buchmarkt generell schwierig, und Comics hatten in Deutschland nie einen guten Stand. Und es gibt immer noch viele, die meinen, meine Comics sind nur was für Schwule, was ja Quatsch ist. Ich bin froh, dass ich schon so lange davon leben kann, und hoffe, es geht auch noch einige Jahre weiter. Meine Bücher gibt es auch in Spanien und Frankreich, ich habe Erfolg. Aber die Zeiten sind andere, die Leute kleben mit den Nasen am Smartphone. Da geht viel Lesekultur den Bach runter.

STANDARD: Warum gibt es bis heute eigentlich keine Verfilmung von "Konrad und Paul", deren Beziehungsschrullen sich doch wunderbar für einen Film eignen würden?

König: Ach, Film ... bei dem Thema krieg ich schlechte Laune. Mein Buch Hempels Sofa sollte fürs Kino verfilmt werden, zweimal, und jedes Mal wurde meine Geschichte so vermurkst und meine Dialoge sinnlos gekürzt und großflächig durch langweilige Sprüche ersetzt, dass ich entnervt abwinken musste. Klar eignen sich einige meiner Bücher bestens als Drehbücher, aber da müssen schon Produzenten ran, die meinem Humor vertrauen und nicht alles verschlimmbessern wollen. Hat beim Bewegten Mann ja auch geklappt, das waren auch meine Dialoge.

STANDARD: In diesem Jahr werden Sie für Ihr Lebenswerk mit dem erlauchten Wilhelm-Busch-Preis ausgezeichnet. Macht einem so eine Auszeichnung nicht auch ein bisschen Angst, wenn man sich ausmalt: Tja, viel Lebenszeit bleibt da vielleicht nicht mehr?

König: Darüber denke ich nicht nach. Der Preis macht mir Freude, weil ich wegen Wilhelm Busch angefangen habe zu zeichnen, als Kind. Ich konnte noch nicht lesen, aber die Bilderabfolgen bei Busch verstehen, das hat mich sehr fasziniert. Ich habe immer mehrere Buchideen im Kopf und noch einiges vor, auch nach dem Lebenswerk-Preis. Und mit den Preisträgern Loriot und Robert Gernhardt in einer Reihe zu stehen puschelt ja auch.

STANDARD: "Konrad und Paul" zeichnen Sie seit 1993. Haben Sie vor, die beiden bis zum bitteren Ende zu begleiten?

König: Und ob. Ich guck mir das alles genau an in der Zukunft und fürchte, ich muss Paul noch einiges zumuten. (Interview: Ingo Petz, 29.7.2017)